VW Käfer: Die Rheumaklappe

VW Brezelkäfer Baujahr 1952

VW Käfer: Die Rheumaklappe: VW Brezelkäfer Baujahr 1952
Erstellt am 27. Juni 2008

Eine Brezel zu finden, ist schon nicht einfach, aber eine Rheumaklappe aufzutreiben, ist noch viel schwerer. Schließlich wurde sie nur im Modelljahr 1952 gebaut! Brezel? Rheumaklappe? Bei den Freunden der luftgekühlten Bewegung ist nicht nur das Kühlungsprinzip, sondern auch die Namensgebung irgendwie besonders!



Weitere Beispiele gefällig? Zwitter! Ovali! Kübel! Fridolin oder Barndoor wie die Briten die ganz alten Bullis nennen. Kaum eine Autofraktion bezeichnet ihre Objekte der Begierde mit auf den ersten Blick etwas abstrus klingenden Koseworten wie die Freunde luftgekühlter Volkswagen. Cremeschnittchen – stopp, das gilt für den Renault 4 CV – und stammt aus einer Zeit, wo die Marke nicht nur Käufer, sondern auch noch Markenliebhaber hatte. Aber in dem Erfindungsreichtum der Fans steckt natürlich auch Wertschätzung!

10 Jahre auf der Suche nach einer Rheumaklappe

Käfersprache: "Die Rheumaklappe war das letzte Modell vor dem Zwitter!" Auf deutsch: der mit den seitlichen Belüftungsklappen ausgestattet Käfer wurde durch das Modell abgelöst, das zwar noch eine Dachhaut mit geteilter Heckscheibe besaß, aber sonst schon alle Merkmale des Nachfolgers trug. Uff!"

Bei Gerd Menneken war das nicht anders. 10 Jahre hat er nach einer „Rheuma-Brezel“ gesucht. Aber nicht wegen der Besonderheit der Klappen, sondern weil der Käfer wie er Jahrgang '52 sein sollte. „Die Klappen habe ich als Zugabe oben drauf genommen!“, schmunzelt der Techniker. Gefunden hat er dann ein Exemplar, das aus den Kompensationsgeschäften mit der DDR stammt. Die aufgezogenen Pneumant-Reifen und einige typische Kniffe zur Erhaltung der Verkehrstüchtigkeit, machten ihn neugierig und er begann mit der Recherche.

Ein Käfer aus der DDR!

Gekauft hat er sein Auto von einem Unternehmer aus Hamburg, der das Auto aus den neuen Bundesländern geholt hatte. Dazu Gerd „Der Hamburger hatte restaurieren lassen und das gar nicht mal schlecht, aber alle Teile, die damals in der DDR angebaut wurden, hat er dran gelassen!“ Immerhin, der Klappenmechanismus war unangetastet geblieben. Nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, denn so mancher Käferfahrer, der sich speziell im Winter anstatt einer Belüftung über den unangenehmen kalten Zug ärgerte, ließ die Klappen kurzerhand zuschweißen! Was Gerd eher wundert: „Eigentlich ist die Belüftung durch die Klappen sogar ganz angenehm. Aber die im nächsten Modelljahr eingeführten Dreiecksfenster machten die Rheumaklappen wohl überflüssig!“

Ein alter 52er mit modernen Stoßstangen und Bügeleisenleuchten

1952 kostete ein Käfer 5400 Mark, der Standard war einen Tausender preiswerter. (Anklicken vergrößert das Bild!)

Das Zuschweißen der Klappen blieb der hier gezeigten Brezel also erspart, andere Eingriffe dagegen nicht. Der Kampf gegen den Verfall gepaart mit dem Wunsch ein möglichst aktuelles Modell zu fahren und das alles vor dem Hintergrund akuter Nachschubsorgen, verlangte von den DDR-Autofahren Erfindungsgeist und Improvisationstalent. So ist auch der bunte Stil- und Modelljahr-Mix zu erklären, den Gerd an seinem 52er vorfand. Die Winkerschächte hatte einer der Vorbesitzer zuschweißen lassen, um die trägen Winker gegen zeitgemäßere Blinker auszutauschen. Gerd hat diesen Eingriff rückgängig gemacht und nun schwingen sich beim Abbiegen mit sattem Klack wieder die Winker aus der B-Säule.

