Aufmerksamen Vau-Max-Lesern und Facebook-Fans wird nicht entgangen sein, dass wir zum diesjährigen Wörthersee-Vortreffen zwei Testwagen am Start hatten. Neben dem bärenstarken Chevrolet Camaro mit V8-Herz bewegten wir das aktuelle Topmodell aus Volkswagens Tiguan-Portfolio durch Kärnten: Den VW Tiguan Highline 4Motion BiTDI mit 240 PS.
Die Tiguan-Topmotorisierung leistet 240 PS und stemmt 500 Nm
240 PS im Tiguan? Klingt spannend. Und das ist es auch, besonders im Vergleich mit dem 2-Liter-TDI mit 150 PS und Frontantrieb. Dem Zweiliter Diesel entlockt VW dank zwei Turboladern Spitzenwerte in Drehmoment und Beschleunigung. 500 Newtonmeter zerren auf einem Drehzahlplateau von 1.750 bis 2.500 Umdrehungen an den Antriebswellen und schieben mächtig voran. In 6,5 Sekunden knackt der SUV die Schallmauer von 100 km/h. Der Vortrieb endet laut Werksangabe bei 228 km/h. Den Wert konnten wir in der Realität leider nicht nachprüfen. Zu viel Verkehr und oberhalb von 200 Sachen merkt man dem Tiguan einfach seine Masse und Fläche an.
Doch das Dauergrinsen, das uns der Testwagen ins Gesicht zauberte, hatte viele Väter: Den bissigen Durchzug, bei dem die aufpreispflichtigen 20-Zöller mit 255er Walzen (485 Euro) regelrecht Stücke aus dem Asphalt zu rupfen scheinen. Oder das serienmäßige 7-Gang-DSG, das bei Bedarf auch per Lenkradwippen geschaltet werden kann, aber in jedem Fall souveräne Gangwechsel vollzieht.
Darf es etwas "R" sein?
Vielleicht lag es auch an der schnittigen Optik, die dem R-Line Komplettpaket innen und außen für 2.765 Euro Aufpreis zuzuschreiben ist. Dafür gibt es geänderte Stoßfänger mit aggressiv anmutendem Design, breitere Radläufe, lackierte Seitenschweller und einen Heckabschluss in Hochglanzoptik. Innen darf am sportlichen, unten abgeflachten Lenkrad mit R-Spange gekurbelt werden. Die Sitze ziert das R-Line Logo und die Pedalauflagen kommen im Alufinish daher. So, liebe Designer, müsste der Tiguan eigentlich serienmäßig aussehen. Gegen das werksmäßig gepimpte Pendant wirkt ein 08/15-Modell nämlich schon fast langweilig unauffällig im Straßenbild.
Zauberformel MQB: Der Modulare Quer-Baukasten macht vieles möglich
Bei längeren Autobahnetappen wird deutlich, wie erwachsen und edel der Tiguan geworden ist. Kein Vergleich zum Vorgänger, der zwar keinesfalls schlecht, aber in der Gegenüberstellung doch deutlich in die Jahre gekommen ist. VWs Bestseller, in der zweiten Generation auf dem Modularen Querbaukasten (MQB) aufbauend, bietet auch bei komfortabler Sitzeinstellung mehr als genug Platz für Fahrgäste im Fond. Die kantige Karosseriesprache setzt sich auch im Innenraum fort. Die Verarbeitung ist VW-klassisch sauber und solide.
Durch die Ausstattung "Area View" verfügt der Tiguan über jede Menge Kameras
Dank diverser Assistenzsysteme wird dem Fahrer das Autofahren erleichtert, wo es nur geht. Verkehrszeichen vergessen? Kein Problem, die Kamera hat es garantiert erkannt und blendet es ein. Rangieren auf vollgeparkten Hotelparkplätzen? Halb so wild, dank der Umgebungsansicht „Area View“, Rückfahrkamera „Rear View“, Parksensoren und Parklenkassistenten hat man Parklücken und andere PKW stets im Blick, ohne sich den Hals verrenken zu müssen. Und der „Lane Assist“ sorgt dafür, dass der Tiguan auf Straßen mit erkennbarer Markierung stets in der Spur bleibt.
Hier wäre ein "Mäusekino" genial: Das Active Info Display ersetzt den klassischen "Analog"-Tacho, um die Rundinstrumente digital nachzubilden
Das Active Info Display hingegen ist ein optisches Gimmick, bei dem wir durchaus zum Verzicht raten würden. Abgesehen von der Möglichkeit, die Navikarte im Tacho darzustellen, bietet es zu wenig Individualisierungsmöglichkeiten. Es bleiben die klassischen Rundinstrumente erhalten, wenn auch in digitaler Form. Eine umschaltbare Ansicht mit „Mäusekino“-Option wie beim GTI-Digifiz, das wäre doch mal eine attraktive Alternative.
Das Head-Up Display mutet etwas skurril an. Statt die Informationen nämlich „in“ die Windschutzscheibe zu projizieren, fährt bei dieser Variante eine gekrümmte Kunststoffscheibe oberhalb des Tachos aus und dient als eigentliches Display.
