Wiedersehen der Legenden nach 31 Jahren

Pikes Peak Fahrer von 1987 trifft Konstrukteur des Golf 2 Bi-Moto

Wiedersehen der Legenden nach 31 Jahren: Pikes Peak Fahrer von 1987 trifft Konstrukteur des Golf 2 Bi-Moto
Erstellt am 5. April 2018

Es ist die Geschichte des einmaligen Aufstiegs zweier Männer. Hauptdarsteller eines Krimis um Material und Millisekunden, um Staub und Schotter, um Power und Präzision: der Jochi und der Kurt. Und natürlich der Golf. Gemeinsam witterten sie 1987 Höhenluft – bei dem spektakulärsten Bergrennen der Welt: Pikes Peak International Hill Climb, Colorado, USA. Start in 2.862 Meter Höhe, auf 4.302 Metern das Ziel. Im Mittelpunkt: ein Golf mit gleich zwei Rennmotoren und sein Team als Gipfelstürmer.

Turbo-Twin-Golf: Der Golf II „Pikes Peak“ mit über 441 kW (600) wurde für den Einsatz bei Bergrennen konstruiert. 2018, nach 31 Jahren, treffen die drei Protagonisten wieder aufeinander – Klaus-Joachim „Jochi“ Kleint, Rallye-Pilot des über 441 kW (600 PS) starken Bi-Motor-Golf „Pikes Peak“ und dessen Konstrukteur Kurt Bergmann.

 

Nach 31 Jahren wieder vereint

„Du schaust ja noch genauso aus wie damals!“, ruft Kurt Bergmann beim gemeinsamen Wiedersehen aus. Er meint den Jochi, nicht „seinen“ Golf. Kleint muss lachen, und Rührung ist wohl auch dabei. Klar: Wenn man sich mag, etwas Einmaliges gestaltet und erlebt hat und es dennoch 31 Jahre dauert, bis man sich wiedersieht, dann darf es gern mal eine Umarmung und ein Schulterklopfen mehr sein.

Eine außergewöhnliche Konstruktion für einen einmaligen Einsatz: Konstrukteur Bergmann spricht mit Fahrer Jochi Kleint über das sorgsam 50 zu 50 austarierte Gewicht von Front- und Heckmotor des „Pikes Peak“-Golf. Jetzt stehen sie auf dem Volkswagen Classic Messestand wieder beisammen, die Hauptakteure des Abenteuers „Pikes Peak International Hill Climb 1987“. Damals startete Jochi Kleint im von Konstrukteur Kurt Bergmann geschaffenen Power-Golf. „Schau a mal her, der hat’s noch immer die perfekte Gewichtsverteilung“, sagt der Österreicher Bergmann im schönsten Wienerisch, und deutet abwechselnd auf den vorderen und den hinteren Motor des „Pikes Peak“-Golf. „Stimmt“, nickt Kleint wissend, für den der Bi-Motor ebenfalls etwas ganz Normales zu sein scheint. Aber der Wagen und die beiden Herren sind ja alte Bekannte.

1981 entwickelte Kurt Bergmann als Versuchsträger seinen ersten Volkswagen mit Bi-Motor, einen Jetta I, genannt „Twin Jet“. Es folgten Bi-Motor-Prototypen in Form von Scirocco II und zwei Golf II. Die Twin-Golf wurden tatsächlich von Volkswagen Motorsport im internationalen Wettbewerb eingesetzt. In den Jahren 1985 bis 1987 war ausnahmslos Jochi Kleint der Pilot, und immer trieb er den Golf den Pikes Peak hinauf.

