Arctic Silver: Käfer 1303 S im finnischen Racelook

Die Geschichte eines bemerkenswerten VW 1303 S mit 220 PS

Arctic Silver:  Käfer 1303 S im finnischen Racelook: Die Geschichte eines bemerkenswerten VW 1303 S mit 220 PS
Erstellt am 25. Februar 2010

Der Käfer-Kult hat viele Spielarten. Neben dem klassischen Serienzustand, sind da an erster Stelle sicherlich der Cal-Look, der German Look und der Rat-Look zu nennen. Dieser Käfer aber hier ist etwas Besonderes, denn er orientiert sich zwar schon am Performance-orientierten German Look, stammt aber aus Finnland und wurde – Achtung – so vor 15 Jahren aufgebaut! Und steht immer noch perfekt da! VAU-MAX.de jettete in den finnischen Winter, um sich diesen besonderen Käfer einmal anzuschauen.

Als Juha Taponen über diesen Käfer stolperte, glänzte das knackige Silber nur noch stumpf. Der 1303 S von 1973 stand achtlos in irgendeinem Hinterhof und vergammelte unter Nadelbäumen traurig vor sich hin. Die Kiste war mehr oder weniger komplett verrottet, aber Juha hatte bereits Käfer-Erfahrung gesammelt, z.B. mit einem 79er Käfer Cabriolet, das er eigenhändig restauriert hatte, und er hatte eine Idee, was er aus dem 1303 S machen wollte.

Ein deutsches VW-Magazin setzte den Virus!

In einem deutschen VW Magazin- VAU-MAX.de gab es damals noch nicht - hatte Juha etwas über den damaligen Käfer Cup gelesen. Das fand der Finne spannend und er beschloss sich einen Lauf des Käfer Cups auf dem Nürburgring einmal selbst anzuschauen.

Hatte er schon vor diesem Trip die Idee eines Performance-Käfers im Hinterkopf, flammte angesichts der driftenden und hochdrehenden Käferdie Begeisterung noch mehr auf. Allerdings war für den Käfer-Fan klar, dass sein VW 1303 S absolut straßentauglich sein sollte. Was ja an-und-für-sich nun wirklich nichts Besonderes ist, wenn da nicht gleichzeitig der Wunsch vorherrschte, dass sein Käfer auf jeder Rennstrecke, weder beim Fahrwerk noch bei den Bremsen schwächeln sollte.

Mitgereist war damals Timo „Teuska“ Aaltonen, ein begnadeter Mechaniker, der sein Geld als Techniker in einem Wasserwerk verdiente. Juha Taponen sagt über seinen Freund, dass man dessen Schraubertalent nicht mit Gold aufwiegen könne, und wer weiß schon mal mit eigenen Augen gesehen hat, was so mancher Finne, Schwede oder Norweger im skandinavischen Winter so alles zustande bringt, der kann sich vielleicht vorstellen, wie so eine Aussage einzuschätzen ist. Wir erinnern uns, Juhas Käfer war ein Wrack!

Startschuss für ein perfektes Projekt!

Und so wurde beschlossen, dass sich Teuska beim Neuaufbau voll einbringen sollte, während Juha, die Richtung seines Käfer-Projekts im Auge behält – und natürlich Teilebeschaffung und die Kosten. Nun hat der ein oder andere vielleicht vergessen, wie der Informationsfluss vor 15 Jahren .aussah, aber das Internet, hatte sich noch nicht in der breite durchgesetzt wie heute. Und nach „Teilen googlen“ war nahezu unbekannt.

Stattdessen galt es mit Hilfe von Telefon und Faxmaschine die möglicherweise korrekten Quellen für VW Ersatzteile und Käfer Tuningteile zu kontakten. Das dauert Monate und war im Vergleich zu heute um einiges aufwändiger, vor allem wenn es um den Bezug seltener Teile ging. Naja und dann gab es auch den Euro noch nicht und so mancher Hersteller oder Teilehändler, sei es aus Europa oder Übersee, machte sich noch nicht einmal ansatzweise die Mühe, einem verrückten Finnen die gewünschten Teile zu schicken. Und wer sich den Käfer einmal genau anschaut, entdeckt an dem 1303 S doch eine Menge durchaus exotisch zu nennende Teile. Dies und andere Umstände führen dann zu einer Bauzeit von ungefähr 6 Jahren. Erstmals in der Öffentlichkeit gezeigt wurde der VW Käfer dann auf der American Car Show des FHRA in Helsinki Ostern 2001.W er übrigens als straßenzugelassener Käfer, den Award „Best RaceCar“ gewinnen konnte.

