Es lebe der Ladedruck

50 Jahre Porsche Turbo

Es lebe der Ladedruck: 50 Jahre Porsche Turbo
Erstellt am 16. Dezember 2023

Vom Witwenmacher zum superdynamischen Allrounder. Seit 50 Jahren ist der Porsche 911 Turbo das sinnstiftende Vorzeigemodell des Zuffenhausener Autobauers. Die Kombination aus Kraft und Agilität lässt die italienische Konkurrenz blass um die Nase werden – bis heute. Italien gegen Deutschland. Das ist in den 1970er-Jahren nicht nur auf dem Fußballfeld eine heiße Angelegenheit, sondern auch auf der Straße legt das Duell an Fahrt zu. Auf dem Pariser Automobilsalon des Jahres 1974 folgt der teutonische Konter gegen die Übermacht des Italo-Duo Ferrari und Lamborghini. Während die Stiermarke noch an einem Nachfolger für den legendären Miura tüftelte, rollte das Cavallo Rampante den 365 GT/4 Berlinetta Boxer an den Start.

In Zuffenhausen sind sie an der Ehre gepackt und wollen das Quartett der Supersportwagen neu gestalten. Der Porsche 911 Turbo protzt nicht um jeden Preis mit PS-Zahlen, sondern soll mit einer Kombination aus Agilität und Power den Konkurrenten um die Ohren fahren. Die Entwickler nehmen die Rennsportlegende Porsche 917 als Vorbild. „Ohne den 917 hätte es den 911 Turbo wohl nie gegeben“, sagt der Zuffenhausener Motorenpapst Hans Mezger.

Das vom Rennsport getriebene Resultat erfüllte die hochfliegenden Vorgaben. Der Porsche 930, der erste 911 Turbo, hämmert dank seines Drei-Liter-Boxermotors mit 191 kW/260 PS auf den Asphalt ein. Aus dem Stand ist nach 5,2 Sekunden Landstraßentempo erreicht und mit einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h ist man ohnehin der König der linken Spur. Bevor das erste Serienmodell erstellt wurde, gab es ein Einzelstück für Luise Piech – mit einem aufgeladenen 2,7 Liter Boxer, der 177 kW / 240 PS leistete. Der silberne Elfer hatte ganz nach den Wünschen der Fahrerin rot-karierte Sportsitze. Das spätere Serienmodell bekam mehr Hubraum und mehr Leistung. Beim Porsche 911 Turbo geht es von Beginn an nicht um das pure Tempobolzen, sondern um eine Symbiose aus ausreichend Power und Agilität. Das ist auch beim ersten 911er Turbo so, der mit der plötzlich einsetzenden Kraft und dem tänzelnden Heck in manchen Kurven für feuchte Hände sorgt. Der monströse Heckspoiler ist kein Poser-Equipment aus dem Tuner-Katalog, sondern hilft beim Abtrieb. Trotz Ölkrise, Sonntagsfahrverbot und Tempolimit sowie eines stolzen Preises von 65.800 Mark ist der schnellste Serienporsche ein Verkaufserfolg. Die Grundlage für den Mythos Porsche 911 Turbo, der bis heute andauert, ist gelegt. Das bedeutet aber nicht, dass man in Zuffenhausen zufrieden ist. Das Bessere ist des Guten Feind. Also bohren die Schwaben den Turbo auf und der 3,3-Liter-Boxermotor knackt 1977 die magische 221 kW / 300 PS-Grenze, mit einer Werksleistungssteigerung sind es sogar 243 kW / 330 PS. Der Porsche 930 wird bis 1989 gebaut und begeistert heute noch die gusseisernen Elfer-Fans.

Einen neuen Turbo in die Reifenspuren dieser Ikone rollen zu lassen, ist ein schwieriges Unterfangen. Deswegen lassen sich die Zuffenhausener Techniker auch Zeit, ehe sie einen neuen aufgeladenen Boxermotor im Heck der Baureihe 964 packen. Also bekommt die Turbo-Version 1990 zunächst wie beim 930er einen Boxermotor mit 3,3-Litern Hubraum und eine Power von 235 kW / 320 PS. Ein Jahr später steigt der Hubraum auf 3,6 Liter und das Triebwerk mit dem internen Code M64 generiert jetzt 265 kW / 360 PS. Der Zuffenhausener Autobauer nutzt das Leichtbau Potenzial des Power-Elfers und legt durch eine Kooperation von Porsche Exclusive und Porsche Motorsport 86 Exemplare des 911 Turbo S Leichtbau auf Kiel. Der neue Über-Porsche hat 280 kW / 381 PS und ist dazu noch 180 Kilogramm leichter als der Serien-Turbo. Das erreichen die Techniker, indem Haube und Türen aus GFK-Verbundstoff bestehen, seitlich und hinten Dünnglasscheiben verwenden, das Dämmmaterial reduzieren und die Servolenkung sowie die Klimaanlage rausschmeißen. Damit die Bremsen standhaft bleiben, hat dieser Porsche statt Nebelscheinwerfer Lufteinlässe zur Kühlung in der Frontschürze. Den Abschluss bilden ein flacherer Heckspoiler und das Heckblech des Porsche 964 Carrera RS. Dieser Porsche 911 Turbo ist heute ein gesuchter Leckerbissen.

