Porsche lässt den Sieger der Rallye Dakar des Jahres 1984 wiederauferstehen. Die Neuauflage auf Basis des 911er GTS macht seinem Namen alle Ehre, hat aber seinen Preis.
Die monströse Sanddüne schimmert rötlich in der Sahara-Sonne. Die wollen wir erklimmen. Nicht in irgendeinem Auto, sondern in einem Neunelfer auf Stelzen, also dem Nachfolger des Siegers der Rallye Dakar des Jahres 1984. Todesmutig stürzt sich der Off-Road-Sportler den Hang hinunter, kurz wischt die Schnauze über die feinen Körner, ehe deren Kompression das Fahrwerk brutal zusammenstaucht. Die Stimme des Porsche-Experten schießt uns durch den Kopf: „Sobald das Auto eingefedert ist, rauf aufs Gas.
Ohne Kompromisse.“ Wir treten voll auf das Pedal. Wie von der Tarantel gestochen, sprintet der Dakar-Porsche die steile Anhöhe hoch. Da hilft es, dass dieser Neunelfer mit 19 Grad den Rampenwinkel eines Porsche Cayenne hat. Wir sehen viel Blau und wenig Sand. Egal. Wir bleiben auf dem Stempel. Stillstand bedeutet mit großer Wahrscheinlichkeit ausbuddeln. Jetzt geht es rechts herum in eine Steilkurve, das Heck erwacht zum Leben, die Reifen pflügen durch den Sand, wir sehen aus dem Augenwinkel eine Sandfontäne aufsteigen und lenken schnell dagegen. Der Elfer findet sofort wieder in die Spur und richtet sich gerade aus Klasse! Das Grinsen in unserem Gesicht gleicht dem einer aktuellen BMW-7er-Niere und bleibt auch nach dem wilden Ritt durch die Sahara-Wüste wie festgetackert.
Dabei war dieser Off-Road-Bolide eine schwere Geburt. Schon vor zehn Jahren hatten Thomas Krickelberg und der jetzige Lamborghini-Designer Mitja Borkert die Idee, den Sieger der Rallye Dakar 1984 mit moderner Technik wiederzubeleben. Aber wie das so manchmal ist, ist die Zeit noch nicht reif und die Produktstrategen legen ihr Veto ein. Mittlerweile hat sich das geändert. Die Umsetzung erscheint auf den ersten Blick simpel. Man nehme den Neunelfer und verpasst ihm ein neues Fahrwerk mit mehr Bodenfreiheit, garniere das Ganze mit einem Unterbodenschutz und breiteren Radläufen. Weit gefehlt. Die Karosserie liegt um fünf Zentimeter höher als beim Straßen-Elfer mit Sportfahrwerk. Damit die Karosserie auf Kommando noch weitere drei Zentimeter nach oben rauscht, musste das Liftfahrwerk angepasst werden.
51 Bilder Fotostrecke | Er ist wieder da: 911er für´s Grobe!: Die Bilder zum 2923 Porsche 911 Dakar Das Prinzip ähnelt dem, mit dem die Vorderachse bei den Straßen-Neunelfern angehoben wird. Allerdings ist das beim Dakar eine ganz andere Hausnummer, da der Porsche auf ausgefahrenen Stelzen bis zu 170 km/h schnell sein darf und nicht nur kurze Zeit die Nase lupft. Deswegen haben die Techniker das Volumen der hydraulischen Radialkolbenpumpe vergrößert und einen Speicher dazu gepackt, damit die Pumpe nicht ständig laufen muss und der Druck von 135 bar (normales Vorderachs-Liftfahrwerk 110 bar) konstant bleibt. Dass jetzt an jedem Rad ein Aktuator steckt und nicht nur an zwei, versteht sich von selbst.
Damit der Sportler auch über Stock und Stein funktioniert, sind nicht nur spezielle All-Terrain-Reifen nötig (eine Pirelli-Sonderentwicklung mit neun Millimeter tiefen Stollen, verstärkten Flanken und zwei Karkassenlagen unter den Laufflächen), sondern auch entsprechende Fahrsysteme. Denn neben Normal, Sport und Wet hat dieser Porsche noch Rallye sowie Off Road in petto. Während bei Rallye die Kraft hauptsächlich nach hinten geht, ist Off-Road für solche Stunts wie die Dünen-Hatz gedacht, und der Porsche 911 Dakar streckt die Beine um weitere drei Zentimeter.
Bei den Fahrsystemen hilft dem Dakar-Elfer die Gnade der späten Geburt. Da er das letzte Auto vor der Modellpflege des Zuffenhausener Sportlers ist, sind die Dynamikspender auch dementsprechend ausgereift, was den Ingenieuren die Arbeit leichter gemacht hat. „Der Dakar hat alle Waffen an Bord“, sagt Thomas Krickelberg. Also unter anderem ein regelbares Sperrdifferential an der Hinterachse, die Hinterachslenkung, einen Allradantrieb und eine Wankstabilsierung, adaptive Dämpfer. Trotzdem war die Abstimmung nicht ganz einfach. „Wir haben alle Systeme auf links gedreht“, erklärt Fahrdynamiksysteme-Experte Holger Kleinknecht.
