Motorsport der Zukunft

Rettet der E-Motor die Verbrenner im Motorsport?

Motorsport der Zukunft: Rettet der E-Motor die Verbrenner im Motorsport?
Erstellt am 9. März 2023

Die Hybridtechnik steht mächtig unter Druck, denn immer mehr Kunden steigen vom Verbrenner direkt auf das Elektroauto um. Für den Motorsport könnte die hybride Teilelektrifizierung jedoch die lang erwartete Rettung sein. Rein elektrischer Motorsport – da sieht es aktuell noch recht düster aus. Da ist die Formel E in ihrer mittlerweile neunten Saison, die den Durchbruch beim Publikum in den meisten Ländern nach wie vor nicht geschafft hat. Kritiker sind der festen Überzeugung, dass die Formel E trotz neuester Rennwagen der dritten Elektrogeneration, exzellenter Rennfahrer und ansprechender Streckenlokalitäten in aller Welt den Sprung ins Herz der Motorsportfans niemals schaffen wird. Doch man täte der Formel E unrecht, sie komplett zu verdammen, denn gerade im Vergleich zur elektrischen Schwesterserie Extreme E begeistert sie geradezu die Massen. Abseits dieser beiden Serien gibt es nicht viel, was sich um den Strom dreht und auch wenn Audi versucht, die prestigeträchtige Rallye Dakar mit einem Elektromodell nebst Range Extender zu gewinnen, sieht es auch beim elektrischen Motorsport abseits befestigter Rennpisten schwierig aus.

Derzeit kaum anzunehmen, dass in den kommenden Jahren nennenswert eine rein elektrische Rennserie den internationalen Durchbruch schaffen kann. Kein Wunder, dass viele erst einmal den halben Schritt gehen wollen und auf Hybriden setzen. Damit folgt der Rennsport den Alltagsautos, denn auch hier setzten viele Marken weltweit erst einmal auf Hybriden. Gerade die asiatischen Hersteller – allen voran Toyota – machte die Hybridtechnik vor 25 Jahren hoffähig. Mit einem Prius der ersten Generation, der so gar nichts mit sportlichen Fahrleistungen zu tun haben wollte, sondern den Realverbrauch bei gemäßigten Geschwindigkeiten auf ein Minimum reduzieren sollte, machte Toyota den teilelektrischen Antrieb hoffähig.

Mittlerweile haben viele der etablierten Autohersteller Hybridmodelle im Angebot – bevorzugt mit Stecker als Plug-in-Hybriden, die in ihren neuesten Generationen Dank größerer Akkus rein elektrisch Reichweiten von 100 Kilometern oder mehr schaffen und so gerade im Cityfahrbetrieb als reine E-Modelle genutzt werden können. Beste Beispiele sind die neuen Generationen von BMW X5 / X6 / 7er, Mercedes C-Klasse / GLE oder auch Audi A6 / A8 / Q8.

Doch es geht auch anders. Opel versucht seine neuen GSE-Varianten von Astra oder Grandland ohne nennenswerten Leistungszuwachs als Sportversionen zu positionieren, Peugeot bietet seinen stärksten 508 allein als 265 kW / 360 PS starken PHEV-Hybriden mit Allradantrieb an. BMW geht mit seinem polarisierenden Luxus-SUV XM noch einen Schritt weiter. Der dynamische Bruder des BMW X7 wird wahlweise mit 480 kW / 653 PS oder als XM Red Label mit 550 kW / 748 PS angeboten. Bei beiden wird der 4,4 Liter große V8-Doppelturbo von einem leistungsstarken Elektromotor unterstützt, der entweder für Zusatzschub sorgt oder den mehr als 2,5 Tonnen schweren Allradkoloss rein elektrisch antreibt.

Auch Mercedes setzt bei allein EQ-Modellen nach wie vor auf Plug-in-Hybriden. Mindestens genauso imposant wie polarisierend: der Mercedes AMG C63, dessen vier Liter großer Achtzylinder von einem schmalen Vierzylinder ersetzt wurde. Für die nötige Zusatzleistung sorgt ein Elektromotor, der die Gesamtleistung auf 500 kW / 680 PS schraubt. Die Technik für diese Hochleistungsmotoren stammt zumeist aus dem Motorsport und hier blicken in diesem Jahr viele auf die neuen Prototypen in den Rennserien WEC (World Endurance Championship) und IMSA (International Motor Sports Association), die die Hybridtechnik auf Weltklasseniveau bezahlbar für Hersteller und begehrlich für Zuschauer machen sollen.

Nach verschiedenen Hybridversuchen gibt es weltweit nunmehr einen großen Hoffnungsträger und der lautet die LMDh. Nachdem die einst so imageträchtige WEC mit dem Saisonhöhepunkt Le Mans in den vergangenen Jahren aufgrund fehlenden Wettbewerbs an Interesse verloren hat, soll nunmehr alles anders werden. Jahrelang hatte Audi die ehemalige LMP1-Klasse der Prototypen und die 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen und damit Rennsporttechnik wie Benzindirekteinspritzung oder Hochleistungs-Dieselantriebe zur Serienreife gebracht. Den Ingolstädtern folgten Mehrfachsiege von Porsche und Toyota, die ebenfalls auf Hybridpower auf technischen Formel-1-Niveau setzten. Dabei wurde die Rennserie im Laufe der Jahre so teuer, dass dem jeweils übermächtigen Hersteller die Konkurrenz ausging.

