Schlechte Nachrichten aus der deutschen Autoindustrie sind mittlerweile an der Tagesordnung. Mit Kiekert meldete einer der renommiertesten Hersteller für Schließsysteme in der vergangenen Woche Insolvenz an, und Bosch plant, allein in Deutschland 13.000 Stellen zu streichen. Die Talsohle scheint längst nicht erreicht.
Die Zulieferbranche besteht keinesfalls nur aus bekannten Hauptakteuren wie Bosch, ZF, Continental, Mahle oder Schaeffler, sondern zunehmend auch aus Firmen der zweiten und dritten Reihe, die weit weniger bekannt sind. Dazu gehört auch Kiekert, einer der weltweit größten Produzenten von Schließsystemen mit Sitz in Heiligenhaus nahe Wuppertal. Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Kiekert mit seinen 4.500 Beschäftigten nicht mehr in deutscher Hand, sondern Teil der chinesischen Lingyun Industrial Group aus Peking. Nun meldete das Unternehmen nach fast 170 Jahren Firmengeschichte Insolvenz an – ebenso wie bereits mehrere andere Zulieferer zuvor. Die Firmenleitung verweist auf den chinesischen Gesellschafter und ausstehende Zahlungen in dreistelliger Millionenhöhe. Nach eigenen Angaben hat Kiekert mit über zwei Milliarden produzierten Schließsystemen einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent.
Die Liste der Insolvenzen in den vergangenen zwei Jahren ist lang und durchaus renommiert. Der deutsche Zulieferer AE Group, spezialisiert auf Aluminium-Gussteile für Fahrzeuge, meldete bereits Mitte 2024 Insolvenz in Eigenverwaltung an. Ende 2025 stellt das Unternehmen die Fertigung an den Standorten Gerstungen und Nentershausen ein – 650 Beschäftigte verlieren ihren Arbeitsplatz.
Vor wenigen Wochen meldeten zudem die beiden deutschen Zulieferer Huber Automotive aus Mühlhausen in Baden-Württemberg sowie die MVI Group GmbH aus Wolfsburg Insolvenz an. Beide Software- und IT-Unternehmen leiden besonders unter der schwachen Nachfrage nach Elektroautos. Auch Giganten wie Bosch, Schaeffler oder ZF stehen unter massivem Druck. ZF wechselte kürzlich den Vorstandsvorsitz von Dr. Holger Klein auf Mathias Miedreich und wird in den kommenden Jahren wohl tausende Mitarbeiter entlassen müssen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden. Für Hersteller wie BMW oder den Volkswagen Konzern ist ZF in Bereichen wie Automatikgetriebe systemrelevant – weshalb die Entwicklung dort mit Sorge verfolgt wird.
Auch bei Bosch, dem größten deutschen Autozulieferer, muss massiv gespart werden. Bis 2030 wollen die Schwaben jährlich mehr als zwei Milliarden Euro einsparen – ein Vorhaben, das mit erheblichem Stellenabbau verbunden sein dürfte. Allein in Deutschland stehen aktuell rund 13.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Derzeit beschäftigt die Bosch-Gruppe weltweit mehr als 400.000 Personen in 60 Ländern, darunter fast 87.000 in der Entwicklung. Porsche hat sich unterdessen von seiner Batteriefirma Cellforce verabschiedet, die in Deutschland Akkus produzieren sollte.
Die Ursachen für die Insolvenzwelle sind vielfältig. Neben der allgemein schwierigen wirtschaftlichen Lage, einer schwachen Nachfrage und schwierigen Marktbedingungen in China und den USA belasten auch die hohen Lohnkosten. Deutschland hat eines der weltweit höchsten Lohnniveaus – nicht nur bei den Autobauern wie Audi, Volkswagen, BMW, Porsche, Mercedes, Ford oder Opel, sondern auch in der Zulieferindustrie. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und insbesondere zu Standorten in Asien, Südamerika oder den USA sind die Kosten deutlich höher.
Nach Angaben verschiedener Wirtschaftsorganisationen sind allein in Deutschland in diesem Jahr über 51.000 Arbeitsplätze in der Automobilindustrie weggefallen – so viel wie in keinem anderen Wirtschaftsbereich. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie, entspricht das einem Rückgang von 245.000 Jobs (minus 4,3 Prozent).
Die weltwirtschaftliche Situation macht es für Hersteller und Zulieferer, die häufig große Teile der Entwicklung, Produktion und Vorhaltung übernehmen, nicht einfacher. Zwar haben die USA ihre Strafzölle auf Pkw und Autoteile aus der EU rückwirkend zum 1. August auf 15 Prozent gesenkt, doch bleibt das Niveau weiterhin hoch. „Für unsere Unternehmen sind verlässliche Rahmenbedingungen jetzt äußerst wichtig“, erklärt VDA-Präsidentin Hildegard Müller. „Gleichzeitig bleibt festzuhalten: Auch die nun geltenden US-Zölle von 15 Prozent für Pkw und Teile sowie 25 Prozent für Nutzfahrzeuge sind weiterhin eine spürbare Herausforderung für die deutsche Automobilwirtschaft. Hinzu kommen zusätzliche Belastungen durch Zölle auf eine Reihe von Stahl- und Aluminiumprodukten.“
Die Insolvenzwelle dürfte die Lage für die europäische und speziell die deutsche Zulieferindustrie weiter verschärfen. Stefan Grundhoff; press-inform
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