Bei aller Ingenieurskunst ist den Zuffenhausener Entscheidungsträger klar, dass das bisherige Konzept der Aufladung an seine Grenzen gerät. Das Turboloch muss minimiert werden und im gleichen Atemzug auch die Emissionen. Die Antwort sind zwei kleinere Turbolader anstelle eines größeren. Pro Zylinderbank sorgt ab 1995 eine Turbine für Zwangsbeatmung und verbessert so das Ansprechverhalten. Dass mehr dabei mehr Feuer generiert wird, ist auch klar: Der 3,6-Liter-Bi-Turbomotor leistet jetzt 300 kW / 408 PS. Damit springt die Coupéversion des Elfer Turbo über die 300 km/h-Grenze und etabliert sich im Speed-Alphatier-Rudel. Da ist es nur sinnvoll, dass dieser 911er Turbo der erste mit einem Allradantrieb ist. Wem das nicht genug ist, kann ab Modelljahr 1996 per Leistungssteigerung auf 316 kW / 430 PS aufrüsten. Zwei Jahre später legt Porsche noch 15 kW / 20 PS obendrauf. Klar, dass es auch beim 993 eine Sonderserie von Exclusive gibt. Im Modelljahr 1995 dürfen sich die Oben-Ohne-Fans des Porsche Turbo 911 über ein Cabrio mit einen ziemlich großen Heckspoiler freuen, was nicht jedermanns Sache ist. Die Anzahl dieser Modelle ist auf 14 Stück limitiert.

Mit der Baureihe 996 erfolgt beim 911 Turbo eine Zäsur. Mit den Spiegelei-Scheinwerfern halten auch wassergekühlte Motoren im Heck des Zuffenhausener Sportwagen Einzug. Technische Schmankerl wie Nockenwellenverstellung, Ventilhub-Umschaltung und die moderne Vierventiltechnik drücken die Emissionen und steigern die Leistung. Der Porsche 911 Turbo der Baureihe 996 hat bei seinem Erscheinen im Modelljahr 2001 309 kW / 420 PS, Allradantrieb und eine Sechsgang-Handschaltung. Genug, um der hochgelobten italienischen Konkurrenz aus Maranello erneut um die Ohren zu fahren. Drei Jahre nach dem Coupé kommt nach 15 langen Jahren die Stoffmützen-Fraktion beim 911 Turbo wieder auf ihre Kosten. Ein Jahr später wird der Schriftzug am Heck mit einem S versehen. Im Klartext heißt das 331 kW / 450 PS.

Beim Turbo-Modell der Baureihe 997, die 2006 das Licht der automobilen Welt erblickt, steht wieder der Motor im Blickpunkt. Der Hubraum des Bi-Turboaggregates bleibt mit 3,6 Liter identisch. Die variable Turbinengeometrie senkt die Emissionen, erhöht die Kraft auf 353 kW / 480 PS und verbessert die Fahrbarkeit, indem das berühmt-berüchtigte Turboloch weiter geschlossen wird. Mit etwas Verspätung kommt ein Jahr darauf auch das mittlerweile obligatorische Turbo-Cabrio auf den Markt. Ein dreilagiges Stoffverdeck sorgt für einen ruhigeren Innenraum. Wer Porsche 911 Turbo sagt, muss auch Modellpflege und natürlich S sagen. Also legen die Techniker mit dem mit dem 3,8-Liter-Boxermotor einmal mehr 15 kW / 20 PS drauf. Der Turbo S bekommt ein serienmäßiges Doppelkupplungsgetriebe und sogar 390 kW / 530 kW.

