Am Anfang war´s nur Syncro

4Motion – mehr als nur ein Allradantrieb

Am Anfang war´s nur Syncro: 4Motion – mehr als nur ein Allradantrieb
Erstellt am 27. Dezember 2018

Los geht die Volkswagen-Allradgeschichte so richtig im Jahr 1985 mit der ersten Generation des Passat 32B. Zwar hatte man sich schon mit dem T2 und mit Fahrzeugen fürs Militär auf den Allrad-Sektor vorgewagt, salonfähig wurde diese Technik vorläufig jedoch nicht.

Leider brachte die erste Generation des Syncro-Antriebs im Passat neben dem verbesserten Vortrieb auch einige konstruktionsbedingte Kompromisse mit sich. Ein zentrales Differenzial verteilte hier die Kraft konstant und permanent im Verhältnis 50:50 an die vorderen und hinteren Räder, was unter anderem zu einem erhöhten Kraftstoffverbrauch führte. Zudem ließ sich die Motorkraft nur über Mittel- und Hinterachs-Differenzialsperren jeweils manuell gezielt verteilen. Außerdem brachte beim Fahren durch Kurven die zu 100% gesperrte Hinterachse große Komforteinbußen mit sich.

Syncro-Technik mit Visco-Kupplung

Abhilfe schuf hier erst die neue und deutlich verbesserte Generation der Syncro-Technik, die ab 1988 im Nachfolger, dem Passat 35i, zum Einsatz kam. Das manuelle Zuschalten der Achsen war dank der neuen Visco-Kupplung nicht mehr notwendig und steigerte den Fahrkomfort enorm. Eine mit Silikonöl befüllte zylindrische Zelle, in der als Rotor bzw. Stator angeordnete Flügel eingebettet sind, übernimmt hier den Kraftschluss zwischen Vorder- und Hinterachse automatisch, sobald Drehzahlunterschiede zwischen den Achsen auftreten.

Jetzt überträgt das zähe Silikonöl im System die Kraft direkt weiter an die Hinterachse. Aktiv wird das System jedoch erst, wenn an den Vorderrädern Schlupf entsteht. Größter Nachteil des Systems war jedoch seine verhältnismäßig träge Ansprechzeit, da ein Kraftschluss erst dann hergestellt wird, wenn die Vorderachse bereits die Traktion verloren hat. Zudem ist die prozentuale Kraftübertragung an die Hinterachse beschränkt. Zum Einsatz kam diese Syncro-Technik neben dem Passat auch im Golf 2 und 3 sowie in Modellen von Volkswagen-Nutzfahrzeuge wie dem T3 und T4 Syncro.

Aus Syncro wird 4Motion

Basierend auf dieser Technik ging rund zehn Jahre später deren Weiterentwicklung an den Start, die 4Motion-Technik. Ganz ähnlich wie beim Syncro-Antrieb sitzt hier der Kraftverteiler, die neu entwickelte Haldex-Kupplung, ebenfalls zwischen Vorder- und Hinterachse im Antriebsstrang. Allerdings übernimmt kein Silikonöl mehr die Kraftübertragung, sondern Hydraulikflüssigkeit, die eine Lamellenkupplung bei Bedarf zusammenpresst und dadurch den Kraftschluss herstellt.

Die Anpresskraft des Lamellenpakets regelt dabei ein Steuergerät, das über ein Regelventil ansteuert wird und somit viel genauer festlegt, wie viel Kraft an die Hinterachse übertragen wird. Analog zum Syncro-Antrieb nutzen auch die ersten drei Generationen der Haldex-Kupplung die Drehzahlunterschiede zwischen den Achsen, um den nötigen hydraulischen Druck zur Ansteuerung des Lamellenpakets zu erzeugen.

Eine Hydraulikpumpe ändert alles

Während die Syncro- und Haldex-Systeme der ersten Generation eher dafür ausgelegt waren, die Traktion auf losem oder rutschigem Untergrund zu verbessern, änderte sich mit der Einführung der vierten und fünften Generation alles. Denn erstmals wird der hydraulische Druck zur Kraftübertragung zwischen den Achsen nicht mehr durch Drehzahlunterschiede, sondern durch eine elektrische Hydraulikpumpe erzeugt und mittels Druckspeicher aufrechterhalten.