Wolkenstürmer mit der Kraft zweier Motoren

„Die Idee dahinter war ganz einfach: Du kriegst doppelte Leistung und den Allradantrieb noch dazu“, erklärt Bergmann den Hintergrund der damaligen Entwicklung. Und diese leuchtet noch heute sofort ein: Vor 30 Jahren bestand der Großteil der Privatstraße zum Pikes Peak noch aus Schotter, da „brauchst du Traktion, Traktion, Traktion.“ Audi war am Start, mit dem Sport quattro S1 und Kleint-Freund Walter Röhrl am Steuer. „Beim Walter musst Du dich warm anziehen“, lacht Jochi Kleint – er kennt sich aus. Kurt Bergmann zuckt nur mit den Schultern und resümiert lässig: „Wennst’ im Windschatten am Walter dranhängst, kannst’ so schlecht net sein …“

1987 konstruierte Kurt Bergmann den „Pikes Peak“-Golf mit zwei 16V-Motoren. Rallye-Europameister Jochi Kleint startete damit im selben Jahr mit über 441 kW (600 PS) beim „Pikes Peak International Hill Climb“. Eine maximale Leistung von je 240 kW (326 PS) liefern die beiden Reihen-Vierzylindermotoren, bekannt aus dem damaligen Golf GTI 16V. Allerdings modifiziert, angeblasen von je einem Turbo und versorgt von Digifant-Einspritztechnik. Aufgrund der speziellen Renngetriebe änderte Kurt Bergmann die Einbaurichtung von quer auf längs und „versenkte“ beide Triebwerke so, dass ein optimal niedriger Schwerpunkt erreicht wurde. Und eben die perfekte Gewichtsverteilung von 50 zu 50.

 

Publikumsmagnet Twin-Golf „Pikes Peak“: Besucher-Andrang auf der Oldtimer-Fachmesse Techno Classica auf dem Stand von Volkswagen Classic, während Jochi Kleint und Kurt Bergmann auf Tuchfühlung mit „ihrem“ Golf gehen. „Das alles brachte natürlich ein enormes Gewicht in den Golf“, erklärt Jochi Kleint beim Rundgang um den restaurierten „Pikes Peak“-Golf. „Ja, scho’. Aber durch den leichten Rohrrahmen und die Front- und Heckmasken aus Kunststoff haben wir das wunderbar kompensiert“, erwidert der 89-jährige Konstrukteur Bergmann vor dem gespannten Publikum, das sich am Stand von Volkswagen Classic versammelt hat.

Der Sportsitz passt auch mit 70 Jahren

Nach ausführlicher Fachsimpelei und mehreren Runden um den Gipfelstürmer-Golf wird Kurt Bergmanns Gestik eindeutig: Los, Jochi, rein da jetzt! Start! Das lässt sich Kleint nicht zweimal sagen: Flink und gelenkig gleitet der ehemalige Rallye-Europameister in den knallengen Sportsitz, der ihm auch im Alter von 70 Jahren noch wie angegossen passt. Kippschalter umlegen, prüfender Blick auf die Anzeigen im kargen Renn-Dashboard, dann der Schlüsseldreh. „Brrrbabappabada-Braaaahhh!“, brüllt der offen gelegte Frontmotor des „Pikes Peak“-Golf.

Messebedingt wird nur eines der beiden Herzen gestartet, aber schon das zeigt Wirkung, und die Zuschauer halten respektvollen Abstand. Und man kann nicht anders, man bekommt einfach Gänsehaut. Der Golf brüllt, der Jochi gibt Gas, der Kurt steht an der Maschine und justiert hier und da. Hochkonzentriert, hochprofessionell, das alles funktioniert nach über drei Jahrzehnten sofort wieder.


Als der Motorlärm erstirbt, Jochi Kleint breit grinsend aussteigt und Kurt Bergmann nur anerkennend nickt, branden Jubel und Applaus auf. Und auch, wenn es 1987 nur 200 Meter vorm Ziel aufgrund eines technischen Defekts nichts wurde mit Platz eins am Pikes Peak, haben die drei hier gewonnen: die uneingeschränkte Sympathie des Publikums. "Eine Revance wäre schön gewesen", ruft Kleint durch den Lärm des Applauses hindurch, "aber vielleicht schafft Volkswagen es ja dieses Jahr!" Am 24. Juni 2018 wird Kleints "Kollege" Romain Dumas mit dem rein elektrischen Rennfahrzeug I.D. R Pikes Peak in Colorado Springs an den Start gehen. Das Ziel ist die Erprobung neuester Technologie für die Serie. Und endlich ein Sieg beim "Race to the Clouds".

 

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