Wenn die Deutsche Post für Schlagzeilen sorgt, dann regelmäßig durch Portoerhöhungen oder den Street-Scooter. Das lautlose Beförderungsmittel mit Batterieherz statt Verbrennungsmotor ist aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Einen Nachteil hat das Fahrzeug allerdings: Es ist praktisch lautlos unterwegs. Konnte man früher den Empfang eines Pakets am nahenden Nagelgeräusch des Diesels erahnen, überrascht der Zusteller seine Kunden heute mit der stillen Präzision eines „Hitman“.
Der G-Lader pfeift eine ganz spezielle Melodie. 265 PS sind Lohn der Mühen
Wie wohltuend ist doch dagegen der Klang des 1983er Post-Golf von Jürgen Schmidt. Ein spezielles Pfeifen entrinnt dem Motorraum, das Kenner aufhorchen lässt: „Da steckt bestimmt ein G60 drin.“ Und der Auspuffsound kann sich ebenfalls hören lassen – Powersprint sei dank.
320 Newtonmeter Drehmoment machen sich über die Vorderachse her
Öffnet man die Motorhaube, wird sofort klar: Das geschulte Gehör hat recht. Im Triebwerksabteil drückt ein G-Lader 265 Pferdestärken aus dem Corrado-Motor. Die „Innereien“ stammen von Schrick (Nocke), SLS (Ventile, Kopfbearbeitung) und aus dem Konzernbaukasten. Eine Sachs Sintermetallkupplung stellt den Kraftschluss zum Golf-3-Getriebe her. 320 Newtonmeter stehen auf der Haben-Seite des Vierzylinders.
Diese "Gullideckel" von Porsche glänzen mit der Sonne um die Wette
34 Bilder Fotostrecke | Eilige Drucksache: Dieser VW Golf 1 G60 ist schneller als Street-Scooter der Post Wenn KFZ-Meister Jürgen, der übrigens persönlich für den Umbau verantwortlich zeichnet, den rechten Fuß in Richtung Boden drückt, fallen die Pferdchen unbarmherzig über die Vorderachse her und die 165/40er Nankang-Reifen winseln um Vergebung. Sie sind zusammen mit den 195/40er Toyo-Pneus auf Porsche-Gullideckelfelgen vom Modell 928 in 7 und 8x16 Zoll aufgezogen. Die Radläufe sind angelegt und viele Fahrwerksteile ebenfalls schwarz gepulvert. Die glänzenden Rundlinge verdecken die Sicht auf die Corrado G60 Bremse und hängen an den „Beinen“ eines KW Gewindefahrwerks der Variante 3.
Phänomenal original: Die Postboten von damals schnallten sich beim Einsteigen ein
Den Wagen kaufte Jürgens Vater, der einst selbst als KFZ-Mechaniker bei der Post tätig war, im Jahr 1993 mit einem traumhaften Kilometerstand von 46.000. Für die Briefzustellung wurde der Golf übrigens nicht genutzt. Er wurde im Fernmeldewesen genutzt. So kommt es, dass der Einser noch immer über seinen ginstergelben Originallack von anno 1983 verfügt. Und nicht nur das. Auch der interessante Gurtmechanismus ist original, wie Jürgen erklärt: „Die Gurte sind an Tür und Karosserie befestigt, so dass die Fahrer sich schon beim Einsteigen angeschnallt haben.“ Statt Gurtwarner und Ping-Tönen also aktives Sicherheitsdenken.
Shine statt Rennen: Auf die Viertelmeile fährt der Golf nicht mehr
Jürgen baute den Wagen ursprünglich für den Einsatz auf der Viertelmeile. Nach einem Laderschaden auf dem Lausitzring setzte er die Prioritäten neu. Gefahren wird der schnelle Einser nicht mehr so viel, dafür sieht er dabei unverschämt gut aus. Wenn die Hände das 32er Momo Lenkrad umfassen und Jürgen bei offenem Seitenfenster über bergige Landstraßen cruist, dabei den Wind im Haar spürt und der „Lader-Symphonie“ lauscht, braucht es auch kein Radio mehr. Darum besitzt der Golf keine weitere Form der Schallquelle, als den druckbeatmeten Vierzylinder unter der Haube. Eins ist sicher: Würde die Post ihre Fahrzeuge heute so wählen, hätte der Beruf des Zustellers keine Nachwuchsprobleme.
Technische Daten
Fahrzeugtyp: VW Golf 1 (Typ 17)
Baujahr: 1983
Motor: 1,8 Liter Vierzylinder Benzinmotor (PG) aus dem VW Corrado, asymmetrische Schrick-Nockenwelle, größere SLS-Ventile, SLS-Kopfbearbeitung, G-Lader, Racimex-Ölkühler, 265 PS/320 Nm
Auspuff: Powersprint Gruppe A Anlage
Kraftübertragung: Golf 1 GTI Schwungscheibe, Sachs Sintermetallkupplung, 020-Getriebe aus einem Golf 3
Räder: Porsche 928 „Gullideckel“-Felgen in 7 und 8x16, Adapterplatten vorne 40mm, hinten 20mm pro Rad
Reifen: vorne Nankang in 165/40 R16, hinten Toyo in 195/40 R16
Bremsen: Corrado G60
Fahrwerk: KW Gewindefahrwerk V3, tiefe Version
Karosserie: Radläufe angelegt, Unterboden komplett eisgestrahlt, Anbauteile schwarz pulverbeschichtet
Innenraum: 32er Momo Lenkrad, RacingMax Ladedruckanzeige, Golf 1 GTI Kombiinstrument, original Post-Golf Gurtmechanismus
Dank an: Steffen Johannes von SLS
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