Jedes Detail ist wichtig. Die Motorenlager stammen vom 911 GT3 und sind steifer als die im GTS. Der Motor samt Getriebe wiegt mehr als 300 Kilogramm und die Lager unterbinden das Auf- und Ab-Eigenleben der Einheit wirkungsvoller, wenn der Porsche mit Karacho über Stock und Stein brettert. „Damit kommt auch ein Touch GT3 ins Auto“; weiß Achim Lamparter, Gesamtprojektleiter 911 Dakar. Das merkt schon nach wenigen Kilometern auf Asphaltstraßen. Auch dieser Neunelfer fegt straff gefedert mit einer minimalen Lenkbewegung durch die Kurven. Mit 353 kW / 480 PS und einem maximalen Drehmoment von 570 Newtonmetern ist der Dakar-911er mehr als ausreichend motorisiert und gehört auch in der Dynamikabteilung zu den Alphatieren. Wer den Dynamik-Tango tanzen will, findet mit dem Stelzen-Neunelfer den geeigneten Tanzpartner. Der zudem noch leichtfüßig ist. Die CFK-Motorhaube aus dem 911 GT 3 mit den auffälligen Nüstern, leichte Scheiben, Sportschalensitze, die fehlende Rückbank und der feststehende aus Carbon-Verbundstoff helfen, das Gewicht der Gelände-Rakete auf 1.605 Kilogramm zu drücken. Das sind lediglich zehn Kilogramm mehr als der Porsche 911 Carrera 4 GTS mit dem gleichen Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe. Und das trotz des stabilen Überrollbügels und dem Unterbodenschutz am Fahrzeug. Denn ein Neunelfer muss auch auf der Rennstrecke sauschnell sein. Das steht in jedem Lastenheft. Der Porsche 911 Dakar braucht für eine Runde auf der Nordschleife des Nürburgrings knapp unter acht Minuten und ist damit genauso schnell wie der 911 GT3 (der Baureihe 996).
Wer die überfüllten Verkehrsadern meiden will und auf Feldwegen seine Rallye-Künste beweisen will, aktiviert das gleichnamige Fahrprogramm und freut sich über den heckbetonten Antrieb. Quer ist mehr, lautet dann die Devise. Dabei bleibt sich der Porsche auch auf diesem Untergrund treu. Unglaublich mit wie viel Karacho man auch auf losen Untergrund um die Ecken pfeffern kann. Allerdings wird der Beifahrer dabei so durchgeschüttelt, dass der sich oft einen zweiten Haltegriff wünscht.
Um sich einen modernen Dakar-Elfer zu sichern, muss man schnell sein und ein bisschen Kleingeld in der Tasche haben. Es werden nur 2.500 Exemplare zu einem Preis von 222.020 Euro gebaut. Auf Wunsch auch mit der passenden Lackierung inklusive Rallye-Paket für 26.061 Euro. Dafür darf der Kunde auch zwischen der Ziffer 1 und 999 für die Startnummer auf den Türen wählen. Natürlich politisch korrekt: Statt „Rothmans Porsche“ ziert jetzt der Schriftzug „Roughroads Porsche“ die Flanken. Wer sich mit dem Dekorklebeset „Rallye 1978” wie bei unserem Testwagen zufriedengibt, muss lediglich 5.950 Euro hinlegen.
Damit der Auftritt auch perfekt ist, befindet sich am Dach ein 12-Volt-Stromanschluss für die Zusatzscheinwerfer des optionalen Dachkorbs (5.355 Euro). In den passen wichtige Rallye-Utensilien wie ein Wasserkanister (ab 59,50 Euro) und Klappspaten (95,20 Euro). Für die echten Dakarler hat Porsche sogar ein Dachzelt (ab 4.980,15 Euro) parat. Man kann davon ausgehen, dass dieses Detail bei fast jedem Dakar-Porsche geordert wird, womit man dann ruckzuck bei rund 250.000 Euro landet. So hat der Ausdruck „her mit dem Schotter“ bei diesem Querfeld-ein-Künstler mehr als nur eine Bedeutung.
Wolfgang Gomoll; press-inform
Technische Daten 2023 Porsche 911 Dakar
Typ: Sport-Crossover
Motor: Sechszylinder-Boxer
Hubraum (cm3): 2.981
Leistung in PS (kW) bei U/min-1: 480 (353) bei 6.500
Max. Drehmoment (Nm) bei Umin-1: 570 bei 2.300 bis 5.000
Höchstgeschwindigkeit (km/h): 240
Beschleunigung 0-100 km/h (sek.): 3,4
Getriebe: Achtgang-DKG
Antrieb: Allrad
Treibstoffsorte: Super Plus
Tank (L): 67
Verbrauch EU-Drittelmix (l/100 km): 11,3
CO2-Ausstoß (g/km): 256
Gewicht, Herstellerangabe (kg): 1.605
max. Zuladung (kg): 355
Abmessungen (L/B/H): 4.530 / 1.864 / 1.338 (L/B/H)
max. Ladevolumen (L): 132
Preis (Euro): 222.020
Abgasnorm: Euro 6d-ISC-FCM
Effizienzklasse: G
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