Empfehlenswert: Die elektrisch öffnende Heckklappe
An Extras wie die elektrisch öffnende Heckklappe mit Easy Open Funktion hingegen konnten wir uns glatt gewöhnen. Die drahtlos beheizbare Frontscheibe kommt hingegen eher in der kühleren Jahreszeit zum Einsatz. Gut, wenn sie sich dann durch ihre Unauffälligkeit angenehm bedeckt hält.
Mit 20 Zoll und DCC bügelt der Tiguan auch auf Langstrecken Straßenkaries locker weg
Allen Unkenrufen zum Trotz zeigt der Tiguan mit der 255/40er Bereifung und den zum Außendesign passend kantig gezeichneten 20-Zoll „Suzuka“-Felgen keine übermäßige Härte bei Fahrbahnaufbrüchen oder schlechter Piste. Das ist allerdings auch dem sehr empfehlenswerten DCC-Fahrwerk zuzuschreiben, dass wir nur zu gern in der „Comfort“-Stellung nutzten. Bei scharfer Kurvenfahrt und schnellen Autobahntrips empfiehlt sich auch schon mal ein Umswitchen auf „Normal“ oder „Sport“, damit das Fahrgefühl nicht zu schaukelig wird. Statt Reserverad oder fummeliger Reparaturflüssigkeit und Kompressor kommt der Tiguan mit Mobilitätsreifen (AirStop) daher.
Ein Gel im Reifeninneren verschließt bei Eindringen von Schrauben oder Nägeln den Stichkanal und verhindert so den Luftverlust, was wir anhand einer eingefahrenen Schraube unglücklicherweise und ungeplant ausprobieren mussten. Zieht man den spitzen Störenfried aus dem Profil, quillt eine kleine Gelkugel an die Oberfläche. Zwar ist der Pneu wie von Geisterhand abgedichtet, doch dient diese Lösung allenfalls zur Überbrückung der Distanz bis zur nächsten Werkstatt, wo auf jeden Fall ein neuer Reifen aufgezogen werden muss.
Ist der VW Tiguan der smartere Touareg?
Fazit: Unsere anfängliche Befürchtung, das TDI-Top-Triebwerk könnte sich bei zügiger Gangart als hemmungsloser Trinker entpuppen, hat sich nicht bestätigt. Zwar lagen wir mit knapp 7,6 Liter Durchschnittsverbrauch über der kombinierten Werksangabe von 6,4 Litern, doch für Größe und Leistung des Autos ist der Durst mehr als akzeptabel. Einziger Wermutstropfen: Der Fahrzeugpreis erfordert eine stabile Haushaltskasse. Mindestens 42.700 Euro kostet die Eintrittskarte in den 240-PS-Club. Dafür gibt es (leider) nur zwei Heckblenden statt echten Endrohren.
Die angedeuteten "Auspuffblenden" sind tatsächlich nur Attrappen
Die Aufpreisliste ist lang, entsprechend verschiebt sich der Testwagenpreis mit 55.860 Euro deutlich nach oben. Kreuzt man einfach hemmungslos alles an, was die Tabelle hergibt, fällt auch die 60.000 Euro-Marke. Der Einstieg in die Tiguan-Welt beginnt schon etliche Sprossen weiter unten auf der Preisleiter. Bei knapp 26.000 Euro geht es los, dann allerdings mit einem Benzinmotor und 125 PS. Spaß war eben schon immer etwas, das man schlecht mit Geld messen kann.
BiTDI mit Batterie im Kofferraum: Adieu, variabler Ladeboden
Technische Daten 2017er Volkswagen Tiguan TDI SCR 4Motion
Motor: 1.968ccm 4-Zylinder Dieselmotor mit Common Rail Einspritzung und zwei Abgasturboladern
Leistung: 176 kW (240 PS) bei 4.000 U/min, 500 Nm Drehmoment bei 1.750 – 2.500 U/min
Getriebe: 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe (DSG)
Fahrwerk: Elektromechanische Servolenkung (progressiv), Federbeine mit Schraubenfedern mit Teleskopstoßdämpfern vorn, untere Dreiecksquerlenker, Gasdruckdämpfer und separate Federn hinten, Vierlenker-Hinterachse mit Einzelradaufhängung, Stabilisatoren vorn und hinten, elektronisch verstellbares DCC-Fahrwerk
Bremsanlage: Diagonal-Zweikreis-Bremssystem mit innenbelüfteten Scheibenbremsen vorn und Scheibenbremsen hinten, Komfort-Bremsassistent, elektronische Parkbremse
Felgen: Leichtmetallfelgen „Suzuka“ in 8,5J x 20 Zoll vorn und hinten
Bereifung: 255/20 R20 rundum mit AirStop-Technologie
Länge: 4486 mm Breite: 1839 mm Höhe: 1673 mm
Fahrleistungen: 0 auf 100 km/h in 6,5 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 228 km/h
ECE-Verbrauch innerorts/außerorts/kombiniert: 7,4/5,8/6,4 Liter (Herstellerangabe)
Leergewicht: 1.723 – 1.939 kg
Basispreis Testwagen ab: 42.700 Euro
Testwagenpreis inkl. Sonderausstattung: 55.860 Euro
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