Er trägt einen großen Namen und hat ein großes Erbe. Am Heck des blauen Porsche 911 der Generation 993 prangt nicht nur das schwarze Carrera-RS-Logo, sondern ein gewaltiger Heckflügel. Im Gegensatz zum optisch vergleichsweise zahmen 964 RS ist der 993 ein wahrer Rennwagen.
Wer dem blauen Elfer auf seinen eng geschnittenen Sportdress schaut, wundert sich, dass dieser Bolide tatsächlich Kennzeichen an Front und Heck trägt. Zugegeben – auf der Straße hat der Porsche 911 Carrera RS der Generation 993 an sich nichts zu suchen. Denn nicht nur Räder, Spoiler und Leitwerk katapultieren ihn optisch wie technisch nach Laguna Seca, Suzuka oder auf den Hockenheimring und auch im Innenraum lässt der Zuffenhausener keinen Zweifel daran, dass er ein echter Rennwagen ist. Wer auf der Straße einen Porsche 993 möchte, der mehr Sportlichkeit als die gewöhnlichen Carrera-Modelle mit Hinterrad- oder Allradantrieb bietet, der kann sich in den coolen Porsche 993 Carrera 4S oder gar den 408 PS starken Turbo-Protz setzen.
Denn der Porsche 993 hat von der zahmen Zurückhaltung der Vorgängergeneration 964 kaum etwas in sich. Der war als RS-Version kerniger, knackiger und allemal schärfer als seine Brüder – hielt sich optisch mit dem ausfahrbaren Spoiler, Cup-Felgen und entsprechender Spiegel innen wie außen trotz Schalensitzen zurück. Der Porsche 911 Carrera RS der Nachfolgebaureihe 993 ist von ganz anderem Kaliber. Er ist schon optisch eine Waffe und innen viel mehr Rennwagen denn sportlichster Tourer.
Dabei bietet das 3,8 Liter großen Boxertriebwerk im Heck auf dem Papier kaum beeindruckendere Leistungsdaten als die zahmeren Carrera-Modelle der Mitt-1990er. Der 993 RS leistet 221 kW / 300 PS und ein maximales Drehmoment von 360 Nm bei 5.400 U/min. Das sind nur zehn Pferdestärker weniger als das Modell, von dem der Carrera RS abgeleitet wurde – der Porsche 993 Cup. Wog das Rennserienfahrzeug jedoch gerade einmal 1.100 Kilogramm, bringt der bereits im normalen Fahrbetrieb wild bollernde Sechszylinder im Heck knapp 1,3 Tonnen auf die Waage. Der größte Unterschied zu den normalen 993-Modellen, die über die Produktionsjahre von 272 über 286 auf 300 PS erstarkten, ist nicht die nahezu identische Motorleistung, sondern schlicht das Triebwerk selbst. Wie schon der Vorgänger Porsche 911 der Baureihe 964 wummerte im Heck der Serien-993 ein 3,6-Liter-Aggregat, während im Hinterwagen des RS-Renners ein 3,8-Liter-Renntriebwerk bollerte.
Mit seinem umfangreichen Spoilerzierrat ungeachtet jeglicher ästhetischer Vorgaben eher für maximalen Abtrieb auf Landstraßen und kurvigen Rennstrecken gebaut, schafft der Porsche 993 RS auf Wunsch knapp 280 km/h Höchstgeschwindigkeit – kaum mehr als die Modelle, die im Alltag von Zahnarztfrauen und Rechtsanwälten pilotiert wurden. Seine Stärke sind jedoch nicht die maximalen Tempi, sondern ein scharfes Einlenkverhalten und bissigste Bremsen. Die knapp 200 Kilogramm Gewichtsersparnis bewirken fahrdynamisch wahre Wunder, sorgen aufgrund der fehlenden Dämmstoffe und der Rücksitze für eine anstrengende Geräuschkulisse. Egal, wie sehr man den 3,8er-Boxer ausdreht – ein Radio nebst Boxen kann man sich ebenso sparen wie eine Heizungsanlage, denn warm wird es in dem Porsche 911 RS der 993er-Reihe schneller als es einem lieb ist. Dabei sitzt der Fahrer im Innern nicht nur in engen Sportschalen, sondern blickt auch auf viel nacktes Blech, weil die Teppiche ebenso fehlen wie Komfortdetails jeglicher Art.
Damit ist er allemal auf den puristischen Spuren der ersten RS-Generation unterwegs, die 1972 ihre Premiere feierte. Statt des ehemaligen Bürzels thront am Heck jenes Leitwerk, das wohl auch eine Concorde auf dem Boden gehalten hätte und auch der Spoiler an der Front sorgt dafür, dass der Sportwagen seine Leistung ebenso wild wie imposant auf die Fahrbahn bannt. Kupplung und Sechsgang-Handschaltung verlangen ebenso wie die Lenkung nach einer kräftigen Hand sowie einer entsprechenden Beinmuskulatur. Ein paar überaus flotte Kilometer durch den sonnendurchfluteten Schwarzwald zeigen jedoch, dass es der 993 RS nicht nur auf der Rennstrecke konnte, doch an sich genau dorthin gehört. Kurven, Kehren, Haarnadeln, spätes Bremsen und kraftvolles Beschleunigen mit hohen Touren – das ist der Lebensraum, in dem sich der 993 RS zu Hause fühlt. Der Fahrer sollte lieber ein Pilot sein, der es auch einmal etwas rauher mag, denn der RS ist wie seine Vorgänger nichts zum Strabanzen in der City.
Wer mit diesem blauen Wunder des Jahres 1994 in der Innenstadt unterwegs ist, fährt entweder zur Inspektion, einem Clubtreffen oder muss neue Reifen aufziehen. Doch kein Mitleid, wenn dem Piloten in der Sportschale der Schweiß über Stirn und Schläfen rinnt – er hat in den letzten Stunden wohl sehr viel Freude erlebt. Ganz sicher. Wer einmal träumen möchte: das Angebot auf dem europäischen Automarkt ist für den Porsche 911 Carrera RS der Generation aus den Baujahren 1994 / 95 überaus dünn. Viele Modelle sind in Sammlungen oder werden allzu selten auf Rennstrecken ausgeführt – unter 300.000 Euro ist nichts zu machen.
Stefan Grundhoff; press-inform
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