Das soll sich nunmehr ändern, denn die neue LMDh-Rennserie sollte mit bezahlbarer Technik nicht nur neue Hersteller auf die Rennsportbühne zurückholen, sondern auch dem Publikum zeigen, dass die Hybridtechnik etwas für die heimische Garage ist. Effizienz und Dynamik Hand in Hand. Bereits beim ersten Rennen der Saison, den 24 Stunden von Daytona Ende Januar, war das Interesse größer denn je. Hier hatten die ersten Boliden ihren großen Auftritt in der neuen LMDh-Klasse, die in Europa, den USA und Asien gleichermaßen ein Volltreffer werden soll. Porsche und BMW, Dank ihrer Hybrid-Prototypen mit großen Erwartungen beim Saisonauftakt gestartet, hatten jedoch keine Chance gegen Honda mit ihrem Acura ARX-06, der einen Doppelsieg vor drei Cadillac V-LMDh feierte. Bei den nächsten Rennen soll es für Porsche 963 und den BMW M Hybrid V8 besser laufen.

Die Technik in der LMDh-Klasse der amerikanischen IMSA-Serie ist identisch mit der in der WEC-Klasse. Die mindestens 1.030 Kilogramm schweren Powerhybriden haben eine Gesamtleistung von maximal 500 kW / 680 PS und dürfen nach der aktuellen Einstufung pro Fahretappe (Stint) einen Energiefluss von 920 Megajoule haben und beim Nachtanken dürfen 23 Megajoule pro Sekunde nachfließen. Hört sich kompliziert an, lässt den Herstellern aber alle Möglichkeiten. So wird der V-LMDh von Cadillacs neuem LMC55R-5,5-Liter-V8 angetrieben, der mit dem LMDh-Hybridsystem gekoppelt ist. Der von Cadillac selbst entwickelte Saugmotor leistet laut Serienspezifikation bis zu 670 PS und wird von einem sequenziellen Siebengang-Getriebe unterstützt. Rory Harvey, Global Vice President von Cadillac: „Während Cadillac auf eine vollelektrische Zukunft hinarbeitet, unterstreicht der neue V-LMDh unser Engagement bei der Erforschung neuer fortschrittlicher Leistungstechnologien.“

Etwas anders sieht das Konzept des Daytona-Siegers Honda mit ihrem Acura ARX-06 aus. Die Hybrid-Antriebseinheit basiert auf dem Acura AR24e Verbrennungsmotor, einem maßgeschneiderten 2,4-Liter-Renn-V6 mit Doppelturboaufladung und Direkteinspritzung. Das V6-Triebwerk ist der kleinste Verbrennungsmotor, den HPD für Langstreckenrennen entwickelt hat – trotzdem leistet auch er die bis zu 500 kW / 680 PS der Konkurrenten. „HPD kann auf eine 30jährige Geschichte von Rennsiegen und Meisterschaften zurückblicken", sagt David Salters, technischer Direktor von HPD, „wir fahren Rennen, wir entwickeln unsere Ingenieure und Technologien durch den Rennsport.“ Ein Problem: die Fahrzeuge haben neben dem leistungsstarken Hauptantrieb nur ein vergleichsweise kleines Elektromotor. Der Einheitsmotor aus dem Hause Bosch steuert schmale 50 kW / 68 PS als Boost bei. Wichtiger ist dabei die Rekuperation, mit der die hybriderfahrenen Piloten die Bremsleistung ins Akkupaket zurückholen.

Auch wenn es für die Hybriden bald zum 12-Stunden-Rennen nach Sebring gehen wird, schauen bereits jetzt fast alle nach Le Mans, wo am 10./11. Juni mit den 24 Stunden der Saisonhöhepunkt stattfindet. In der Hyperklasse – bestehend aus der LMDh-Serie und den Hypercars der WEC - starten in diesem Jahr 16 Fahrzeuge – so viel wie seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr. Vorjahressieger und Favorit Toyota wird nicht nur von vier Porsche 963 sowie zwei Ferrari 499 P, sondern auch zwei Peugeot 9X8 sowie den Kleinserienherstellern Glickenhaus und Vanwall gejagt. Genau rechtzeitig zum 100jährigen Jubiläum des Le-Mans-Rennens hält die Elektrifizierung als Zukunftstechnologie auf breiter Front Einzug. Im nächsten Jahr wird es mit weiteren Startern im LMDh-Feld noch bunter; dann bringen unter anderem BMW und Lamborghini weitere Fahrzeuge an den Start, die aktuell noch warten oder nur in der amerikanischen IMSA starten. Es könnte der Durchbruch für die Hybridtechnologie im Rennsport sein, die sich auch auf andere Rennserien herunter bis zum Breitensport seinen Weg bahnt.

Stefan Grundhoff; press-inform

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