Der Hochzeits-Crasher – 1973er Audi 100 LS top-restauriert

Superseltene Limousine als Custom-Hochzeitskutsche

Der Hochzeits-Crasher – 1973er Audi 100 LS top-restauriert: Superseltene Limousine als Custom-Hochzeitskutsche
Erstellt am 18. März 2013

„Wenn ich meinen Audi 100 komplett ablasse, dann liegt er mit den Bremsscheiben auf dem Boden!“, grinst Michael Ernhardt, „Viele Leute gucken dann erstmal ´ne Runde komisch, weil Sie den Hintergrund nicht kennen.“ Bis 1974 waren die Bremsscheiben an diesem Modell getriebeseitig verbaut, also anders als heute üblich hinter dem Rad. Läßt man nun den Druck aus dem Bagyard Airride-System mit Bilstein Stoßdämpfern, senkt sich der Wagen bis zum ersten mechanischen Hindernis ab. Und dann liegen die Bremsscheiben mit der Unterkante auf der Straße.

Michael restaurierte den Audi in über 1500 Stunden

Was sich heute so souverän und locker liest, verlangte dem Maschinenschlosser aus dem österreichischen Liezen jede Menge Geduld, Schweiß und Tränen ab. Allzuviele Exemplare sind von dem antiken Modell schließlich nicht mehr unterwegs. Und mit Blendern und Pfuschern hat Michael so seine Erfahrungen machen müssen. Als er den Wagen 2010 kaufte und dann näher unter die Lupe nahm, fand er sich in seinem schlimmsten Albtraum wieder.

Gut geschmiert rostet nicht

Der Vorbesitzer hatte offenbar seine eigenen Vorstellungen des Begriffs „Restauration“ mit einfließen lassen. Die Spaltmaße zwischen Motorhaube, Kotflügel und Tür erinnerten an eine schlecht gefaltete Pappschachtel. Korrosion war bei den 100ern ein leider weit verbreitetes Thema, entsprechend abenteuerlich wurde sie zumeist beseitigt. Michaels Favorit (im negativen Sinne) bei der Behebung von haarsträubendem Reparaturpfusch ist Seilfett, welches mit Unterbodenschutz übergepinselt wurde. „Das ist der blanke Horror zum entfernen“, rauft er sich noch heute die Haare.

Nachdem diese brisante Mischung aus den letzten Winkeln des totalzerlegten Audi herausgepult war, schweißten Michael, seine damalige Verlobte (und heutige Ehefrau) Martina zusammen mit guten Freunden (denen man zwar in der Werbung ein Küßchen gibt, in vorliegendem Fall aber lieber ein Schweißgerät) etliche Löcher zu, cleanten den Motorraum und brachten klaffende Löcher und Spalte mit Zinn wieder in Form. Angesichts des Preises von über 1.000 Euro für einen Kotflügel war die Motivation groß, mit vorhandenem Material zu arbeiten.

Damit werden nicht nur die Haare schön

Auch die Innenausstattung war dermaßen verwarzt, dass selbst der erfolgversprechende Dampstrahler diesmal machlos blieb. Also griffen Michael und Martina zu „Trick 17“ aus einem Internetforum, kauften 21 Flaschen Haarfärbemittel und verwandelten den Formteppich in einen neuwertigen, tiefschwarzen Bodenbelag. Gewußt wie.

Nachdem Michael die Baumarkt-Sitzbezüge entfernt hatte, quoll das Polstermaterial durch faustgroße Löcher im Originalsitz. Warum sollte es denn auch besser sein, als beim Rest?! Bei den „Type 2 Detectives“ holte sich der Audi-Fan etwas Inspiration in Sachen Sitzdesign und ließ den Sattler mit reichlich braunem Kunstleder und der Nähmaschine eine 70er Jahre „Fat Biscuit“ Optik nachnähen.

Wie spät ist es? 1 bar

Beim Armaturenbrett fand Michael ein gebrauchtes, neuwertiges Teil und konnte so das zerstückelte, originale der Entsorgung zuführen. Die Druckanzeige fürs Airride baute er in die originale Uhr, so merkt nur der Insider dass die angezeigte Uhrzeit nie stimmt.

Das Fahrwerk ist eine Einzelanfertigung und legt den Wagen (nach etwas Hirnschmalz-Einsatz) bei Null Bar gute 20 Zentimeter tiefer. Zu der kantigen Karosserie suchte Michael nach auffälligen Felgen mit einer klaren, eindeutigen Form und fand seine Traumräder in 7x17 Zoll messenden BRM Speedwell Replikas. Der originale Audi-Lochkreis war jedoch 4x140, während die Räder ein Schraubenloch mehr und einen 112er Lochkreis hatten. Was tun, sprach Zeus?

Was nicht passt, wird passend gemacht

Da präzisionsgefertigte Metallteile für Michael das tägliche Brot bedeuten, baute er sich für die Vorderachse neue Aufnahmen mit den neuen Maßen und bohrte die hinteren Trommeln um. Schon paßten die mit 185/35er, bzw. 205/40er Nankang- und Falken-Gummis besohlten Felgen an den Audi...