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Vom Original blieb nur das Heck

Ein weiterer Grund für die lange Bauzeit ist aber auch dem desaströsen Zustand des Käfer-Wracks geschuldet. So ist es eine traurige Wahrheit, dass vom 73er 1303 S nicht mehr als die hinteren Stehwände vom Motorraum plus die sich unmittelbar anschließenden Bleche übrig blieben. Der Rest der Karosse entstand auf Basis von Originalersatzteilen erst einmal komplett neu. Vom Dach bis hin zum Vorderwagen musste alles komplett zusammengeschweißt werden. Bei dieser Gelegenheit wurde der Käfer auch gleich für Rechtslenkung ausgelegt. Warum Rechtslenkung?

Weil die meisten Rennstrecken im Uhrzeigersinn befahren werden, und sich durch diese Sitzposition ein Vorteil ergibt. Auch das Stack 8100 mit Dataloggin und Laptimer wurde gleich beim neuaufbau bedacht. Diese Kombo sitzt nun praktischerweise im Handschuhfach direkt hinter dem Lenkrad

Die Türen organisierte Juha von einem Spender-Auto, die verbreiterten Kotflügel aber sind ebenso wie die Stoßstangen und die Trittbretter aus echter Kohlefaser gefertigt.

Eine unglaubliche Gewichtseinsparung!

Der geneigte Leser möge seinen Blick einmal auf die Löcher in den Türen und den Dachverstrebungen richten. Wie sicherlich vermutet geht es hier um die Einsparung unnötigen Gewichts. Der unermüdliche Teuska hat das ausgebohrte Blech sorgfältig aufgehoben und einmal gewogen. Was glaubt ihr, um wieviel ist die Käfer-Karosse dank dieser Maßnahme nun leichter? Gerademal 800 Gramm! Man glaubte es kaum. Und die beiden Finnen haben sich hinterher gefragt, ob es überhaupt der Mühe wert war. Nun, die dadurch erzielte Optik und die damit verbundene Aussage „keine Kompromisse!“ dürften über den geringen Gewichtsverlust hinwegtrösten.

Und wenn man sich jetzt noch vor Augenhält, dass Teuska allein vier Stunden an die Türgriffen herumgebohrt hat. Und das ist eine ziemlich nervenaufreibende Angelegenheit. Wenn so ein Griff zu 95 % erledigt ist und man macht dann einen Fehler bei der letzten Bohrung, dann muss der ganze Vorgang wiederholt werden. Teuska erledigte dies mit der Gemütsruhe eines finnischen Eisblocks getaucht in Absolut-Vodka.

Neue Bodenplatte und ein 2.3l-Boxer

Was heimische Käfer-Fahrer erstaunen dürfte ist die Tatsache, dass es für unsere finnischen Freunde vor 15 Jahren gar nicht so einfach war, eine neuwertige Bodenpatte aufzutreiben. Hier erhielten sie Unterstützung durch Juhani Jyränko, der Käfer-Fans vielleicht insofern ein Begriff ist, dass sein 51er Käfer als einer der schnellsten Cal-Looker der Welt gilt, und dieser im luftgekühlten Nischen-Magazin Ultra VW auch schon einmal vorgestellt worden ist.

Juhani konnte helfen. Das gilt auch für den komplett neuaufgebauten Motor, der auf einem handelsüblichen AS 21-Block basiert. Zylinder und Kolben (94 mm) stammen von Autocraft, die Kolbenringe von Total Seal. Kurbelwelle, Kipphebel (1:1.25) und Kipphebelwelle stammen von Bugpack. Bei den Zylinderköpfen entschied sich Juha für die Durchsatzfreudigen von Super Flo, allerdings von Teuska nochmal feinbearbeitet und mit 44/37er Ventilen sowie Gene Berg-Federn nebst den oben erwähnten Kipphebeln bestückt.

Nockenwelle bleibt geheim?

