Alles besser mit dem Facelift?

Erste Fahrt im neuen 2023er VW ID.3 Pro S

Alles besser mit dem Facelift?: Erste Fahrt im neuen 2023er VW ID.3 Pro S
Erstellt am 31. Mai 2023

Volkswagen hat auf seine Kunden gehört und die Modellpflege des ID.3 vorverlegt, um die viel bemängelten Schwächen auszubügeln. Immerhin wird die Luft für die Wolfsbuger dünner, denn auch andere Hersteller spielen auf dem gleiche Level, das aber deutlich günstiger. Die Erwartungen waren groß, als VW den ID.3 vor drei Jahren auf den Markt brachte. Endlich ein reinrassiges Elektroauto, das den Wolfsburger Konter gegen Tesla & Co. einläuten sollte. Doch auch wenn man es in Niedersachsen nicht gerne hört, war der E-Kompakte in einigen Punkten ein unfertiges Auto, ein Schnellschuss, bei dem zudem noch der Rotstift der Controller das Geschäftsmodell auf Profit trimmte. Neben den unzureichenden Ladeleistungen (vor allem bei den kleinen Akkus), setzte es vor allem für die Hartplastik-Orgie im Innenraum herbe Kritik. Das einzige, was der ID.3 hatte, waren reichlich Software-Probleme.

Mit der Modellpflege hat VW nun die Chance, diese Unzulänglichkeiten auszumerzen. Am auffälligsten sind die Verbesserungen im Interieur. Anstelle von Oberflächen, die beim Klopf- und Haptiktest dem Gehäuse eines Heim-Druckers ähnelten, greift man jetzt nach Kunstleder oder leicht unterschäumte Bereiche. Der schwarze Klavierlack hübscht das ganze Ambiente auf, ist aber nach ein paar Handgriffen und Fingerabdrücken nicht mehr ganz so ansehnlich. Hochglanz-Fans sollten also weiterhin ein Microfasertuch parat haben.

Ansonsten hat sich wenig getan. Noch immer blickt man auf ein kleines 5,3 Zoll großes Instrumenten-Display mit rudimentären Anzeigen, das nach wie vor von einem guten Head-up-Display ergänzt wird, das mit Augmented Reality die Anzeigen quasi auf die Straße projiziert. Die Kommandozentrale ist weiterhin ein zwölf Zoll großer Touchscreen mit unbeleuchteten Lautstärke-Rinnen darunter. Wenigstens funktionierte die Software bei unserem Testwagen fehlerfrei. Die Darstellung des Betriebs- und Bediensystems überwältigt einen nicht gerade mit grafischer Opulenz, sonder eher schlicht gehalten, wodurch die Handhabung eingängig ist. Auch die Schnelligkeit, mit der die ausgelösten Aktionen umgesetzt werden, ist in Ordnung. Da das System jetzt auch drahtlose Software-Updates ermöglicht, dürfte es auf Dauer stabiler laufen.

Strom tanken mit bis zu 170 kW

Das bringt uns zur zweiten Baustelle des ID.3, die Ladegeschwindigkeit. Endlich haben hier die Wolfsburger Techniker richtig nachgelegt und befähigen die MEB-Plattform mit maximal 170 kW Strom zu betanken. Wir haben einmal sogar beim Laden kurzzeitig 176 kW erreicht. Selbst bei einem Ladezustand von 80% lagen noch immer 71 kW Ladeleistung an. Auf Wunsch plant das Navigationssystem die Route so, dass mehrere kürzere Tankstopps an leistungsfähigeren Säulen eingelegt werden können, um so schneller ans Ziel zu kommen. Laut VW soll auch Plug & Charge, also einfach einstecken und laden, möglich sein. Wir haben die App beziehungsweise die Ladekarte genutzt. Die Reichweite des ID.3 Pro S gibt VW mit bis zu 546 Kilometern (nach dem WLTP-Zyklus) an. Um die zu erreichen, hilft auch die verbesserte Aerodynamik mit einem cW-Wert von jetzt 0,263 (bisher 0,267).

Was beim Fahren gut funktioniert, ist die Verkehrszeichenerkennung. Auch ohne aktivem Navigationssystem rekuperiert die Motorbremse und verzögert, sobald eine Geschwindigkeitsbeschränkung wie zum Beispiel ein Ort naht. Der adaptive Tempomat beschleunigt und verzögert selbstständig bis zum Stand oder bis zur Höchstgeschwindigkeit, die nach wie vor bei 160 km/h limitiert ist. Da könnte VW etwas nachlegen. Allerdings bleibt der Antriebsstrang mit dem Einganggetriebe und dem 150 KW / 204 PS starken PSM-Elektromotor (permanent erregte Synchronmaschine) identisch.

Bei den Assistenzsystemen hat sich einiges getan. Wie bald beim großen Bruder ID.7 nutzt der aufgepeppte ID.3 die Schwarmintelligenz. Wenn genug andere Autofahrer die Cloud mit Daten füttern, benötigt der Spurhalte-Assistent nur noch eine Fahrbahnmarkierung, um das Auto zu dirigieren. Wer will, kann den Parkvorgang auch aufzeichnen und beim nächsten Mal dem Robo-Piloten das Kommando überlassen. Das Fahren mit dem ID.3 bereitet Laune. Das Auto wirkt jetzt fertiger und runder. Das geht schon bei den guten Sportsitzen los, auf denen man etwas hoch, aber sehr bequem mit ausreichend Seitenhalt thront.

