Ausschließlich elektrisch geht nicht

Retten eFuels die Verbrennungsmotoren?

Ausschließlich elektrisch geht nicht: Retten eFuels die Verbrennungsmotoren?
Erstellt am 18. November 2021

Selbst wenn ab 2035 keine Benzin- und Dieselautos mehr gebaut werden sollten – viele Jahre lang werden Millionen Verbrenner weiter auf den Straßen unterwegs sein. Synthetische Kraftstoffe sollen sie sauber machen. Kann das klappen? Ausschließlich elektrisch geht es noch lange nicht. Das hat sich - bei allem Marketinggetöse um das Ende der Verbrennungsmotoren - selbst in der Autoindustrie herumgesprochen. Auch wenn in zehn, fünfzehn Jahren angeblich alle neuen Autos nur noch als Stromer zu haben sein werden: Das legt keinen Schalter um und von heut’ auf morgen ist das Klima gerettet.

Karsten Schulze, Technikpräsident des ADAC, etwa machte gerade klar: "Millionen Verbrenner sind auf deutschen Straßen unterwegs und haben noch eine lange Lebensdauer vor sich. Wenn die Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden sollen, braucht es eine Lösung für diesen Bestand." "Bestand" heißt: Wenn der letzte Verbrenner tatsächlich 2035 vom Band rollt, dann ist er durchaus noch 2050 unterwegs. Die durchschnittliche "Lebenserwartung" eines Pkw liegt aktuell knapp unter zehn Jahren. Fahrzeuge mit größerem Hubraum schaffen im Schnitt fast 14 Jahre. Und schon jetzt ist mehr als jeder fünfte Pkw in Deutschland über 15 Jahre alt. Sinnvoll ist also, auch für diesen "Altbestand" eine saubere Lösung zu finden.

Dass die einst so hochgelobten Bio-Kraftstoffe dazu kaum taugen, haben die vergangenen Jahre gezeigt: Um den Durst nach Sprit aus nachwachsenden Rohstoffen zu stillen, wurden ganze Urwälder abgeholzt und etwa durch Soja- oder Palmölplantagen ersetzt. Für den Klimaschutz eher kontraproduktiv. Die Lösung sehen einige Autohersteller jetzt in eFuels. Diese synthetischen Kraftstoffe entstehen, indem man zunächst Wasser in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2)spaltet. Der entstandene Wasserstoff wieder wird mit Kohlendioxid (CO2) verbunden, den man unter anderem aus der Luft gewinnt. Nach ein paar weiteren Schritten aus dem Chemiebaukasten entstehen maßgeschneiderte Kraftstoffe, die sauber im Motor verbrennen.

Diese synthetischen Kraftstoffe lassen sich – zumindest theoretisch – in unbegrenzten Mengen herstellen und gezielt auf die aktuellen Benzin- und Dieselmotoren zuschneidern. Motoren in Neufahrzeugen müssten grundsätzlich für synthetischen Sprit ausgelegt werden. Sogar eine eigene Norm gibt es schon dafür: EN 15940. Und: eFuels ließen sich über das bestehende Tankstellennetz vertreiben. Hersteller wie Porsche preschen bereits voran. Zusammen mit Siemens, dem ortsansässigen Energiekonzern Andes Mining & Energy (AME) und anderen Partnern wie dem chilenischen Mineralölunternehmen ENAP und dem italienischen Energieunternehmen Enel bauen die Schwaben im Süden Chiles eine Pilotanlage zur Produktion synthetischer Kraftstoffe.

20 Millionen Euro kostet Porsche das Pilotprojekt am anderen Ende der Welt. Für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen wird erst einmal viel Energie benötigt, vorzugsweise regenerativer Wind- oder Solarstrom. Im Süden Chiles weht ein beständiger Luftzug aus der Antarktis, was zu einem besonders hohen Wirkungsgrad von Windkraftanlagen führt - und damit zu ebenso sauberem wie preiswertem Strom im Überfluss.
Was den schönen Schein ein wenig trübt, ist zunächst einmal simple Mengenlehre: eFuels werden noch lange nicht in solchen Mengen produziert werden können, dass sie wirklich Auswirkungen auf das Klima haben könnten. Allein in Deutschland sind aktuell über 48 Millionen Kraftfahrzeuge unterwegs. Der weitaus größte Teil davon läuft mit Verbrennungsmotor. Sie verbrauchen pro Jahr knapp 52 Millionen Tonnen Treibstoff.

Global sieht es noch üppiger aus: Mehr als 15 Milliarden Liter Kraftstoff werden verbrannt – täglich. Da wird eFuel noch lange nicht relevant mitmischen können. Laut Porsche dürften 2022 in der chilenischen Pilotanlage "Haru Oni" rund 130.000 Liter eFuel erzeugt werden. In zwei Ausbaustufen soll die Kapazität dann bis 2024 auf 55 Millionen und bis 2026 auf 550 Millionen Liter jährlich gesteigert werden. Das reicht gerade mal für Porsches Eigenbedarf. Der synthetische Kraftstoff soll zunächst vor allem im Motorsport und bei den hauseigenen Kunden-Veranstaltungen der Porsche Experience Center eingesetzt werden. 2026 sollen dann auch Oldtimer eFuels tanken können.

Außerdem fallen bei der Herstellung von eFuels hohe Wirkungsverluste an. Von der eingesetzten Energie im Produktionsprozess bleiben nur zehn bis 15 Prozent übrig, die am Rad ankommen. Zum Vergleich: Ein Elektroauto schafft einen Wirkungsgrad von 70 bis 80 Prozent der Ausgangs-Energie. Und nicht überall auf der Welt weht der Wind so verschwenderisch wie in Patagonien. Theoretisch sei immerhin ein Wirkungsgrad von bis zu 60 Prozent möglich, heißt es in einer Mitteilung des Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die in ihrer Versuchsanlage versuchen, mit deutlich weniger Prozessenergie als bisher auskommt.
Wenig verlockend ist auch der Preis. Die Produktion unter Laborbedingungen sorgt vorerst noch für einen Literpreis von etwa 4,50 Euro.

Bei Porsche rechnet man ziemlich optimistisch damit, nach der Pilotphase eFuels zum Preis von zwei bis drei Euro pro Liter anbieten zu können - vor Steuern. Noch optimistischer ist man bei Bosch, wo man auch an eFuels arbeitet: "Ein Markthochlauf der Produktion sowie eine günstige Preisentwicklung beim Strompreis könnten dafür sorgen, dass synthetisch erzeugte Kraftstoffe deutlich günstiger werden.

Langfristig sind nach aktuellen Studien reine Kraftstoffkosten von 1,00 bis 1,40 Euro pro Liter realisierbar." Auch wenn der Klimagipfel in Glasgow gerade die eFuels in der Schlusserklärung von einem Verbrennerverbot nicht ausgenommen hat, sieht es in Deutschland anders aus. Zwar sollen laut dem Sondierungspapier der Ampel-Koalition, ab 2035 in Europa nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen werden. Aber das sollen auch Fahrzeuge sein, die mit eFuels betankbar sind. Das kann man durchaus als ersten Erfolg der eFuel-Lobby sehen.

Der 2020 gegründeten und weltweit agierenden "eFuel-Alliance" gehören mittlerweile rund 150 Unternehmen, Verbände und Einzelpersonen an. Seit neuestem auch der ADAC.
Jürgen Wolff, press-inform

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