Über die gewählte Nockenwelle schweigen sich die beiden Finnen aus. Da will man sich nicht in die Karten gucken lassen. Nur so viel, sie haben mit mehreren Exemplaren experimentiert und sich dann nach langem Suchen für eine Welle mit relativ scharfen Steuerzeiten entschlossen. Gefüttert werden die brennräume von zwei Weber-Doppelvergaser (51.5 mm IDA), eine Einrohr-Abgasanlage, kombiniert aus Gene-Berg- und Eigenbau-Komponenten unterstützt den flotten Durchsatz der Abgas. Auf der Rolle produzierte der Boxer-Motor 220 PS bei 6.500 U/min. das maximale Drehmoment liegt bei 250 Nm bei 4.700 U/min. Noch erstaunlicher ist, dass der Motor bei 3.000 U/min bereits 200 Nm zur Verfügung stellt, von unten heraus sauber Gas annimmt und bis 8.000 Touren drehzahlfest ist.

Schalten und Walten

Das muss in der Tat eine „Zauber-Nockenwelle“ sein!

Damit der Vierzylinder-Boxer keinen Klima-Schock erleidet, kommt ein zusätzlicher Motorölkühler, der einen Ölkreislauf von 12 Litern ermöglicht. Der Kühler selbst wird wiederum von zwei Ventilatoren bespaßt!

Die Kraftübertragung übernimmt ein übliches 1303-Getriebe mit langem 1. und 4. Gang. Ein ZF-Sperrdifferenzial verteilt die Kräfte an in Finnland gefertigte Karpiola-Hinterachsen. Die Spur der mit Porsche-Lenkern kombinierten Hinterachsaufhängung ist nun um 5 cm auf jeder Seite verbreitert. Vorn kommen übrigens auch Porsche Achsschenkel zum Einsatz. Das Handlingspaket des 1303 S ist ebenfalls äußerst exzessiv geschnürt worden. Angefangen bei den PU-Lagerbuchsen, härteren Dämpfern bis hin zu einem selbst überarbeiteten Lenkgetriebe für eine knackigere Response, ist so ziemlich jedes erdenkliche Detail angepackt und optimiert worden. Porsche 944 Turbo-Bremsen garantieren die gewünschte Verzögerung!

Innen totale Leere

Im Innenraum entdeckt der Betrachter wirklich nur das Nötigste: OMP-Lenkrad und -Sitzschalen, Stack-Instrumente und ein manueller Bremslastverteiler. Der mit einer Schaltweg-Verkürzung operierende Schalthebel ist ein Eigenbau, ebenso wie der polierte Überrollkäfig. Ein Hinweis vielleicht noch auf die Aluminium-Paneele. Sie sind alle gebürstet. In Handarbeit. Und alle in die gleiche Richtung.

Selbst die Farbe ist schnell

Was passt besser zu einem leistungsfähigen VW 1303 als eine Porsche-Farbe? In diesem Fall ist es Arktis Silber-Metallic, was sicherlich auch eine kleine Hommage an den Entstehungsort des finnischen VW 1303 S ist. Übrigens, dreimal wurde der Käfer neu lackiert, weil die Auftraggeber mit dem Ergebnis nicht zufrieden waren.

Ohne Fahrer wiegt der straßentaugliche Käfer nun 804 kg, die Gewichtsverteilung ist 45:55 (vorn/hinten). Interessant ist vielleicht, dass Juha bereits 1995 sich für 18“-Felgen (Mille Miglia) entschlossen hat, der Trend zu großen Felgen war da noch gar nicht absehbar. Vorn wurden 225/40ZR18 und 265/35ZR18 (Goodyear Eagle) draufgesattelt. Für Einsatz auf der Rennstrecke steht ein Satz Magnesium Felgen mit Michelin Pilot Cup-Reifen zur Verfügung.

Resteuropäische Premiere in VAU-MAX.de

Das Erstaunliche ist, dass dieser VW Käfer nicht so ausschaut, als wäre er vor 15 Jahren begonnen und vor 9 Jahren fertiggestellt worden. Juhas 1303 S ist sicherlich einzigartig und daher auch heute noch eine Story wert. Zumal der Käfer nach seiner Präsentation in Helsinki kaum oder besser gar nicht mehr in der Öffentlichkeit auftauchte, was sicher auch der Grund dafür ist, dass dieser bemerkenswerte VW 1303 S in dieser Form noch in keinem deutschsprachigen Magazin zu sehen war. Bis jetzt!



Text & Fotos: Heikki Malinen

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1 Kommentar

  • thomas1

    Thomas1

    Toller Käfer! Mir wäre ja schon ein gelb-schwarzer Renner recht! Aber so ein Geschoß, echt super!

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