Der Puristen-Albtraum

VW T1 schonungslos flachgelegt und abgebeizt

Der Puristen-Albtraum: VW T1 schonungslos flachgelegt und abgebeizt
Erstellt am 12. Januar 2015

Den Traum vom eigenen Bus – welcher VW-Fan hat ihn nicht mindestens einmal kurz angeträumt. Am liebsten natürlich das seltene T1 Modell. 1,8 Millionen Mal produziert, ist heutzutage kaum noch etwas von den Bullis übrig. Was noch nicht aus irgendwelchen Scheunen in mehr oder weniger gutem Zustand ans Tageslicht befördert wurde, schlummert und oxidiert den Schlaf der Gerechten und Vergessenen.

Der Rest befindet sich entweder in Sammlerhand oder in einer Werkstatt/Halle oder Garage und wird oder wurde mehr oder weniger stark restauriert. Die Preise, zu denen T1-Modelle in allen nur erdenklichen Zuständen über den Tisch gehen, reichen von „jenseits von gut und böse“ bis hin zu „ohne Worte“. Kurse jenseits der 100.000 Euro für einen „Samba“ im Topzustand sind dabei keine Seltenheit.

Weltreise: Der T1 kam aus den USA nach England

Sam McMahon ging einen anderen Weg. Er vertraute nicht auf Schuppen oder versteckte Lager, seinen T1 holte er aus den USA zurück nach England. Das aktive Mitglied des „Edition 38“-Clubs organisierte den Rücktransport aus den Staaten und nahm sich des „Bullis“ an. Der Zustand seines Neuerwerbs war „so lala“.

47 Bilder Fotostrecke | Der Puristen-Albtraum: VW T1 schonungslos flachgelegt und abgebeizt #01 #02 Über „TheSamba.com“ fand er einen umlackierten 1960er Split Window Bus, den er über eine Spedition verschiffen ließ. Der Bus hatte ein bewegtes Leben hinter sich, einen Teil davon verbrachte er auf Hawaii.

Öfter mal gepfuscht: Der Beulendoktor hätte seine Freude gehabt

Es gab einiges zu tun. Insbesondere der rote und blaue Lack passten irgendwie so gar nicht zu Sams Vorstellung von einem coolen Bus. Also griff er zu Beize und Spachtel und befreite die Karosserie von der unsäglichen Lackierung. Zum Vorschein kam die Farbkombination aus Mangogrün und Möwengrau. Die war cool und durfte bleiben. Weniger toll fand Sam die unprofessionelle Art der Beulenbeseitigung eines der Vorbesitzer in dem bewegten Bus-Leben: „Irgendjemand hat Löcher ins Blech gebohrt, dort einen Haken reingesteckt und das zerknitterte Metall einfach wieder herausgezogen und die Löcher mit Spachtel zugestopft.“

Abgerockte Optik: Behutsam wurden die reparierten Stellen auf Alt getrimmt

Dass es kein Bier auf Hawaii gibt, sang Paul Kuhn Anfang der Sechziger Jahre. Jetzt wissen wir also, was auf den Inseln im Pazifik ebenfalls fehlt: Ein Schweißgerät und Zinn. Sam änderte das schnell: „Ich habe die Löcher zugeschweisst und alle Schweissnähte verzinnt!“ An den Beulen wollte er nicht um jeden Preis etwas ändern. Etwas gebraucht und abgewetzt sollte die Optik am Ende der Umbauarbeiten schon noch bleiben.

Das änderte nichts an Sams Vorhaben, den Bus technisch tip-top dastehen zu lassen. Die Karosserie wurde in ein Drehgestell montiert und konnte für leichteren Zugang zum Boden auf die Seite gekippt werden.

Als erstes holte er reichlich Sand aus den Hohlräumen. Großflächig trennte der junge Brite kariöse Blechstellen aus dem Body und setzte frisches Metall ein. Die Bremsanlage erfuhr ein Typ3-Update, ebenso wurde das Chassis für eine radikale Tieferlegung vorbereitet.