Als Gerd seine Brezel 2000 aus Vorbesitzerhand übernommen hatte, war der Käfer wie bereits erwähnt schon einmal generalüberholt worden. Eine Totalrestauration des Export-Modells – puh, Gottseidank keine Seilzugbremsen und ein synchronisiertes Getriebe - konnte er sich also sparen, die Rückrüstung in den Originalzustand jedoch nicht.Es galt die alten Sickenstoßstangen und die Einkammerleuchten aufzutreiben, oder die richtigen Fensterkurbeln. Kleinere Karosseriearbeiten wie Kotflügel ansetzen, Winkerschächte öffnen, übernahm er selbst oder wurden bei der Firma Sprungmann erledigt. Im Mittelpunkt des Wiederaufbaus aber stand die Suche nach den seltenen Originalersatzteilen .“Denn eine Rheumaklappe mit Bügeleisen-Rückleuchten geht ja man gar nicht!“ Ja,ja die Käfersprache!

Wohnzimmer-Atmosphäre im alten Käfer

Auf das rare Becker Uhren-Radio ist Gerd Menneken besonders stolz!

Im Kern aber war der Käfer klasse. Das galt erfreulicherweise auch für das Interieur. Hier ist alles so wie es mal war. Naja, fast! Gerd: „Serienmäßig hatte der Käfer rechts vom Tacho eine Blende. Gegen Aufpreis konnte der Kunde entweder eine Zeituhr oder ein Radio wählen. Bis die Fa. Becker ein Gerät präsentierte, das Radio und Uhr kombinierte.“ Die unverbindliche Preisempfehlung damals: 400 Mark! Purer Luxus, denn ein Facharbeiter verdiente am Tag zwischen 15-20 Mark.

Aber das korrekte Armaturenbrett war am richtigen Platz und auch die Sitze sind mit Original-Bezugsstoffe bezogen. Übrigens es stimmt: Käfer dieser Baujahre haben einen ihnen eigenen Geruch, was vielleicht wirklich mit den hochwertigen Bezugsstoffen dieser Anfangsjahre zusammenhängt. Und wenn das Gestühl auch kaum Seitenhalt gibt, so ist zumindest die reine Sitzqualität ganz hervorragend.

Im Rauschen sind sie alle gleich!

Vorwärtsdrang mit 24,5 PS. Der 1131 ccm-Boxer verlangt Geduld



Es ist schon erstaunlich, wie kräftig so ein 1131 ccm-Motor klingt. Gestartet wird mittels zentral platzierten Druckknopf und dann beginnt im Heck jenes Rauschen, dass Generationen von Käferfahren begleitet hat.Und da klingt so ein kleiner Boxer fast genauso wie ein 1,6 Liter mit mehr als doppelt soviel PS, auch wenn er zum Ausatmen nur ein Auspuffrohr hat. Und wenn dann der Gasfuß den revidierten Boxer anstachelt und der munter hochdreht, dann erscheint es fast unglaublich, dass da nur 24,5 PS drinstecken. Auch in den ersten beiden Gängen geht’s noch munter voran. Dann aber zeigt die Physik dem Boxer-Leichtgewicht seine Grenzen auf. Ein kleiner Trick verhilft dem Motor jedoch zu mehr Durchzugskraft. Der Auspuff ist eigentlich ein Zwei-Rohr-Exemplar, in das Gerd jedoch nur ein Endrohr eingesteckt hat. Der Boxer atmet deutlich leichter aus – und ein!


Aber Rasen will Gerd heute eh nicht mehr. (Das würde auch das Dachgepäck übelnehmen!) Das hat der Selmer bis in die 90er gern und ausgiebig zusammen mit seinem Freund Heinrich Sprungmann auf dem Rennasphalt getan. Und das durchaus mit Erfolg. Erst mit Käfer, dann im Golf! Vorbereitet wurden die Autos allesamt im Autohaus Leo Sprungmann in Essen Kupferdreh, wo man sich heute noch als Service-Partner um die Volkswagen-Kunden kümmert. Und weil es dort sogar noch Mitarbeiter gibt, die sich mit den Luftgekühlten bestens auskennen, steht auf den Serviceplätzen ab und an auch ein Käfer.

