Wann ist ein Golf ein Golf?

Der Chef-Designer der Marke Volkswagen Klaus Bischoff über das Design des neuen Golf 6

Wann ist ein Golf ein Golf?: Der Chef-Designer der Marke Volkswagen Klaus Bischoff  über das Design des neuen Golf 6
Erstellt am 30. September 2008

Vau-Max.de: Der neue Golf 6 ist da und er schaut aus wie ein Golf! Ist das jetzt für einen Designer eine Herausforderung oder eher langweilig?



Klaus Bischoff: Design ist nie langweilig! Es geht schließlich immer um eine neue Form, auch wenn – wie im Falle des Golf – einiges vertraut erscheint. Gerade den schon klassischen Grundentwurf des Golf neu interpretieren zu können, ist eine sehr reizvolle Aufgabe – und eine große Verantwortung, weil hinter dem Golf ein großer Markt steht. Mit keinem Modell sprechen wir so viele und so unterschiedliche Kunden an.



Worin liegt die große Schwierigkeit bei der Erneuerung eines Erfolgsmusters?



Am Anfang eines jeden Entwurfs steht eine gründliche Analyse: Was bestimmt den Charakter des Modells? Was ist die Essenz? So wird denn einer neuer Golf nicht einfach der Nachfolger seines Vorgängers, sondern er nimmt Zitate aus seiner ganzen Geschichte auf. Beim Golf 6 haben wir uns besonders die erste und die vierte Generation angesehen.

Es muss doch auch in den Fingern jucken, etwas neu erfinden zu wollen?



Natürlich! Aber doch nicht neu im Sinne von anders um des anders sein! Jeder Golf ist eine aktuelle Interpretation der Golf-Idee und dadurch auch neu. Vordergründiges und Oberflächliches passt nicht zum Golf.



Was zeichnet das Design des Golf 6 in Ihren Augen besonders aus?



Präzision, Wertigkeit und Eleganz. Eleganz ist nicht unbedingt eine Eigenschaft, die beim Golf auf der Prioritätenliste ganz oben steht – da nennen wir gern Charakter und Qualität. Aber gerade das Streben nach Qualität und der Wunsch, diese faktisch vorhandene Qualität auch in Designlösungen umzusetzen, hat zu dem Bild hoher Präzision geführt und bringt so in Verbindung mit der neuen Formensprache von Volkswagen-Design mehr Eleganz in die Welt des Golf.

Was gab den Ausschlag für den jetzt wieder flach und breit gehaltenen Grill?



Teil einer jeden Analyse im Vorfeld einer Designaufgabe ist der Blick in die Geschichte. Und hier hat Volkswagen einiges zu bieten. Käfer und Bully sind automobile Legenden, und der Golf hat es geschafft, an den Mythos Käfer anzuschließen und hat sich eine eigene einzigartige Position erschlossen.

Wenn wir uns nun den Golf 1 als den Urvater der neuen Volkswagen-Welt ansehen, dann fällt in allen Ansichten eine starke Betonung waagerechter Linien und Parallelen auf. Die Frontgestaltung – ein breites Rechteck mit integrierten Scheinwerfern. Hier haben wir angeknüpft und die aus den Rundscheinwerfern abgeleiteten ovalen Scheinwerfer mit einem waagerechten Grill zu einer formalen Einheit zusammengefasst.

Bei soviel Dynamik am Grundmodell, erfindet sich doch eine GTI-Variante bzw. ein R32 fast von selbst, oder?



Den GTI und ein R-Modell haben wir Designer schon von Anfang an im Kopf. Diese Modelle werden schon in einem frühen Stadium parallel entwickelt, um technisch und formal eine Ableitung vom Grundmodell sicher zu stellen. Es ist uns sehr wichtig, eine deutliche, aber nicht zu gravierende Differenzierung zwischen den einzelnen Varianten zu haben. Schließlich liegt der Reiz eines GTI oder R-Modells ja in dem „Wolf im Schafspelz“ Bild. Umgekehrt strahlt ein GTI oder R auf den Basis-Golf ab. Mit dem GTI der fünften Generation haben wir eine optimale Balance zwischen Differenzierung und Nähe zum Grundmodell gefunden.

Gibt es Bauteile, die vom Golf 5 übernommen wurden, vielleicht im Interieur?



In unsichtbaren Bereichen haben wir teilweise auf bewährte Komponenten zurückgegriffen. Im Exterieur-Design wäre das Dach zu nennen, im Innenraum prägt die Übernahme der Spritzwand und des Klimageräts die Grundkonfiguration der Schalttafel. Aber alles, was Sie sehen und fühlen, ist neu.



In seiner bisherigen Geschichte erwies sich der Golf als sehr wandlungsfähig: GTI, Cabrio, Country, Jetta/Vento/Bora, Kombi, W12-650, Cross. Ist der Sechser ebenso wandlungsfähig und warum geht das gerade mit dem Golf so gut?



Der Golf in seiner Sonderstellung ist in der Tat eine einzigartige Basis. Mit dem Golf wurde der GTI zum Inbegriff des sportlichen Kompakten, und im Golf begann die Erfolgsgeschichte des Diesel in der Kompaktklasse. Aber wir haben zum Beispiel erst in der dritten Generation einen Variant aufgelegt. Erst als neben dem Passat-Variant genug Platz war, ist der Golf-Variant gekommen. Wir wägen eben sehr kritisch ab, was in die Golf-Familie passt und auch den damit implizierten Erfolg sicherstellt.



Trauen Sie dem Golf Varianten zu, die wir bis jetzt noch nicht gesehen haben?



Das wird die Zeit zeigen!

Golf 1 und Scirocco 1 waren ein perfektes Paar. Oft wurde beim Scirocco damals auch vom Golf Coupé gesprochen. Wie sehen Sie das bei Scirocco 3 und Golf 6? Sind die wieder so nah beieinander wie die Urmodelle?



Der Scirocco ist kein Golf-Coupé und ist es auch nie gewesen. Der Scirocco ist immer ein vollkommen eigenständiges Modell. Der neue Scirocco in seiner extrovertierten und sehr emotionalen Form unterscheidet sich doch gravierend vom Golf – einzig in der Frontgestaltung zeigt er seine Markenverwandtschaft.

Noch ein Blick in die Zukunft: der Golf 5 machte „Weiߓ wieder zur Trendfarbe. Unternimmt der Golf 6 einen ähnlichen Versuch mit einer anderen Farbe? In welcher Farbe würden Sie Ihren Golf bestellen?



Das Reizvolle an der Trendfarbe "Weiß" ist ja, dass sie als achromatische, also „unbunte“ Farbe die Neutralität von Schwarz und Silber hat, aber immer noch recht selten ist und damit aus der Masse heraus sticht. Ich habe vor Jahren schon den Wert der Farbe Weiß erkannt und fahre seitdem alle meine Fahrzeuge in Weiß. Farbe ist eben immer eine sehr persönliche Angelegenheit.

Selbstverständlich arbeiten wir intensiv an der Entwicklung neuer Farbtöne, um denjenigen, die unter Farbe etwas anderes als Schwarz, Weiß und Silber verstehen, eine attraktive Auswahl zu bieten. Unter den neuen Tönen ist mein Favorit das Shark-Blue.

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community