Gut ein Jahr nach dem Porsche Taycan rollt Audi seinen RS E-Tron GT an den Start. Die Konzernbrüder teilen sich die J1 Plattform, sind dabei aber keine eineiigen Zwillinge. Während der Porsche die Dynamikkarte spielt, setzt der Ingolstädter auf Komfort gepaart mit Sportlichkeit.
Bruderzwist ist so alt wie die Menschheit. Kain und Abel oder Romulus und Remus, Beispiele gibt es genug. Meist steht der jüngere im Schatten des Älteren und begehrt irgendwann mal auf. Wenn die beiden Technikbrüder dann auch noch aus Zuffenhausen und Ingolstadt kommen, wird die Lage schon interessant. Schließlich beobachten die Ingenieure bei aller demonstrierten Einheit dennoch argwöhnisch, was die anderen aus einer gemeinsam genutzten Architektur machen. Der Porsche Taycan und der Audi E-Tron GT teilen sich die J1-Plattform und damit etwa 40 Prozent der Teile, aber die Konzernräson verlangt eine deutliche Unterscheidung der Fahrzeuge, um eine Kannibalisierung zu verhindern.
Das beginnt schon bei der Leistung. Der Audi RS e-tron GT wird das stärkste Modell der Baureihe sein und wuchtet 440 kW / 598 PS sowie ein maximales Drehmoment von 830 Newtonmetern auf den elektrischen Quattro-Antrieb. Im Overboost-Modus sind sogar 475 kW / 646 PS drin, die von einem Elektromotor an der Vorderachse und einen stärkeren an der Hinterachse generiert werden. Daraus resultiert eine Sprintzeit von null auf 100 km/h, die unterhalb von 3,5 Sekunden liegt. Zum Vergleich: Der Porsche Taycan Turbo S spurtet mit maximal 560 kW / 761 PS vorwärts und braucht 2,8 Sekunden, um Landstraßentempo zu erreichen.
Das Thema Auto-Quartett wäre damit also erledigt, aber bei den Prototypenfahrten unterschied sich der Ingolstädter auch beim Fahrverhalten. Wie die beiden Buchstaben GT signalisieren, soll der Audi den schweren Spagat zwischen Komfort und Sportlichkeit schaffen. Hier hilft die moderne Technik. Als erster Audi ist der RS e-tron GT mit einer Dreikammer-Luftfeder ausgestattet. Im Zusammenspiel mit den adaptiven Dämpfern sind so sehr feine Abstimmungen möglich, die die ganze Bandbreite von komfortabel bis sportlich abdecken.
Auf eine klassische Wankstabilisierung haben die Audi-Ingenieure verzichtet, das erledigen die Federn und Dämpfer gleich mit, indem sie sich in Kurven zielgerichtet straffen. Geführt wird der Audi RS e-tron GT von einer elektromechanischen Lenkung mit konstanter Übersetzung. Im Dynamic-Fahrprogramm flitzt der e-tron zehn Millimeter tiefer über den Asphalt als im Normal-Modus. Aber selbst dann ist das Fahrwerk nicht zahnfüllungs- und bandscheibenmordend straff, sondern lässt noch einen Restkomfort zu. Für schlechte Straßen sind dennoch andere Einstellungen geeigneter.
Je nach Fahrprogramm untersteuert der elektrische RS mehr oder weniger deutlich. „Das stimmen wir absichtlich so ab, damit das Auto immer beherrschbar bleibt“, erklärt Dennis Schmitz. Mission erfüllt, geht man vom Gas, folgt der RS e-tron wieder brav dem Lenkeinschlag, unterstützt von dem Sperrdifferential an der Hinterachse, das dem Sport-Coupé eine erstaunliche Dynamik verleiht.
Mit diesem Wagen ist man unangestrengt schnell und die bequemen Sitze bieten genug Seitenhalt. Eine Sache teilt der Audi aber mit seinem Bruder aus Zuffenhausen. Selbst der schnell reagierende Allradantrieb mit einem Radbeschleunigungssensor sowie einem Aufbaubeschleunigungssensor pro Rad kann das Kampfgewicht von rund 2,3 Tonnen nicht gänzlich kaschieren.
Treibt man den e-tron mit sportlichen Ambitionen dynamisch um die Ecke, strebt der GT an den Fahrzeugrand, kündigt aber sein Vorhaben höflich und deutlich vernehmbar an. „Der Fokus bei der Entwicklung lag auf der ersten Sitzreihe“, lächelt Dennis Schmitz. Wie beim Taycan verfügt das Getriebe über zwei Gänge, wobei der erste nur im Dynamic-Modus oder beim Aktivieren der Lounge-Control genutzt wird.
17 Bilder Fotostrecke | So sieht RS-Zukunft bei Audi: Erste Bilder neuen Audi RS e-tron GT (2021) Im Efficiency-Programm wird in der zweiten Fahrstufe angefahren, außerdem senkt sich die Karosserie aus aerodynamischen Gründen um 22 Millimeter ab, um den Luftwiderstand und somit den Verbrauch zu reduzieren. Außerdem wird die Geschwindigkeit auf 140 km/h reduziert, kann aber bei Bedarf durch das Durchdrücken des Gaspedals „überfahren“ werden. Beim Verzögern spürt man den Übergang von der Rekuperations- zur analogen Bremse. „Wir wollen die Energie im Auto lassen“, erklärt Dennis Schmitz. Segeln statt Rekuperation lautet die Maxime.
Deswegen gibt es beim e-tron zwei Rekuperationsmodi, die aber deutlich weniger hart Energie in die 93,4-Kilowattstunden-Batterie (85,9 kWh netto) schaufeln, als das beim SUV der Fall ist. Ganz so geräumig wie in einem Crossover geht es in dem viertürigen Coupé nicht zu. Vorne hat man es besser erwischt, hinten ist die Kopffreiheit des GT trotz der Taycan-Fußgaragen genauso begrenzt wie beim Porsche. Jenseits einer Körpergröße von 1,85 Meter wird es um den Kopf herum eng.
Wolfgang Gomoll; press-inform
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