Auch der Motor dürstete nach einer Revision. Das 1.8 Liter Triebwerk erhielt neue Kurbelwellen- und Pleuellagerschalen, sämtliche Ringe, Dichtungen und Lagerungen kamen neu. Gehärtete Ventilsitze machen den problemlosen Einsatz von bleifreiem Benzin möglich. Der komplette Block wurde neu gehont. Das Aggregat erhielt eine „Dusche“ mit einem Sandstrahl und erstrahlt dank hitzefestem „Black Crackle“ Lack von Harley Davidson und polierten Akzenten in neuem Glanz. Motorhalterungen sowie die Ölwanne wurden auf Hochglanz poliert.

Der Motor ist eine Augenweide

Als „sauteuer“ und trotzdem mangelhaft hat Michael die Doppelvergaser der seltenen 115PS-Version des Audi 100 Coupé S in Erinnerung. Die ganze Anlage wurde zerlegt und über fünf Stunden in diversen Reinigungsflüssigkeiten eingeweicht.

Sämtliche Dichtungen wurden erneuert, das Gestänge gestrahlt und verzinkt und zum Abschluß ebenfalls in Black Crackle lackiert. Die Abgasanlage nebst 4-2-1-Fächerkrümmer ist aus Edelstahl-Komponenten selbstgeschweißt. Ein Motorradschalldämpfer bemüht sich, die gröbsten Geräusche aus dem recht kernigen Gesamtklang herauszufiltern.

Pünktlich zur Hochzeit von Michael und Martina 2012 wurde der Wagen fertig. Wo andere Brautpaare sich in einer weißen Pferdekutsche vor die Kirche fahren lassen, stiegen die beiden Autofans stilecht aus ihrem bermudagrünen, custom-restaurierten Audi 100.

Von soviel Schönheit geblendet (und durch Rauschmittel benebelt) krachte ein Mopedfahrer drei Tage nach Fertigstellung des Wagens in den rechten Kotflügel. Und das nur zwei Tage vor der geplanten Jungfernfahrt an den Wörthersee. Er ist eben doch ein echter „Crasher“.



Text & Fotos: Igor Vucinic

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VAU-MAX kompakt

Fahrzeugtyp: Audi 100 LS C1

Baujahr: 1973

Motor: 1.8 Liter Vierzylinder, Kolbenringe, Kurbelwellenlager und Pleuellagerschalen erneuert, sämtliche Dichtungen neu, gehärtete Ventilsitze, Block gehont, 1971er Audi Coupé S Doppelvergaser (revidiert), offene Luftfilter, Powerspark Zündung, Motor und Anbauteile sandgestrahlt und in black crackle von Harley Davidson lackiert, Motorhalter und Ölwanne poliert, Motorraum gecleant, 115 PS

Auspuff: Eigenbau Edelstahl Komplettauspuffanlage inkl. Fächerkrümmer

Kraftübertragung: original 4-Gang-Getriebe überholt und lackiert, Antriebswellen auf 5x112er Aufnahme umgearbeitet

Räder: BRM Speedwell Repliken in 7x17 ET40

Reifen: 185/35 R17 Nankang-Reifen vorne und 205/40 R17 Falken-Reifen hinten

Bremsen: original, hintere Trommeln auf 5x112er Lochkreis umgebohrt

Fahrwerk: Bagyard Airride mit Bilstein Stoßdämpfern, Hinterachse modifiziert

Karosserie: Komplettrestauration, viele Chromteile erneuert, neue Dichtungen, original französische gelbe Scheinwerfer, Tank mit Echtcarbon laminiert (18 Schichten Klarlack), Unterbodenschutz und Anti-Dröhn-Masse aufgetragen, Stoßstangen clean, Neulackierung in Bermudagrün L64Z

Innenraum: Armaturenbrett erneuert, Airride-Druckanzeige in Analoguhr versteckt, Teppich mit Haarfärbemittel schwarz getönt, Verkleidungen, Sitze und Rückbank mit Kunstleder im „Fat Biscuit“-Look neu aufgepolstert, Himmel erneuert, NASCAR-Netz im Kofferraum

ICE: LG MP3-Radio im Handschuhfach versteckt, Mono-Lautsprecher

Dank an: alle, die geholfen haben, VDKF, Low Familia, Watercooled Customs, King of Style

54 Bilder Fotostrecke | 1973er Audi 100 LS top-restauriert - Der Hochzeits-Crasher: Superseltene Limousine als Custom-Hochzeitskutsche #01 #02

2 Kommentare

  • Audi-RS4

    Audi-RS4

    Die Linienführung der Karosserie ist auch heute noch traumhaft schön
  • www.VW-Skoda.de

    Www.VW-Skoda.de

    Sehr schick, extrem auffallend ist der Höhenunterschied auf dem letzten Bild zw den beiden Auto´s. Der wirkt der org. Hohe wie ein Geländewagen

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