Der kleine Prinz: NSU TT

Märchenhafte Story: Vom Schrotthaufen zum Fuhrwerk Orange

Der kleine Prinz: NSU TT: Märchenhafte Story: Vom Schrotthaufen zum Fuhrwerk Orange
Erstellt am 28. Februar 2019

Er ist zwar von kleiner Statur, hat es aber faustdick im Heck: Die Rede ist vom NSU TT, der sich seinerzeit im Kreis sportlich ambitionierter Fahrer großer Beliebtheit erfreute und als TTS im Rennsport gewaltig auftrumpfte. Timo Schepeler ist stolzer Besitzer eines TT-Kraftzwergs, der im Rahmen einer Komplett-Restauration wieder zu neuem Leben erwachte. Im fuchtig-fruchtigen Jägermeister-Orange gibt sich der NSU auch heute noch ungemein agil und angriffslustig.

Klein, aber oh!

Seit 11 Jahren befindet sich der NSU (Typ 67) nun schon im Besitz des Kfz-Mechatronikers. „Eine tolle Zeit“ sagt der heute 29jährige, „denn der NSU bereitet aufgrund des knackigen Handlings und seiner 90 PS enorm viel Spaß.“ Und auch das Publikum hat an dem kompakten Leistungsträger im typischen Sport-Outfit der späten Sechziger bzw. frühen Siebziger Jahre seine helle Freude.

Erst die Arbeit, dann das Vergnügen

Bevor jedoch der NSU zu einem solch furiosen Freudenspender auf vier Rädern avancierte, mussten Timo, sein Vater Karl Heinz und zahlreiche Freunde etliche Arbeitsstunden in den Flitzer aus Neckarsulm stecken. Denn als der Wagen damals von Vater Schepeler erworben wurde, befand er sich in einem mitleiderregenden Zustand, der eine Komplettrestauration erforderlich machte.

 

Der NSU wurde für lange Jahre in den Ruhestand geschickt

Timo erinnert sich an den Besichtigungs-Termin: „Als wir den Wagen im Sommer 2005 in Augenschein nahmen, hatte er damals einen Dornröschenschlaf von 18 Jahren hinter sich. Offenkundig hatte sich bereits jemand an einer Restauration versucht, diese dann aber unvollendet abgebrochen. So präsentierte sich uns eine nackte Karosserie ohne Anbauteile. Hier und da waren am Body bereits Reparatur-Bleche eingeschweißt worden.

Leider entpuppten sich jene Schweißarbeiten bei genauerer Untersuchung als von sehr unterschiedlicher Güte.“ Alles in allem schien der NSU aber dennoch einen Kauf wert, obgleich eine aufwändige Totalrestauration – dies war Vater und Sohn seinerzeit völlig klar – unvermeidlich sein würde.

Vorarbeit mit Schönheitsfehlern

"Denn bei der Einsetzung der Reparaturbleche hatte der Vorbesitzer nicht immer die wünschenswerten Sorgfalt walten lassen“, weiß Timo zu berichten. Beispielsweise waren die Seitenbleche im unteren Bereich zwar erneuert, jedoch recht grob übereinander gesetzt worden, so dass ein starker Verzug auf Schweißnaht und Fläche unübersehbar war. Daher mussten die Bleche wieder getrennt und auf Stoß sauber verschweißt werden.

Unverhofft kommt oft

Immerhin hinterließ das Bodenblech einen ordentlichen Eindruck. Auch der gut erhaltene Innenraum sollte keinen nennenswerten Instandsetzungsarbeiten erforderlich machen. Gleiches galt für das Dach und die -Säulen. Allerdings war der Motorraum erheblich verdreckt und wies darüber hinaus diverse Roststellen auf. Schlimmer wog jedoch, dass das Heck die Spuren eines leichten Auffahrunfalls zeigte. „Der Kotflügel rechts war gestaucht - mit Verwerfung vor der C-Säule. Die Kotflügel-Enden im unteren Bereich erwiesen sich als gespachtelt und geschweißt, links und rechts entdeckten wir einmodellierte Bleche. Bei der späteren Reparatur sollte sich zeigen, dass der Schaden aufgrund der unfachmännischen Reparatur sogar weitaus größer war und die Wiederherstellung der Karosserie mehr Arbeitsstunden in Anspruch nehmen sollte als ursprünglich angenommen“, weiß der NSU-Fan zu erzählen.

Die Restauration beginnt…

Kaum in der heimischen Werkstatt eingetroffen, machten wir uns mit Schleifmittel, Sandstrahlgerätschaft, Schweißapparat, Druckluft, etc., etlichen Bierchen und einem Verbandskasten mit vielen Pflastern sowie reichlich Grundierung für den Korrosionsschutz an die Arbeit“, blickt Timo augenzwinkernd zurück.

Gewusst wie!

Bei der Beseitigung des Oberflächenrosts schwören Vater und Sohn Schepeler übrigens auf die konservative Methode: „Im ersten Arbeitsgang kommt für die Entfernung des Rosts eine Topfbürste zum Einsatz. Anschließend verwenden wir Grobreinigungsscheiben aus einem Drahtgeflecht. Diese Scheiben haben den entscheidenden Vorteil, dass sie Lack und Rost gnadenlos beseitigen, ohne die Metalloberfläche nennenswert abzutragen. Die Lackoberflächen werden mit Schmiergelpapier geschliffen. Rostnestern rücken wir mit einer kleinen Sandstrahlpistole zu Leibe. Nach Entrostung und Schleifen wird die Karosserie mit Silikonentferner abgewaschen und ausgeblasen. Hernach behandeln wir die offen gelegten Bleche mit Fertan."

