Der unangefochtene Liebling der deutschen Autofahrer trug jahrzehntelang den Namen VW Golf. Doch Elektrotrends und Detailschwächen rüttelten am Legendenstatus des Wolfsburgers. Dabei zeigt die jüngste Modellpflege – der Golf ist nahezu perfekt.
50 Jahre Golf - endlich einmal ein Jubiläum in der Autoindustrie, der wirklich eine Festivität lohnt. Deutschland, Europa oder die Referenz in der Kompaktklasse – all das ist irgendwie auch der Golf – Geburtsort Wolfsburg. Es muss nicht immer ein GTI sein, um den Fahrer träumen zu lassen, denn auch die Basisversionen setzen seit fünf Jahrzehnten ihre Maßstäbe und bereiten der Konkurrenz viel Kopfzerbrechen. Mittlerweile konkurriert ein Golf in einem Klassenkampf längst nicht mehr allein gegen Ford Focus oder Opel Astra, sondern auch gegen Tesla Model 3, Peugeot e-3008, Mini Cooper S oder den eigenen Elektro-Bruder VW ID3.
Einer für alle
Der 4,28 Meter lange Golf ist an sich für fast jeden Kunden etwas, denn er ist kompakt, irgendwie klassenlos, komfortabel, bereitet Fahrspaß und ist dabei zeitgleich Erst-, Zweit- oder Drittwagen. Der beste Golf war für viele zumindest in Europa lange Jahre eine TDI-Variante, seinerzeit ebenso sparsam wie drehmomentstark und flott unterwegs. Mittlerweile spielen die Benziner die Hauptrolle und hier ist die stärkere 1,5-Liter-Variante mit 110 kW / 150 PS wohl jene Version, die die meisten Kunden ansprechen dürfte. Diesen VW Golf 1.5 TSI gibt es – vielleicht sogar etwas überraschend – noch immer mit einer Sechsgang-Handschaltung. Ein automatisiertes Getriebe, im Hause Volkswagen eine Doppelkupplung, ist die objektiv bessere Version, denn hier spart sich der Fahrer nicht nur die im Stau oft nervige Handarbeit, sondern es gibt nennenswerte Vorteile bei Komfort, Dynamik und Effizienz. Doch die Basis des 1.5 TSI ist bei der 110-kW-Version ein Handschalter und jene manuelle Getriebebedienung macht Laune, denn der aufgeladene Vierzylinder hängt gut an Geist, Hand und Gas des Fahrers.
Sehr sauber und ausreichend agil
Der 1,5er ist kein Sportler, sondern er wurde nicht nur wegen seines obligatorischen Partikelfilters auf Effizienz und Sauberkeit getrimmt. Das maximale Drehmoment von 250 Nm kommt nicht an den Schub einstiger Dieselversionen im Golf heran, doch die niedrigen 1.500 Touren sorgen für einen engagierten Einsatz aus dem Drehzahlkeller. Mehr Dampf von unten heraus braucht wohl kein Kunde, der einen normalen Golf ohne Sportabzeichen bewegt. Die Handschaltung passt und der Fahrer spürt nur unter höheren Lastanforderungen, dass 1,5 Liter Brennraum, verteilt auf vier Brennkammern eben nicht allzu viel sind. Doch der Turbolader überspielt das Brennraumdefizit eindrucksvoll und ein Beschleunigungspotenzial 0 auf Tempo 100 in 8,6 Sekunden oder eine Maximalgeschwindigkeit von 224 km/h lassen jeden Fahrer eines elektrischen VW ID3 weinen, der bei 160 km/h jäh eingebremst wird.
Perfektes Fahrwerk
Was der mindestens 31.530 Euro teure VW Golf 1.5 TSI auch in seiner neuesten Generation mit zugegeben recht dünner Basisausstattung kann, ist jene geradezu perfekte Symbiose aus Komfort und Sportlichkeit. Klar sind es die gelungene Abstimmung von Federn und Dämpfern sowie einer exzellenten Lenkung und einer guten Räder-Reifen-Kombination, doch im Vergleich zu so manchem Elektrokonkurrenten oder jener Modelle mit Hybridmodul ist das geringe Gewicht von nicht einmal 1,4 Tonnen der große Wurf. Unangenehme Querfugen, zerborstene Fahrbahnen oder rauer Asphalt – die achte Golf-Generation ist vielleicht in vielen Details nicht derart perfekt wie die siebte, doch im Bereich Fahrwerk und Abstimmung ist der König der Kompaktklasse eine wahre Schau. Dass mit der jüngsten Modellpflege abgesehen von Designdetails an Front und Heck kaum etwas passiert ist und man selbst die neuen LED-Scheinwerfer nur bei genauem Hinsehen erkennt, wird kaum jemanden stören. Der Turbomotor ist nicht nur leise und drehfreudig, sondern auch sparsam, denn ein Normverbrauch von 5,4 Litern Super auf 100 Kilometern ermöglicht mit vollem 50-Liter-Tank Reichweiten von 900 Kilometern.
Bessere Bedienung - endlich!
Das solch langen Strecken auch in einem Modell der Kompaktklasse Laune machen können, dafür sorgen das geringe Geräuschniveau im Innern, ein griffiges Lenkrad und gut ablesbare Instrumente. Keine Frage, dass es das größere der beiden Bediensysteme mit Namen „Discover“ sein sollte, denn die 12,9 Zoll große Diagonale ist zwar nicht üppig, aber zeitgemäßer als die kleine 10,4-Zoll-Variante. Das Display ist übersichtlich und die Software schnell – erweitert um beleuchtete Slider für Lautstärke und Temperatur. Sinnvoll: das recht karg erscheinende Head-Up-Display. Das Platzangebot passt für diese Klasse vorne wie hinten, die Sitze sind nicht nur wohl konturiert, sondern sehr bequem. Mehr Laderaum als jene 381 Liter, die sich durch Umlegen auf über 1.200 Liter erweitern lassen, braucht in diesem Segment keiner.
Unter dem Strich ist der VW Golf 1.5 TSI der neuesten Generation das beste Volumenmodell, das man in dieser Klasse kaufen kann. Allein der edlere Audi A3 mit Premiumanspruch bietet hier wohl noch mehr – für mehr Geld. Doch wer an einen VW ID3 denkt, der sollte sich vielleicht auch nochmals in einen VW Golf setzen – er kommt sicher ins Grübeln, denn er erlaubt sich keine echten Schwächen und ist insbesondere eines: ein VW Golf.
Stefan Grundhoff; press-inform
Technische Daten: VW Golf 1.5 TSI
Motor: aufgeladener Vierzylinder-Benziner
Hubraum:
Leistung: 110 kW / 150 PS
Max. Drehmoment: 250 Nm ab 1.500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 224 km/h
Beschleunigung 0 – 100 km/h: 8,6 Sekunden
Leergewicht: 1.346 kg
Getriebe: Sechsgang-Handschaltung
Antrieb: Front
Normverbrauch: 5,4 Liter / 123 g CO2
Ladevolumen: 381 – 1.237 Liter
Preis: ab 31.530 Euro
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