BMW i5 xDrive M60 (2024) im Praxistest

Auf großer Fahrt

BMW i5 xDrive M60 (2024) im Praxistest: Auf großer Fahrt
Erstellt am 9. Juli 2024

Wie überzeugend schlägt sich der elektrische BMW i5 in der Praxis und insbesondere auf der Langstrecke? Eine echte Alternative zu einem drehmomentstarken Powerdiesel wie dem 540d? Wir haben einen abwechslungsreichen Praxistest über rund 3.500 Kilometer durch halb Europa gemacht und getestet, was das Topmodell BMW i5 xDrive M60 im Alltag so kann – cruisen, laden und donnern.

Elektro und Langstrecke? 

Der noch junge BMW 5er soll insbesondere als Elektroversion i5 leistungsverliebte Kunden ins Elektrolager holen. Nachdem es beim Basismodell i5 eDrive 40 bei der Höchstgeschwindigkeit mächtig hapert und eine sinnvolle Allradversion erst jetzt mit Verspätung nachgezogen wurde, ist die Wahl des Langstreckenmodells einfacher als gedacht. Der BMW i5 xDrive M60 war bis vor kurzem sogar noch das Topmodell der 5er-Reihe. Doch die Münchner stellten jüngst den BMW M5 Hybrid vor, der nicht nur mit seinem Leergewicht von 2,5 Tonnen schockte, sondern dessen Kombination aus V8-Doppelturbo und Elektromotor bereits in der Basisvariante mit 535 kW / 727 PS / 1.000 Nm und 305 km/h Höchstgeschwindigkeit viele M-Fans frohlocken ließ.

In dieser Powerliga kann der aktuell stärkste i5 nicht mitspielen, aber mit 442 kW / 601 PS und allemal mächtigen 820 Nm muss sich hinter dem griffigen Lederlenkrad niemand Sorgen machen, auch außerhalb von Olympiade und Fußball Europameisterschaft nicht sportlich glänzen zu können. Optisch gibt sich der M60er trotz leicht geänderter Front für einen Sportler eher zurückhaltend. Keine ausgestellten Radhäuser oder gar ein umfangreich wie beim M5 modifiziertes Fahrwerk. Der xDrive M60er ist eher sportlichste i5-Version denn echte Sportversion des i5.

Praxistest europaweit

Die mehrtätige Europatour verspricht umfangreiche Erfahrungen in Sachen Alltagsnutzen und Langstreckentauglichkeit, denn es stehen in München startend Städte wie Innsbruck, Bozen, Brescia, Mailand, Turin, Grenoble, Clermont-Ferrand, Tour, Le Mans, Paris, Straßburg und Stuttgart auf dem Programm. 3.500 Kilometer, auf denen der elektrische Bayern glänzen soll und dies vorweggenommen auch tat. Zum Start gibt es jedoch die erste Enttäuschung, denn der zu 99 Prozent vollgeladene Akku schafft es nicht, die in App und Fahrerdisplay angezeigte Reichweite auf über 400 Kilometer zu drücken. Das nur 81,2 kWh große Akkupaket im Unterboden sorgt für eine in Aussicht gestellte Reichweite von 382 Kilometern. Versprochen waren 455 bis 516 km und selbst diese Werte sind für eine Oberklasselimousine allenfalls mäßig – einmal mehr für einen Kunden, der bisher vielleicht mit einem BMW 540d xDrive unterwegs war und nur alle 700 Kilometer tanken musste.