Tiefer liegt nur die Titanic: Schmerzbefreite Eingriffe in Fahrwerk und Chassis machen es möglich

Ein paar trickreiche Eingriffe machten es möglich, dass der T1 nun deutlich tiefer liegt. Die Firma TransporterHaus lieferte dazu ein Hinterachskit, die Vorderachse schrumpfte um 4,5 Zoll in der Breite. In Zoll oder Zentimetern hat Sam nicht nachgemessen, „der Wagen liegt aber schon verdammt tief“ - dieses Statement umschreibt es wohl am besten. Allzu hart oder gar unkomfortabel ist das Fahrverhalten aber trotzdem nicht, wie wir uns anhand einer kurzen Proberunde selbst vergewissern konnten.

Schleifspuren am Auspuff: Ein bewegtes Leben hat der Bus auch heute noch

Zugegeben, der Großteil der Stoßdämpfung und Federung geht auf das Konto der 165/50er und 185/55er Bridgestone Reifen, die auf black-crackle pulverbeschichtete Stahlfelgen aufgezogen wurden. Damit der Bus in dieser Tiefe überhaupt fahren kann, schnitt Sam die vorderen Radhäuser aus und formte neue „Deckel“ mit mehr Platz für die Räder. Dadurch passte die originale Sitzbank auch nicht mehr so ohne weiteres in die Kabine, aber auch hier schweißte Sam eine individuelle Lösung zurecht und bezog die Sitzgelegenheit mit Material aus echten Kartoffelsäcken.

Der Bus kam tiefer, die Lenkung musste angesichts der veränderten Platzverhältnisse höhergelegt werden. Auch hierfür waren „einschneidende“ Veränderungen am Bus-Boden nötig. Nachdem dort alle Schweißarbeiten erledigt waren, bekam die Bodengruppe einen neuen Anstrich in originalem Mangogrün. Somit sieht der Bus „von unten“ besser aus als neu.

Ohrenbetäubender Sound: Den Stinger-Auspuff montiert Sam nur zu Showzwecken

Krach macht der T1 wie ein Dragster. Das liegt nicht am 1641ccm-Motor, der von 34er Weber Doppelvergasern mit zündfähigem Gemisch vollgepumpt wird, sondern am etwas exotischen Stinger-Auspuff. Den montiert Sam aber nur zu Showzwecken und für Fotoshootings.

Der Bus ist nicht Sams erstes luftgekühltes Projekt und auch nicht seine Import-Premiere. Zwischenzeitlich hat er die Ladefläche mit selbstgezimmerten Sitzmöbeln ausgestattet und tüftelt schon wieder an der Umsetzung neuer Ideen. Bestimmt wird es wieder etwas luftgekühltes...

Text & Fotos: Igor Vucinic

Technische Daten VW T1

Baujahr: 1960

Motor: 1641 cm³, 34er Weber Doppelvergaser, 4-in-1 Krümmer, 87er Kolbenringe,

Getriebe: 1500er Typ 3 Getriebe

Fahrwerk: Vorderachse um 4,5 Zoll gekürzt, Achsschenkel umgebaut, KYB-Stoßdämpfer, einstellbare Federteller, Hinterachse auf gerade Achse umgebaut

Bremsen: vorne Umbau auf Typ 3, Stahlflexleitungen

Räder: 15 Zoll Stahlfelgen, Black Crackle pulverbeschichtet

Reifen: Bridgestone, vorne in 165/50, hinten in 185/55

Karosserie: teilrestauriert, Lackierung abgebeizt, neue Bleche eingeschweißt, Teillackierung in Mangogrün, Unterboden komplett neu lackiert und modifiziert, Radhäuser höher gelegt

Innenraum: Lenkung höhergelegt, Sitzbank höhergelegt und mit Kartoffelsack-Gewebe neu bezogen

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