Es ist still geworden um die Dieselmodelle im Volkswagen-Konzern. Dabei sind die Selbstzünder für viele Käufer nach wie vor die erste Wahl und gegenüber dem E-Motor noch immer alternativlos. Mal schnell mit einem E-Auto die 800 Kilometer von Hamburg nach München fahren, dabei bestenfalls zwei oder gar drei, vielleicht sogar vier Ladestopps einlegen zu müssen, nur um am Ende mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 km/h und einer gefühlten Ewigkeit anzukommen. Das ist das Los der neuen Mobilität, die im Stadtverkehr ohne Zweifel überlegen ist, auf der Autobahn aber auch in absehbarer Zukunft hinterher fahren wird.
Für viele geht am Verbrennungsmotor kein Weg vorbei. Egal ob Benziner oder Diesel, der Kolbenmotor wird uns noch länger erhalten bleiben. Ob wir allerdings Modelle wie der von uns gefahrene Golf 8 GTD zukünftig noch im VW-Konfigurator finden werden steht in den Sternen. Zu wünschen wäre es jedenfalls, denn der sportliche Diesel überzeugt seit der ersten Generation Golf. Damals wie heute ist der GTD das Bindeglied zwischen dem GTI und dem klassischen Golf. Kein Wunder also, dass sich der GTD im GTI Regal bedient, zwar nicht ganz oben im Clubsport-Regal, sondern eine Etage tiefer.
Seitenschweller, Front- und Heckstoßstange, seitliche Plakette, alles vom GTI bekannt und beim Diesel-Ableger zu finden. Lediglich das R-Logo auf den optionalen 19-Zoll „Estoril“-Felgen werfen Fragezeichen auf. Aber sei es drum, gut sehen die Speichenfelgen alle mal aus und geben den Blick auf die rot lackierten Bremssättel fast lückenlos frei. Hier fällt jedoch auf, das die Bremsscheiben etwas verloren aussehen, denn statt einer 17-Zoll-Bremsanlage muss sich der GTD mit der kleineren Verison im 16-Zoll-Format begnügen. Anständig packt die Bremse dank des elektrischen Bremskraftverstärker aber dennoch zu. Wer den GTD allerdings richtig rannimmt stößt schnell an die Grenzen des Setups, was sich wohl oder übel in der Nase mit einem Geruch von heißem Eisen bemerkbar macht.
58 Bilder Fotostrecke | Der Dauerrenner: 2023er VW Golf 8 GTD im Fahrbericht Und rannehmen lässt sich der GTD ohne Zweifel, mit seinen 200 PS liegt der Selbstzünder auf dem Level des einstigen Golf 5 GTI, der mit seinem damals gerade aus der Taufe gehobenen 2.0 TFSI den Golf GTI völlig neu definierte. Der Golf 8 GTD hatte erstmals die 200-PS-Marke geknackt und legte beim Drehmoment mit seinen 400 Nm ordentlich zu. Ab geht die Post aber erst, wenn die deutlich spürbare Anfahrschwäche des 4-Zylinders überwunden ist. Denn erst wenn der Ladedruck auf über zwei Bar geklettert ist, geht´s richtig los. Besonders im Stadtverkehr nervt das mit unter gewaltig, zumal durch das Start-Stop-System eine zusätzliche Anfahrschwäche eingebaut ist. Etwas Abhilfe, wenn auch nur wenig schafft hier das Fahrprofil SPORT, bei dem die Gaspedalkennlinie, aber auch Lenkung und Dämpfung straffer reagieren.
Geschmackssache hingegen bleibt das gleichzeitig über die Fahrzeuglautsprecher eingespielte Motorgeräusch, das zwar für Emotion sorgen soll, nach den ersten 100 Kilometer aber nur noch nervt. Um so besser, dass sich alle Fahreinstellungen im INDIVIDUAL-Modus manuell einstellen lassen und sich so das Motorbrummen beenden lässt.
Immerhin werkelt unter der vollgestopften Motorhaube ein TDI der aktuellen Generation, der gefühlt über mehr Sonden, Messfühler und sonstigen Klimbim zu Abgasreinigung verfügt, als es sich ein normaler Autofahrer ohne Diplomingenieurstitel in Raketentechnik vorstellen kann. In der Fahrgastzelle gibt es vom Diesel im Normalbetrieb kaum noch etwas zu hören, so gut ist das Motorabteil gedämmt, so weich läuft die Verbrennung in den Zylindern ab. Jedenfalls dann, wenn genügend Diesel und Adblue an Bord sind. Nachgefüllt werden muss vor allem der Diesel alle runde 1.000 Kilometer, ohne das man dabei all zu viel Rücksicht aufs Gaspedal nehmen muss.