Der VW ID.3 ist mehr als ausreichend motorisiert, auch wenn die Pro S-Version aufgrund des zusätzlichen Gewichts der 82-kWh-Batterie (netto 77 kWh) für den Sprint von null auf hundert 100 km/h 7,9 Sekunden braucht (Pro-Version mit den 62-kWh-Akkus (58 kWh netto) 0,6 Sekunden weniger), ist man flott unterwegs. Überholvorgänge auf Landstraßen sind problemlos, und in Städten reicht der Antritt allemal. Durch den großen Einschlagwinkel der Vorderräder und dem daraus resultierenden Wendekreises von 10,2 Metern lässt es sich auch um enge Ecken wieseln. Allerdings behindern nach wie vor die schräg stehenden A-Säulen die Sicht. Immerhin ist die Lenkung präzise, fühlt sich aber etwas synthetisch an. Das fällt bei einem Auto wie dem ID.3 nicht so sehr ins Gewicht wie die indifferente Bremse mit ihrem langen Pedalweg und einem diffizil zu dosierenden Druckpunkt.

Auf längeren Etappen beeindruckt uns nach wie vor die Ruhe, die im ID.3 herrscht. Selbst bei höheren Geschwindigkeiten kann man sich fast im Flüsterton unterhalten, weder die Windgeräusche noch das Surren des Elektromotors dringen in die Fahrgastzelle. Das Fahrwerk fügt sich perfekt in das mittlerweile harmonischere Bild des ID.3 ein. Trotz des beachtlichen Gewichts des Fahrzeugs von gut 1,9 Tonnen und den aufgezogenen 20-Zoll-Reifen federt es Bodenunebenheiten geschmeidig weg. Nur bei langen Bodenwellen wippt die Karosserie etwas nach.

Was den Stromkonsum angeht, zeigt sich der Kompakt-Stromer von der sparsamen Seite. VW gibt beim ID.3 Pro S einen Durchschnittsverbrauch von 15,7 kWh/100 km an. Wir kamen bei der Testfahrt, die uns über die Autobahn und Landstraßen führte, sogar auf 14,0 kWh/100 km. Ein Blick auf den Langzeitmonitor ergab 18,2 kWh/100 km. Allerdings kostet der VW ID.4 Pro S mindestens 47.595 Euro und steht ab Juni beim Händler. Unser Testwagen, bei dem die Wärmepumpe mit einem Aufpreis von 990 Euro zu Buche schlägt, bringt es auf 59.745 Euro. Das Tesla Model 3 ist ab 41.990 Euro zu haben, allerdings ist der amerikanische Stromer in der Basisvariante bis zu 225 km/h schnell und hat in der Basisversion eine Reichweite von 491 Kilometern (WLTP).

Wolfgang Gomoll; press-inform

Technische Daten VW ID.3 Pro S 2023

Typ: BEV-Kompaktwagen

Motor: Permanent erregte Synchronmaschine (PSM)

Leistung in PS (kW) bei U/min-1: 204 (150)

Max. Drehmoment (Nm) bei Umin-1: 310

Höchstgeschwindigkeit (km/h): 160

Beschleunigung 0-100 km/h (sek.): 7,9

Getriebe: Einganggetriebe

Antrieb: Hinterradantrieb

Tank (L): 77 kWh (netto)

Verbrauch EU-Drittelmix (l/100 km): 15,7

CO2-Ausstoß (g/km): 0

Gewicht, Herstellerangabe (kg): 1.933

max. Zuladung (kg): 347

Abmessungen (L/B/H): 4.264 / 1.809 / 1.564 (L/B/H)

max. Ladevolumen (L): 385 bis 1.267

Preis (Euro): 47.595,00 (Stand 05/2023)

Basismodell: 39.995,00

Abgasnorm: AX

Mehr zum Thema

Lohnt sich der Premium-Zuschlag? 2022 AUDI Q4 e-tron 50 im Video-Fahrbericht Audi spielt die Premium-Karte und will sich vom VW ID.4 und Skoda Enyaq iV absetzen. Wir waren im Q4 e-tron 50 unterwegs und haben uns selbst ein Bild vom Premi VIDEO-Fahrbericht zum neuen VW ID.3 1st Edition Kann der ID.3 Golf? Die Erwartungen an den neuen VW ID.3 sind gigantisch. Er soll das elektrisch fahrende Sinnbild der Wende im Volkswagen Konzern sein. Nach einigen technischen Un Single- und Dual-Motor im VIDEO-Fahrbericht Polestar 2 ein Stromfresser? Echter Verbrauch auf der Langstrecke! Mit dem Polestar 2 schickte die Volvo-Tochter im Jahr 2020 das erste reine E-Modell der jungen Marke an den Start. Seit dem erfreut sich das 300 kW starke Model So will ORA Europa erobern Erste Fahrt im ORA Funky Cat (+ Video) ORA Funky Cat – nein, hier geht´s nicht um einen neuen Senkrechtstarter in den Pop-Charts, sondern um eine Automarke aus China, die ab 2023 in Europa und auch e-Power-SUV mit 408 PS und 660Nm Volvo XC40 Recharge "Pure Electric" im Video-Fahrbericht Aktuelle investieren nahezu alle Automobilhersteller Milliarden-Beträge in die Entwicklung neuer E-Plattformen. Dabei kann die Lösung viel einfacher sein, wie Was leistet die aktuelle VW-ID.Software 3.1.0 wirklich? Neuer VW ID.5 im VIDEO-Fahrbericht Mit dem schicken ID.5 rollt ein weiteres E-SUV an. Als erstes VW-Modell im Konzern ist hier die heiß erwartete neue Software 3.0 schon ab Werk installiert. Uns

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community