Wer meint, dass die Leistungsspirale sich dem Ende zuneigt, hat die Rechnung ohne den Zuffenhausener Wirt gemacht. Vor der Modellpflege hatten die 999.1-Modelle 383 kW / 521 PS beim Turbo und 412 kW / 560 PS beim S. Mit dem Facelift verliert der Porsche-Turbo sein Alleinstellungsmerkmal, da auch die Carrera-Modelle jetzt von einem aufgeladenen Boxermotor befeuert werden. Was bleibt, ist der PS-Sprung und natürlich der Leistungsunterschied. Jetzt sind es 397 kW / 540 PS beziehungsweise 427 kW / 580 PS beim Turbo S. Etwas anderes bleibt ebenfalls unverändert: Der Porsche 911 Turbo ist und bleibt das technologische Schaufenster des Sportwagenbauers. Da die Baureihe 991 auf vielen Gebieten Neuigkeiten bietet, was man schon an den bloßen Abmessungen des Fahrzeugs erkennt, setzt der Turbo noch einen drauf. Die Dynamik-Melange besteht unter anderem aus einer Hinterachslenkung, einer variablen Aerodynamik, einer aktiven Wankstabilsierung PDCC und das Porsche Active Suspension Management (PASM).

Die achte Generation des Porsche 911 mit dem internen Code 992, die 2019 erscheint, fällt durch einen breiteren Vorderwagen auf, der das Einlenkverhalten verbessert. Davon profitiert auch der Turbo, dessen Auftritt 2020 folgt. Interessanterweise zunächst mit der S- und dann erst mit der regulären Variante. Durch die nächste Generation der Dämpfer, ist die Spreizung der Fahrmodi noch feinfühliger und besser geworden. Damit schafft dieser Porsche 911 Turbo wie noch keiner vor ihm den Spagat zwischen Langstrecken-Tourer und kompromisslosen Sportler. Der Motor hat 3,8 Liter Hubraum und basiert auf dem Dreiliter-Boxer des Carrera. Allerdings investiert Porsche einen dreistelligen Millionenbetrag für die Weiterentwicklung des Aggregates. Auch aufgrund der Abgasregularien inklusive leistungshemmenden OPF-Filter. Also bringt es der Motor im Turbo auf 427 kW / 580 PS und im Turbo S auf 478 kW / 650 PS. Die Liste der Verbesserungen ist lang und beginnt bei den größeren Turboladern, die im Grunde identisch mit denen des Porsche GT2 RS sind, jetzt auf der rechten und linken Zylinderbank in gegenläufigen Richtungen drehen und so identische Strömungsverhältnisse erzeugen. Dazu kommen noch elektrisch gesteuerte Wastegateklappen sowie eine neue Ansaugstrecke mit größeren und zugleich effizienteren Ladeluftkühlern, die jetzt wie ein Rucksack direkt über dem Motor positioniert sind. Beeindruckend. Aber nur bis die nächste Version des Porsche Turbo an den Start rollt. Wolfgang Gomoll; press-inform

Mehr zum Thema:

Statt kleiner Brötchen lieber Luftgekühltes mit Luftfahrwerk Die Porsche 356 Vintage Speedster Replika von „Torten Tim“ Wer von Euch sich die Sat.1-Sendung „Das große Backen – Die Profis“ angesehen hat, dem dürfte das Gesicht hinter diesem Porsche 356 Speedster bekannt... Der runde Silberpfeil Dieser Airride-Käfer mit Porsche-Felgen krabbelt ganz schön tief Der Zeitpunkt, zu dem Dominic Schölmbauer die Basis für sein aktuelles Projekt kaufte, war so etwas wie der Beginn des zweiten Frühlings, den das Fahrzeug du Puristisches Sondermodell zum 60. Jubiläum des 911 Mit 525 PS und Handschaltgetriebe: Der neue Porsche 911 S/T Porsche feiert das 60. Jubiläum des 911 mit einer auf maximalen Fahrspaß ausgelegten Sonder-Edition Nachfolger des Porsche 918 Spyder Porsche beschenkt sich selbst mit dem Mission X Porsche hat sich zu seinem 75. Geburtstag selbst beschenkt: mit dem Mission X. Die seriennahe Studie soll Ausblick geben auf einen elektrischen Hypersportler, d Kompromisslos offen Neuer Porsche 718 Spyder RS Die 718er-Baureihe, bestehend aus Porsche Boxster und Cayman, donnert mit viel Gebrüll auf die Zielgerade. Drei Jahrzehnte nach der Enthüllung der Konzeptstud Her mit dem Schotter! Neuer 2023er Porsche 911 Dakar im ersten Fahrbericht Porsche lässt den Sieger der Rallye Dakar des Jahres 1984 wiederauferstehen. Die Neuauflage auf Basis des 911er GTS macht seinem Namen alle Ehre, hat aber sein Rennwagen mit Straßenzulassung Der neue 2023er Porsche 911 GT3 RS Porsche legt bei seiner Rennsportversion des 911 GT3 noch einmal nach. Wer es noch etwas heißer will, entscheidet sich für den 525 PS starken 911 GT3 RS...

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community