Er war der große Star des diesjährigen Goodwood Festival of Speed und vorher hatten diesen Traumwagen wohl kaum jemand auf dem Radar. Audi enthüllte seinen eigenen Autobahnkurier – luxuriös, rasend schnell und ganz ohne Stern.
Neubau nach alten Plänen
Der Auftritt im kunterbunten Fahrerlager des Festival of Speed hätte fraglos auffälliger, imposanter sein können. Denn das, was der Ingolstädter Autobauer dort unter einem kleinen schwarzen, geradezu unscheinbaren Zeltdach enthüllte, war spektakulär, einzigartig, denn tatsächlich hatte es den Auto Union Typ 52 bisher noch nicht gegeben. Die Pläne für eine aerodynamisch geformte Reiselimousine mit Hochleistungsantrieb waren in den 1930er von der Auto Union nicht umgesetzt worden und so wurde das mattsilberne Kraftpaket mit seiner spektakulären Tropfenform erst neun Jahrzehnte später Realität. „Wir wollen mit diesem Traumwagen, der zu seiner Zeit ein Traum blieb, für Design und Technik begeistern“, erläutert Stefan Trauf, Leiter Audi Tradition, die Premiere des ungewöhnlichen Boliden.
Reiselimo auf Rennwagen-Basis
Technische Basis des Typ 52 waren die siegreichen Grand-Prix-Rennwagen der Auto Union und so überrascht nicht allein das stromlinienförmige Design des Dreisitzers, sondern auch dessen Antrieb. Hinter dem edlen Fahrgastraum mit der ungewöhnlichen Sitzkonfiguration Fahrer vorn und zwei Passagere leicht versetzt links und rechts eher daneben als dahinter, bollert ein einzigartiger 16-Zylinder in V-Form. Die 5,40 Meter lange Reiselimousine ist nicht nur in Sachen Design eine Schau, sondern ein wahrer Supersportwagen, der seinerzeit aus jenen 4,4 Litern Hubraum des Auto Union Typ A Modells von 1934 für 147 kW / 200 PS ausgelegt war. Das nunmehr aufgebaute Modell holt aus jenen sechs Litern Brennraum nebst Kompressoraufladung analog dem Typ C von 1936 sogar bis zu 382 kW / 520 PS. Statt der ursprünglich ausgeplanten Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h wären nunmehr deutlich mehr drin; auch weil das Leergewicht des Alubolidens gerade einmal 1.450 Kilogramm beträgt. Betankt wird der Supersportler der Vorkriegszeit in einer höchst explosiven Mischung aus 50 Prozent Methanol, 40 Prozent Superbenzin und 10 Prozent Toluene.
Rekorde, Rekorde...
Die Historie dieser Erstauflage ist einzigartig und höchst bewegt. 1932 hatten sich die vier Unternehmen Audi, DKW, Horch und Wanderer zur Auto Union AG zusammengeschlossen, um die vier Ringe als neues Firmensignet in aller Welt bekannt zu machen. 1933 erteilte diese noch junge Auto Union dem Stuttgarter Konstruktionsbüro von Ferdinand Porsche den Auftrag, einen Rennwagen gemäß neuer 750-kg-Formel zu entwickeln. Der Auto Union Typ A – interne Bezeichnung „Typ 22“ – wird nach einem Jahr Entwicklungszeit zum Weltrekordauto auf der Berliner Avus.
Doch die Rennwagen sind nicht das einzige, das in politisch bewegten Zeiten für Aufsehen sorgen sollte. Parallel starten 1933 / 1934 im Porsche-Konstruktionsbüro Planungen für eine straßentaugliche Sportlimousine, die in den Konzeptunterlagen die schlichte Bezeichnung „Schnellsportwagen“ trägt. Eine ebenso große wie schnelle Reiselimousine für lange Strecken und einer entsprechenden Mischung aus Reisekomfort und Geschwindigkeit. Der Auto Union Typ 52, so der spätere Projektname, soll an wohl betuchte Kunden verkauft werden und sich auch bei Langstrecken-Wettbewerben wie der Mille Miglia oder in Le Mans in Szene setzen können.
Projekt neu belebt
Der Auto Union Typ 52 ist nach seinen Konstruktionsplänen ein einzigartiger Supersportwagen mit Leiterrahmen nebst Mittelmotor. Zu seiner Zeit wäre er eines der stärksten Fahrzeuge mit Straßenzulassung gewesen. Doch so konkret die Planungen seinerzeit auch durchdacht waren, es blieb bei den Planungen, denn nach heutigem Stand wurde selbst der beschlossene Prototyp des 52er niemals umgesetzt, da das Projekt 1935 einschläft. So lange, bis es vor Jahren im Rahmen der Audi-Seriensiege von Le Mans wiederbelebt wurde.
Detailgetreuer Neuaufbau
Anhand von Archivdokumenten und Konstruktionszeichnungen hat Audi den Auto Union Typ 52 von Crosthwaite & Gardiner nunmehr erstmals real aufbauen lassen. Die englischen Restaurationsspezialisten betreuen seit Jahren auch die Silberpfeile in der historischen Fahrzeugsammlung von Audi und haben das Projekt „Schnellsportwagen“ nunmehr fertiggestellt und an imageträchtiger Stelle enthüllt. Alle Bauteile wurden speziell erschaffen und das Fahrzeug in aufwendiger Handarbeit aufgebaut. Anders als seine Rennwagen-Brüder bietet der Typ 52 kein offenes enges Volant, sondern im überdachten Fahrgastraum Platz für drei Personen, Gepäck und zwei Ersatzreifen. „Auch in den 1930er Jahren hätten die Entwickler im Verlauf der Erprobung vermutlich noch das ein oder andere Detail technisch nachjustiert“, erläutert Timo Witt, Leiter der historischen Fahrzeugsammlung von Audi, „und so mussten wir beispielsweise den Radstand des jetzt gebauten Auto Union Typ 52 länger machen als in den ursprünglichen Planungsunterlagen, weil das im Package mit den anderen Komponenten wie etwa Vorderachsaufhängung, Aggregat, Lenkung oder Getriebe technisch nicht anders umsetzbar war.“
Motor aus dem Rennwagen
Stammen das Antriebsaggregat und das Getriebe in Verbindung mit der offenen 5-Gang-Schaltkulisse aus den so gefürchteten Grand-Prix-Rennern, wurden bei Federung und Dämpfung andere technische Lösungen gewählt, denn statt einer Querblattfeder in Kombination mit Reibungsdämpfern wie beim Auto Union Typ 22 kommen beim Typ 52 für mehr Komfort an der Hinterachse längs angeordnete Drehstabfedern mit hydraulischen Dämpfern zum Einsatz. Der für 110 Liter ausgelegte Tank wanderte im Verlauf der Entwicklung unter die Sitze – beim Grand-Prix-Rennwagen saß der deutliche größere Tank direkt hinter dem Fahrer im Schwerpunkt des Fahrzeugs, was bei den Silberpfeilen eine optimale Gewichtsverteilung zur Folge hat. Verzögert wird beim Auto Union Typ 52 ebenso wie bei seinem Renn-Pendant mithilfe von Trommelbremsen an allen vier Drahtspeichenrädern. Ein Traumwagen auf den Spuren des Berliner Stadtschlosses.
Stefan Grundhoff; press-inform
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