Die Rheumaklappe läuft und läuft und läuft!

Gerd Menneken (l) und Heinrich Sprungmann (r) fahren heute noch bei Oldtimer-Rallyes mit, oder steuern Meetings wie das 100.000 km-Treffen in Hückeswagen an.

Der Spaß kommt mit dem Fahren. Ein makelloses Hätschelexempar ist Gerd's azurblaue Rheumaklappe nicht! Eher so etwas wie ein in Würde gealtertes Modell, mit dem Gerd und sein Freund Heinrich Sprungmann auch heute noch an Oldtimer-Rallyes und Zuverlässigkeitsfahrten teilnehmen. Da passen die zahlreichen Plaketten, die Gerd gesammelt und an den Dachgepäckträger geheftet hat, prima ins Bild. Auf dem steht übrigens auch ein alter voller Cola-Kasten. Ob dessen Inhalt auch von 1952 ist? Man müsste einen Spezialisten kennen, der diesen Jahrgang am Geschmack erkennt.

Vau-Max kompakt

Fahrzeugtyp: VW Käfer Export

Erstzulassung: 18.8.1952

Karosserie: Export, im Gegensatz zum Standard mit Chromstoßstangen, Zierleisten, Chromradkappen

Räder & Reifen: 4 x 15 Stahl mit Esso 5.6 x 15 Diagonal

Fahrwerk: vorn Drehstabfederung mit Teleskop-Dämpfern, hinten Pendelachse mit Teleskop-Dämpfern

Motor: 1131 ccm Vierzylinder-Boxer

Leistung: 24.5 PS

Getriebe: Viergang, synchronisiert

Auspuff: zwei-Rohr aber nur ein Endrohr eingesteckt

Bremsen: Rundum hydraulische Trommeln anstelle von Seilzugbremsen (Standard)

Innenraum: Becker Radio mit Uhr, Bambusablage

0-90 km/h: 30 s

Vmax: 100 km/h

Dank an: VW Sprungmann, Essen-Kupferdreh

61 Bilder Fotostrecke | Luftgekühlte Käfer-Rarität: Die Rheumaklappe: VW Brezelkäfer Baujahr 1952 #01 #02

2 Kommentare

  • robbo-robby

    Robbo-robby

    Wow, Wolfgang, wenn das alles stimmt, was du sagst, dann Hut ab vor deinem Sachverstand!
  • brezel53

    Brezel53

    Ein schönes Fahrzeug, klasse! Was ich aber als Brezelfreak noch anmerken möchte: So selten ist ein Rheumaklappenmodell auch nicht, im Gegenteil ist es das heute am meisten angebotene Modell. Zum einen wurde es schon ab Januar 1951 in Serie produziert und nicht, wie oft angenommen (auch hier) nur 1952. Die sogenannten Modelljahre (wäre hier dann für das 52er Modell August 1951) wurden bei VW erst 1955 eingeführt. Zum anderen erreichte in diesen Jahren die Produktion schon hohe Stückzahlen, gerade beim Exportmodell. Noch ein paar Hinweise zum hier gezeigten Fahrzeug: Es müsste auch ein vollkommen unsynchronisiertes Getriebe haben, den Luxus eines Teilsnychrongetriebes gab es erst ab dem Export-Zwitter, also ab 10/1952. Den Fotos nach ist auch ein 30PS Motor verbaut und kein 24,5 PSer. Die Winker müssten eine Rille haben, hier sind die Winker der späten 50er Jahre Modelle verbaut. Das Becker Monza Radio ist kein Original aus der Zeit. Die Reifen/Felgen müssten 16 Zoll haben, nicht 15 Zoll. Das Lenkrad stammt aus einem Standard-Käfer, das für einen Export originale hat nur 2 breite Speichen, waagerecht. Die Hinterachse stammt aus den späten 60ern, die Spurbreite ist bei der alten Achse viel schmäler. Die Idee mit nur einem eingesteckten Endrohr halte ich für gefährlich, im ungünstigen Falle können Abgase in den Innenraum gelangen!!! Das sollte keine Kritik sein, aber viele Leser kennen den Käfer ja nicht so im Detail und nehmen dann das vorgstellte Fahrzeug als 100% Vorlage. Gruß aus München, Wolfgang B.

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