Bis zum Bodenblech getreten sprintet der TDI in 7,1 Sekunden auf die 100 km/h-Marke zu und rennt laut Hersteller bis 245 km/h weiter. Wir traten noch fester auf Pedal und ließen die digitale Tachonadel sogar bis auf 253 Stundenkilometer klettern. Angst und Bange wird´s einem dabei nicht, zu perfekt ist das Fahrwerk im GTD abgestimmt.
Im Langzeitschnitt über mehr als 2.500 Kilometer gab der Bordcomputer im Test mit 6,1 Liter an. Weniger Verbrauch ist dabei problemlos möglich, allerdings macht es einfach richtig Bock gemühtlich mit 180 km/h über die Autobahn zu Cruisen während die Tankanzeige eingefroren zu scheinen seit. Probiert das mal im e-Auto ohne nach 30 Minuten einen akuten Anfall von Reichweitenpank zu bekommen.
Übertrieben sportlich ist der GTD dabei auf keinen Fall, selbst die Sportsitze sind nach einigen Stunden hinter dem dicken Sportlenkrad noch sehr, sehr nett zum Hintern. Viel zu tun hat der Fahrer während dieser Zeit kaum, jedenfalls dann nicht, wenn die IQ-Drive Assistenzsystem an Bord sind. Speziell der Travelassist als Verschmelzung von Spurhalteassistent und adaptivem Abstandtempomat darf auf keinen Fall fehlen, auch wenn das kein billiger Spaß ist. Im Falle des Testwagens verfügte das 1.075 € teure Paket zudem über den Spurwechselassistent "Side Assist", der nicht mehr allein in Form des Totwinkelwarners von Bord ist, sondern auch beim Betätigen des Blinkers auf der Autobahn die Fahrbahn wechselt. Jedenfalls im Idealfall und der ist mit einigen Hürden verbunden und funktioniert im Golf 8 kaum besser als im von uns ebenfalls gefahren ID.5 mit gleicher Funktion.
Ist der attestierte Spurwechsel dann möglich – zwei kleine Zeichen auf dem Fahrspursystem im Tacho deuten das an – dauert es gefühlt so lange wie der Überholvorgang von so manchem Berufskraftfahrer, der zum Elefantenrennen ausschert. Eine etwas zu starke oder zu schwache Lenkbewegung des Fahrers und das System schaltet ab. Ein Auto, das von hinten schneller ankommt, und das System schaltet ab, ebenso wenn ein Fahrzeug vor einem, auf das man schneller aufläuft als gedacht, und schon bricht das System ab. Hier zeigt sich einmal, dass der Weg zum automatisch fahrenden Auto noch lang ist.
Softwareseitig machte unser GTD hingegen eine gute Figur. Hier zahlt sich die seit 2022 verbaute neue Hardware in Verbindung mit einem aktuellen Datenstand aus. Elend lange Ladezeiten und Systemabbrüche gehören der Vergangenheit an. Hätte Volkswagen direkt auf die leistungsfähigeren Komponenten gesetzt, hätte man sich so manchen Imageschaden und wütenden Kunden erspart.
Fazit zum 2023er VW Golf 8 GTD
Kurz vor seinem bevorstehenden Facelift ist der Golf 8 endlich dort angekommen, wo er seit Markteinführung hätte stehen können. Ob das überarbeitete Modell überhaupt noch als GTD zu haben sein wird, ist fraglich. Wer einen sportlichen Golf als Dauerrenner sucht, wird mit dem 2023er ganz sicher sein Diesel-Glück finden.
Weitere Fahrberichte findest Du hier:
Archiv der Fahrberichte von 2008 - 2024 Unsere Fahrberichte ab 2023 im Überblick Die schnelle 8er Variante 2022 VW Golf R Variant im Video-Fahrbericht Warum ist der so teuer? VW Arteon R Shootingbrake im Video-Fahrbericht Videofahrbericht: Besser nur mit Diesel? VW T7 Multivan TDI im Fahrbericht Hey Elon, BMW kann das auch 2023 BMW iX im Video-Fahrbericht Video-Fahrbericht: Diesel als beste Wahl? Skoda Kodiaq TDI STYLE Facelift ab 2022 im Fahrbericht 600 PS-Endgegner mit Kostenfalle 2023er Audi RS Q8 im Video-Fahrbericht Sterben der Kompaktklasse Goodbye GTI ? - 2023er VW Polo GTI Facelift im Fahrbericht TT RS Iconic Edition zum großen Finale! 2023 Audi TT RS Coupé Iconic Edition im Fahrbericht Ja zum Diesel! 2022 VW T-Roc TDI Facelift im VIDEO-Fahrbericht Der bringt den Elfer zum Schwitzen 2022er Porsche 718 Cayman GT4 RS im Fahrbericht e-Power-SUV mit 408 PS und 660Nm Volvo XC40 Recharge "Pure Electric" im Video-Fahrbericht
Keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar