Volkswagen Rekordversuch auf der Nordschleife

Der ID.R und Roman Dumas vor dem Angriff auf den Rekord und Vau-Max.de im Selbstversuch

Volkswagen Rekordversuch auf der Nordschleife: Der ID.R und Roman Dumas vor dem Angriff auf den Rekord und Vau-Max.de im Selbstversuch
Erstellt am 23. Mai 2019

20,832 Kilometer, 73 Kurven, zahlreiche Höhenunterschiede: Das ist die Nürburgring-Nordschleife. Für den nächsten Rekordversuch mit dem rein elektrisch angetriebenen ID.R hat Volkswagen eine der traditionsreichsten Rennstrecken der Welt ausgewählt. Ein Rundenrekord auf der Berg-und-Tal-Bahn in der Eifel gilt als Ritterschlag für jedes Renn- oder Serienfahrzeug. Die aktuelle Bestmarke für Elektrofahrzeuge steht seit dem Jahr 2017 bei 6:45,90 Minuten – aufgestellt vom Briten Peter Dumbreck in einem NIO EP9.

Romain Dumas mit Gänsehaut

Am Steuer des ID.R wird erneut Romain Dumas sitzen. Der Franzose ist viermaliger Sieger des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring und einer der erfolgreichsten Nordschleifen-Experten überhaupt. „Die Nürburgring-Nordschleife ist meine Lieblingsrennstrecke. Obwohl ich dort schon Tausende von Kilometern gefahren bin, kriege ich jedes Mal eine Gänsehaut, wenn ich das erste Mal wieder aus der Boxengasse herausfahre“, sagt Dumas. „Mit dem fast lautlosen ID.R durch so geschichtsträchtige Streckenabschnitte wie ‚Flugplatz‘, ‚Fuchsröhre‘ oder ‚Karussell‘ zu fahren, ist ein ganz spezielles Gefühl.“

Nordschleife war für Jackie Stewart die „Grüne Hölle“

Jackie Stewart, Formel-1-Weltmeister und dreimaliger Sieger des Großen Preises von Deutschland (1968, 1971 und 1973) auf der Nordschleife, nannte die Strecke ehrfurchtsvoll „Grüne Hölle“. Und auch heute gehen Rennfahrer wie Dumas mit einer gehörigen Portion Respekt an jede Runde heran. „Eine Schlüsselstelle für eine gute Rundenzeit ist der ‚Flugplatz‘. Man muss durch diese Kombination mit einer Kuppe und einer Rechtskurve mit viel Tempo hindurchkommen, weil anschließend ein langes Vollgas-Stück folgt. Hier kann man viel Zeit gewinnen“, erklärt Dumas. Der 41-Jährige ergänzt, dass mit einem Sportwagen-Prototyp wie dem ID.R der ‚Flugplatz‘ besonders knifflig ist. „Die Aerodynamik des ID.R wird sehr stark durch die Luftströmung unter dem Fahrzeugboden bestimmt.“

"Karussell" bleibt tabu für den ID.R

Einer der markantesten Abschnitte der Nürburgring-Nordschleife ist das nach dem früheren Rennfahrer Rudolf Caracciola benannte „Caracciola-Karussell“. „Eine Steilkurve wie diese findet man heute auf keiner anderen Rennstrecke“, sagt Dumas. „Es ist einer der langsamsten Abschnitte der Nordschleife. Leider ist die Fahrbahn hier so uneben, dass ich mit dem ID.R außen auf der flachen Fahrbahn bleiben werde. Der ID.R liegt so tief, dass das Risiko, dass der Frontflügel aufsetzt und beschädigt wird, in der Steilkurve zu hoch wäre.“

Voll"Gas" auf der Döttinger Höhe

Eine weitere Schlüsselstelle bei der Jagd nach dem Rundenrekord für E-Fahrzeuge ist die „Döttinger Höhe“, eine rund drei Kilometer lange Gerade am Ende der Nordschleife. Das Energie-Management an Bord des Rennwagens ist so ausgelegt, dass die Lithium-Ionen-Batterien für den Schlussspurt noch so hohe Reserven haben, dass Dumas bis ins Ziel mit maximalem Tempo fahren kann. „Ich muss schon bei der Einfahrt auf die ‚Döttinger Höhe‘ genügend Schwung mitnehmen“, sagt der Franzose. „Dafür entscheidend ist die optimale Linie am ‚Galgenkopf‘, einer Doppel-Rechtskurve direkt davor. In einem Rennwagen mit der Leistung des ID.R muss man sehr entschlossen sein, um dort ohne zu bremsen durchzufahren.“ Gelingt Dumas eine optimale Runde, wird die Durchschnittsgeschwindigkeit über 185 km/h liegen.

Vau-Max.de im Nordschleifen-Selbstversuch

Wir konnten uns selbst ein Bild von den Herausforderungen auf der Nordschleife machen. Zusammen mit Instruktor und "Lord Schleife" Andy Gülden sowie VW-Renn-Ass Benny Leuchter hatten wir einen Tag die Gelegenheit, in einem Golf GTI die Nordschleife zu erkunden. Nach einem sehr interessanten und kurzweilige Trackwalk mit Andy Gülden im Reisebus, bei dem der Nordschleifenkenner uns in die Geheimnisse der Grünen Hölle einweihte. Dabei war auch die neue VW-Markenbotschafterin aus der Schweiz Jasmin Preisig, die den Ausführungen von Andy Gülden ebenfalls interessiert lauschte. Nicht umsonst, schließlich fährt die junge Schweizerin im "Girls Only"-Team, in einem VW Golf GTI TCR bei den 24h auf dem Nürburgring mit.

Redakteur Christopher Otto am Steuer mit Instruktor Andy Gülden

Im GTI schon grenzwertig, im ID.R unvorstellbar

Nach den theoretischen Einweisungen ging es schließlich in den GTI, um hinter Instruktor Gülden die Nordschleife praktisch zu erfahren. Auch wenn der Autor bereits über einige Nordschleifenerfahrung verfügt, war es doch extrem lehrreich, sich die Schlüsselstellen vom Fachmann erklären zu lassen. Selbst in einem 245 PS starken GTI ist man extrem schnell unterwegs und es ist schlichtweg unvorstellbar, wie man Passagen wie Schwedenkreuz, Fuchsröhre oder Klosterthal mit einer Waffe wie dem ID.R bewältigen sollte. Im GTI ist man hier schwer am Limit unterwegs, mit extrem viel Bewegung im Fahrzeug. Das ist besonders unangenehm, da die Leitplanken unmittelbar neben der Strecke stehen. Jeder Fehler bei diesem Tempo endet mit einem Totalschaden, was den Druck nochmals erhöht. Schließlich möchte man nicht der Journalist sein, der einen GTI bei einer Presseveranstaltung bei Vollgas einplankt... Der ID.R mit seiner extremen Aerodynamik wird dagegen vom Fahrtwind auf den Boden gepresst. Die Wellen und Schläge in der Piste bekommt Romain Dumas umso deutlicher zu spüren. Eine harte Aufgabe für die Fahrwerks-Ingenieure.

Eine Runde voller Endorphine

Am Schluss rückten wir nochmal zu einer letzten Runde auf der Nordschleife aus. Andy Gülden, der im Vorausfahrzeug - einem Golf R - per Funk mit uns Kontakt hatte, gab uns eine gewisse Eiligkeit mit auf den Weg. "Eigentlich ist die Piste schon geschlossen, wir müssen schon Gas geben", war die klare Ansage. Und "Für Funksprüche hab ich jetzt keine Zeit mehr!" Also war keine Hoffnung auf hilfreiche Anweisungen. "Follow me" war die Devise, und zwar "as fast as you can". Mit Benny Leuchter gesellte sich noch ein zweiter Golf R dazu, der noch eine Kamera-Runde drehen wollte. Und so schossen wir hinaus auf die leere Strecke. Was nun folgte, war - zumindest für den Autor - ein Ritt auf der Kanonenkugel. Zwar gelang es mir, mit Andy Gülden Schritt zu halten, aber mehr als einmal war ich dermaßen über dem Limit und konnte den GTI nur mit Mühe wieder einfangen. Immer mit Blick in den Innenspiegel, wo sich Benny Leuchter mit knappem Abstand und mit seiner typischen "Leuchterhupe" bemerkbar machte. Diese neun Minuten waren eines der intensivsten Erlebnisse, auf die ich zurück blicken durfte. Und das wohlgemerkt in einem Serien-GTI. Was Romain Dumas in seinem ID.R am Limit fühlen darf, kann man sich kaum vorstellen. Unser Neid sei mit ihm!

 

 

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community