Es geht über die Autobahn nach Süden Richtung Norditalien, doch die schnelle Fahrt über A99 und A8 Richtung Innsbruck sorgt zusammen mit einem leichten Durstgefühl dafür, dass kurz vor der Grenze in Kiefersfelden der erste Ladestopp eingelegt wird, da kaum mehr als 200 km Reichweite angezeigt werden, ob schon der über 600 PS starke Allradler auf der linken Spur weitab seiner früh bei 230 km/h abgeregelten Höchstgeschwindigkeit unterwegs war. Nachgeladen wird mit knapp 180 kW und es ist noch etwas Raum bis zu den 205 kW, die die 400-Volt-Technik nur ermöglicht. Hier fahren die BMW-Modelle aktuell hinter so manchem Wettbewerber her, die Dank 800- oder 900-Volt-Bordnetz mittlerweile 270, 310 oder bis an die 400 kW wie ein Lotus Emeya ermöglichen. Doch die i5-Ladeleistung bleibt lange oben und so geht es nach 30,6 kWh für einen Preis von 24,18 Euro weiter gen Brescia zum Ziel der ersten Etappe. Die Ladeinfrastruktur an den norditalienischen Autobahnen sorgt zumindest außerhalb der Ferienzeiten für Entspannung. So werden nahe der Autobahn in Affi im Südosten des Gardasees nochmals 75 kWh nachgetankt, nachdem die Restreichweite unter die Zehn-Prozent-Marke gerutscht war – Kosten: 59,25 Euro.

Langtreckenkomfort at its best 

Auf der Langstrecke kann der stärkste aller BMW i5 glänzen. Die Sitze sind ebenso wie das Platzangebot top, das Geräuschniveau auch ohne Dämmglas angenehm gering und an die etwas kniffelige Bedienung einiger Sekundärfunktionen hat man sich schnell gewöhnt. Die beiden Displays sind gestochen scharf, könnten jedoch in Relation zu so manchem Wettbewerber für ein 2024er-Modell größer sein und ein Beifahrerbildschirm – auf dieser Singletour ohne Bedeutung – gibt es beim noch jungen Viertürer gar nicht. Auf den Landstraßen kann der knapp 2,4 Tonnen schwere Allradler glänzen, wenn nicht gar strahlen. Die präzise Lenkung ist top, der tiefe Schwerpunkt gefällt insbesondere in engen Kurven und die Bremsen zeigen nicht jenen etwas holprigen Übergang von Rekuperation zu Scheibenbremse, wie man ihn bisweilen von manchem Elektroauto kennt. Das ist gerade auf den Landstraßenetappen ein echter Genuss, denn der Fahrer fühlt sich genau als solcher. Ein Reiter, fest im Sattel, bestens beschützt und mit allem nötigen Komfort ausgestattet, um die lange Reise zu einer Grand Tour werden zu lassen. Navigation, Bedienung und Komfort in den überfüllten Innenstädten von Mailand oder Turin sind exzellent, wobei der Bayer hier und da ein paar Kilowatt Leistung nachtankt, ehe es in seichten Kurven über die Alpen Richtung Frankreich geht. Der Zöllner nimmt sich den grauen i5 im Sportdress vor der Einfahrt in den Grenztunnel ebenso umfangreich wie wortkarg vor und kann schließlich ebenfalls nur nicken. Passt für ihn scheinbar ebenfalls.

Frankreich als Elektro-Eldorado 

Auf der Autobahn A43 geht es auf der französischen Seite deutlich flotter zu als bei der vergleichbaren Schnellstraße im Herzen des Ruhrgebiets – mit viel weniger Baustellen. Der Wechsel nach Frankreich bietet zudem einen deutlichen Schritt in Richtung Elektromobilität und besserer Infrastruktur. An jeder Raststätte an der Route gibt es auch saubere, helle und bestens gepflegte Schnelllader, an der das elektrifizierte Oberklassemodelle aus Dingolfing sein Ladekönnen zeigen kann, während der Pilot snackt oder entspannt. Die vorgeschlagenen Ladepunkte auf dem knapp 15 Zoll großen Zentralbildschirm passen und lassen sich mit etwas Mut auch noch nach hinten schieben, um den Akku noch leerer zu fahren. Doch selbst bei vollem Akku zeigt der Bordcomputer niemals 400 km oder mehr an Reichweite an. Derweil sorgt das vernetzte Soundsystem dafür, dass auch weiterhin Musik nach nationaler Wahl aus den Boxen tönt und die über 900 Kilometer nicht zu lang werden. Beim Hotelstopp in Clermont-Ferrand ist die 22-kW-Lademöglichkeit am Hotel besser als dieses selbst. Für die knapp 67 kWh benötigen das Zusammenspiel aus Ladesäule und Bordelektronik drei Stunden und elf Minuten, ehe 40,04 Euro abgerechnet werden. Wieder nur 367 km Reichweite.

Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Le Mans, einer mittelgroßen französischen Stadt, die kaum mehr als die Rennstrecke mit ihren temporären Erweiterungen auf öffentlichen Landstraßen zu bieten hat. Auf diesen Landstraßen – oftmals mit rauem Fahrbahnbelag - schlägt sich der knapp unter 100.000 Euro teure BMW i5 xDrive M60 trotz seines imposanten Übergewichts genau souverän wie auf den französischen Autobahnen. Die Fahrerassistenzstufe zwei / zwei plus, mit der BMW seinen Fünfer anpreist, ist jedoch keine nennenswerte Entlastung für den Steuermann. Nur kurz kann man die Hände vom Lenkrad nehmen und wer die Augen von der Fahrbahn entfernt, bekommt innerhalb von weniger Sekunden nervigste Warnklänge. Alles nachvollziehbar, aber eben keine nennenswerte Entlastung wie bei einem Level-drei-System, das BMW erst einmal außenvorlässt.

Vollstrom ist Reichweitenkiller

Die Rückfahrt von Le Mans nach München via Paris und Straßburg und Stuttgart geschieht bei betont schneller Gangart, sehr viel nächtlichem Regen und höheren Tempi auf deutscher Seite. Die LED-Scheinwerfer sorgen dabei für Licht und Sicherheit, doch gerade auf den leeren französischen Autobahnen zwischen Paris, Troyes und Mulhouse hätte ein Laserlicht die Chance gehabt, den Fernbereich die Nacht gleißend hell auszuleuchten. Doch diese Lichtfunktion wurde bei der aktuellen 5er-Generation ebenso gestrichen wie ein Schiebedach, das nur für die USA im Programm bleibt. So bleibt die Luke nach oben zu und das Tempo wird abgesehen von den Ladestopps in Fresnoy oder Anthelupt auf das maximal erlaubte erhöht, wobei das Komfortniveau auch nach mehr als 2.500 Kilometern glänzen kann. Da sorgt dafür, dass der bisherige Praxisverbrauch vom 21,4 auf 22,7 kWh auf 100 Kilometern ansteigt. Gerade die deutlich über 200 km/h schnellen Zwischenetappen zwischen Baden-Baden und München via Stuttgart machen sich auf den Digitalanzeigen spürbar bemerkbar, während sich der Fahrer wundert, wieso eine derart sportliche Limousine mit 442 kW / 601 PS bei 230 km/h abgeregelt wird. Da fahren viele deutlich schwächerer Verbrenner und auch solche mit Elektroantrieb deutlich schneller. 

Langtrecke kann man, muss aber nicht

Ist der BMW i5 xDrive M60 nunmehr eine echte Alternative zu einem leistungsstarken 5er BMW mit Verbrennungsmotor? Wer den sportlichsten aller i5 mit einem Verbrenner vergleicht und nicht jeden Tag hunderte von Kilometern schrubben muss, sollte sich den Wechsel allemal überlegen; insbesondere, wenn er zu Hause laden kann. Die Gesamtladekosten für dem Trip lagen bei rund 450 Euro. Wer die endlosen Dieseltouren mit viel Drehmoment, hohen Realgeschwindigkeiten und seltene Tankstopps liebt, der dürfte kaum zum Stecker greifen, sondern weiterhin den Selbstzünder lieben – nicht nur wegen der kurzen Tankstopps, denn die Dieselkosten wären auf gleicher Strecke spürbar günstiger gewesen.

Stefan Grundhoff; press-inform

Technische Daten: BMW i5 xDrive M60

Motor: Elektro, vorn / hinten

Leistung: 442 kW / 601 PS

Max. Drehmoment: 820 Nm

Höchstgeschwindigkeit: 230 km/h

Beschleunigung 0 – 100 km/h: 3,8 Sekunden

Normverbrauch: 18,2 – 20,6 kWh – Praxisverbrauch: 22,7 kWh

Akkupaket: 81,2 kWh / max. Ladeleistung: 205 kW

Leergewicht: 2.380 kg

Laderaum: 490 Liter

Preis: ab 99.500 Euro

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