Handarbeit ist Trumpf

Selbstverständlich geht Strahlen schneller. Aber wir haben uns nun einmal für die Schritt-für-Schritt-Methode entschieden. Auf diese Weise hat man auch die Details besser im Blick und erkennt zum Beispiel etwaig dünnere Blechbereiche. Schließlich will der Materialabrieb, den das Strahlgut ja zwangsläufig bewirken würde, auch bedacht sein. Daher greifen wir lieber zu Topfbürste, Grobreinigungsscheiben und Schmirgelpapier. Lediglich für die hartnäckigen Ecken und Kanten setzen wir gezielt die Sandstrahlpistole ein. Maßgeblich trägt aber auch Fertan zur Rostbeseitigung bei, denn damit werden auch die letzten verbliebenen Rostnester wirksam auf den bearbeiteten Oberflächen bekämpft.“

Offensives Outfit

Im Zuge der Restauration erhielt der NSU sein neues Sportdress. Ein Club-Kollege – von Beruf Karosseriebauer – kümmerte sich um die fachmännische Verbreiterung der Karosserie. Derweil machte Vater Karl Heinz sich daran, dem NSU einen aus Blech gewirkten Frontspoiler anzupassen.

Im weiteren Verlauf wurde den NSU-Experten ein schrottreifer TT zum Kauf angeboten - mit zwar schlechter Blechsubstanz aber einem mutmaßlich intakten Motor. Umgehend machten sich Vater und Sohn auf den Weg, um den Wagen zu begutachten. Würde der Vierzylinder tatsächlich noch laufen? Vor Ort wurde eine Batterie per Überbrückungskabel mit den Anschlüssen des NSU verbunden, eine mit Benzin gefüllte Blechdose diente als Tank und …. tatsächlich meldete sich das Aggregat ohne Murren willig zum Dienst. „Der Motor läuft ohne die geringsten Mucken, rund und sauber“, bescheinigt die lückenlos geführte Restaurations-Dokumentation.

Sport an Bord

Nach Reinigung und Überarbeitung des Motors liefert das von zwei 40er Weber-Doppelvergasern gefütterte Vierzylinder-Triebwerk satte 90 PS ab. Die Mehrleistung gegenüber dem Serienaggregat (65 Pferdestärken) resultiert zudem aus der scharfen Nockenwelle (308 Grad) und der durchsatzstarken Abgasanlage (Fächerkrümmer mit Edelstahl-Endtopf von Greenfrog-Racing). Der guten Ordnung halber sei noch die komplett neu installierte Auto-Elektrik erwähnt. Und im konsequent abgestrippten Innenraum herrscht dank des trutzigen Heigo-Käfigs und der straffen Sparco-Schalen authentisches Motorsport-Flair.

Auf ein Neues!

Tja, nach so vielen Arbeitsstunden hatten wir uns zurecht darauf gefreut, endlich mit dem NSU über die Straßen zu fegen – sobald die TÜV-Abnahme erfolgt gewesen wären“, erinnert Timo sich und ergänzt: „Doch dann der Schreck beim Roll-Out! Aus jeder Perspektive schimmerte das Orange, das die Lackiererei zwischenzeitlich aufgetragen hatte, anders - besonders an den Kotflügeln, Hauben und Türübergängen. Im Schein der unterschiedlich hellen Neonröhren der Werkstatt waren uns die Unterschiede nie aufgefallen. Aber nun sahen wir den NSU erstmals komplett montiert bei Tageslicht. Kein Zweifel: Karosse, Haube und Türen zeigten tatsächlich unterschiedliche Orange-Töne. Also musste der TT wieder demontiert und neu lackiert werden“, sagt der Nordrhein-Westfale. „Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Nicht nur, dass die Farbe jetzt aus allen Perspektiven gleich schön reflektiert. Selbst 10 Jahre nach Abschluss der Restauration steht der NSU noch immer da wie eine Eins. Und auch in technischen Belangen ist der TT fit wie eh und je.

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Technische Daten

Fahrzeugtyp: NSU TT (Basis: NSU Prinz Typ 67)

Baujahr: 1971

Motor: Nachgerüsteter luftgekühlter Vierzylinder-Reihenmotor (NSU TT), Hubraum: 1250 ccm, 2 x 40er Weber-Doppelvergaser, geleichtertes Schwungrad, polierte und geleichterte Pleuel, 308-Grad-Nockenwelle, Leistung: 90 PS (Serien-Leistung: 65) Fächerkrümmer und Edelstahl-Endschalldämpfer, Endrohr von Greenfrog-Racing

Getriebe: Viergang-Schaltgetriebe

Räder: Lemmerz-Stahlfelge, 6 x 13 vorne und 7 x 13 hinten

Reifen: Dunlop SP Sport 2000, 175/50-R13 vo/hi

Fahrwerk: Bilstein-Dämpfer, Tieferlegungsfedern (minus 25/25 mm)

Karosserie: Komplettrestauration, Radgehäuse in Blech verbreitert, Frontspoiler in Blech, Lackierung in Orange (RAL 2004)

Innenraum: Verkleidungen, Dämmstoffe und Rückbank entfernt, 32er Raid-Lenkrad, verlängerter Schalthebel mit Schaltweg-Verkürzung, VDO-Zusatz-Instrumente, Haigo-Käfig, Sparco-Rennschalen

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