Somit ist es möglich, Kräfte und Drehmomente schon vor dem Auftreten von Schlupf an die Achsen zu verteilen. Das wiederum erhöht die Fahrdynamik und Performance, denn die Haldex-5-Kupplung kann bereits im Stand betätigt werden, um so beispielsweise das Beschleunigen aus dem Stand zu verbessern. Selbst ein kurzer Traktionsverlust kann beim aktuellen System nahezu ausgeschlossen werden. Bei geringer Last oder im Schub erfolgt der Vortrieb, wie schon zu Zeiten der ersten Syncro-Modelle, komplett über die Vorderachse. Die Hinterachse wird bei Bedarf dank der elektrohydraulischen Ölpumpe allerdings in Sekundenbruchteilen stufenlos zugeschaltet.

Ein Steuergerät errechnet permanent das ideale Antriebsmoment für die Hinterachse und regelt über die Ansteuerung der Ölpumpe, wie weit die Lamellenkupplung geschlossen werden soll. Mit der Höhe des Drucks auf die Kupplungslamellen lässt sich das übertragbare Drehmoment somit stufenlos variieren. Selbst beim schnellen Anfahren und Beschleunigen wird ein Durchdrehen der Räder komplett verhindert, da das Steuergerät die Drehmomentverteilung entsprechend regelt.

Die Ansteuerung der Haldex-5-Kupplung erfolgt in erster Linie in Abhängigkeit des vom Fahrer angeforderten Motordrehmoments und der Wahl des Fahrprogramms. Parallel wertet eine sogenannte Fahrzustandserkennung im Allradsteuergerät Parameter wie die Raddrehzahlen und den Lenkwinkel aus. Je nach Bedarf können heute nahezu 100 Prozent des Antriebsmoments an die Hinterachse geleitet werden.

XDS & 4Motion für perfekte Performance

Parallel zu der als Längssperre fungierenden Haldex-Kupplung übernehmen die im elektronischen Stabilisierungsprogramm integrierten elektronischen Differenzialsperren (EDS) die Funktion von Quersperren. Sie ermöglichen via Anbremsen des durchdrehenden Rades eine weiterhin stabile Übertragung der Antriebskraft an das gegenüberliegende Rad. Bei Modellen wie dem Golf R kommen die elektronischen Differenzialsperren sowohl an der Vorder- als auch Hinterachse als sogenanntes XDS+ zum Einsatz.

Technisch handelt es sich beim XDS+ um eine Funktionserweiterung der elektronischen Differenzialsperren. Sobald die Elektronik erkennt, dass eins der kurveninneren Räder bei schneller Fahrt zu sehr entlastet wird, baut die Hydraulik des ESP an diesem Rad gezielt einen Bremsdruck auf, um wieder die optimale Traktion herzustellen.

4Motion ist bei Volkswagen aktuell im Golf, T-Roc, Passat, Tiguan, Sharan, Touareg und Arteon lieferbar.

Noch agiler und individueller

Mit dem Wandel der Antriebssysteme muss sich der Allradantrieb ebenfalls wandeln. Hybridsysteme beispielsweise werden zukünftig hier verstärkt zu finden sein. Dabei treibt der Frontmotor wie gewohnt nur eine Achse an, während an der Hinterachse ein Elektromotor als zusätzliche Antriebseinheit eingesetzt wird und damit im Bedarfsfall das Allradsystem bildet.

Langfristig werden sich die Allradantriebe im Hause Volkswagen noch radikaler wandeln. Denn der Umstieg auf reine E-Autos erfordert auch ein Umdenken in Sachen Allradantrieb. Denn statt die Antriebskräfte eines Verbrennungsmotors an beide Achsen zu verteilen, wird in den 4Motion-Modellen der Zukunft an jeder Achse ein entsprechender Motor samt Getriebe für Traktion sorgen.

Die elektrische Kardanwelle kommt

Gesteuert werden die beiden Antriebe an den Achsen dann durch die sogenannte “elektrische Kardanwelle“, eine Steuerelektronik, die für jeden Fahrzustand und jede Situation immer die genau richtige Antriebsleistung an die jeweilige Achse oder das Rad schickt. Anders als bisher wird diese Grundauslegung des neuen 4Motion-Antriebs jedoch primär auf den Heckmotor ausgerichtet sei.

Dieser übernimmt im Normalfall den Vortrieb, während der Frontmotor erst bei starker Beschleunigung, losem Untergrund oder einem Traktionsverlust aktiviert wird. Ein Umstand, der bei E-Fahrzeugen wesentlich schneller eintritt als bei klassischen Verbrennungsmotoren. Schließlich steht im E-Auto bereits ab der ersten Motorumdrehung das volle und maximale Motordrehmoment zur Verfügung, was eine optimale Traktion mehr als den je erforderlich macht. 41 Bilder Fotostrecke | Am Anfang war´s nur Syncro: Die Bilder zum Volkswagen 4Motion-System #01 #02

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