Brennstoffzelle unternimmt den nächsten Versuch

Die Vorteile der Brennstoffzelle liegen auf der Hand

Brennstoffzelle unternimmt den nächsten Versuch: Die Vorteile der Brennstoffzelle liegen auf der Hand
Erstellt am 1. Dezember 2020

Mit dem neuen Mirai hat Toyota jüngst das bisher interessanteste und modernste Brennstoffzellenauto vorgestellt, Marktstart im Frühjahr 2021. Doch nicht nur weil sich viele Massenhersteller mittlerweile vom Wasserstoffantrieb verabschiedet haben, dürfte die Zukunft eher bei Nutzfahrzeugen zu suchen sein. Die zweite Generation des Toyota Mirai sieht klasse aus. Elegante Coupélimousine mit 4,98 Metern Länge auf Audi-A7-Niveau, gelungenen Proportionen und 20-Zöllern. „Wir haben das Auto konzipiert, weil die Menschen es wegen seiner Leistung und seines Aussehens besitzen wollen. Nicht allein, weil es ein FCEV ist“, so Yoshikazu Tanaka, Chefentwickler des neuen Mirai.

Kein Vergleich zum verschrobenen Toyota Mirai der ersten Generation, der vor fünf Jahren mit innovativer Technik, allerdings unattraktiv verpackt, auf die automobile Welt kam. Doch in den vergangenen fünf Jahren ist viel passiert. Zwar ist der Mirai II schöner und besser geworden, schafft nunmehr 650 Kilometer ohne Nachzutanken und einen kleinen Leistungsnachschlag auf 128 kW / 174 PS und 300 Nm gab es auch. Doch mehr denn je setzen die internationalen Autohersteller auf den Elektroantrieb. Neue Abgas- und Verbrauchsvorgaben sind ohne Elektrifizierung gar nicht mehr zu packen und so ist die Brennstoffzelle wieder einmal in die dritte Reihe gerutscht.

Die Vorteile der Brennstoffzelle liegen auf der Hand – seit mehr als zwei Jahrzehnten. Die Probleme sind im Laufe der Entwicklungszyklen dabei immer kleiner geworden. Mittlerweile dampfen die Tanks nicht mehr ab und verlieren beim längeren Parken keine Reichweite mehr. Modelle wie der Toyota Mirai oder Hyundai Nexo können auch bei Minustemperaturen problemlos starten und die Tanks sind mittlerweile so unsichtbar und crashsicher in der Fahrzeugstruktur verbaut, dass Kritikern auch hier die Argumente fehlen. Das größte Problem ist wohl nicht die Infrastruktur, denn die könnte man mit zugegeben gewaltigem Aufwand in den meisten Industrienationen aufbauen. Doch der hohe Entwicklungsdruck in Sachen Elektromobilität beim gleichzeitigen Festhalten an bestens bekannte Verbrenner ist das eigentliche Problem.

Kaum ein Hersteller hat genügend Spielgeld, auf allen drei Bühnen in Bestbesetzung zu tanzen. Diesel und Benziner werden bereits zurückgefahren, die Fertigung der Elektroautos ausgebaut und da steht die Brennstoffzelle wieder einmal hinten an. Daran ändert auch nichts, dass gerade die asiatischen Massenkonzerne Toyota und Hyundai an ihr weiterhin festhalten.

Während Pkw mit einem Brennstoffzellenantrieb in den nächsten 10 bis 15 Jahren kaum eine nennenswerte Marktdurchdringung erfahren werden, sieht das bei den Lastwagen durchaus anders aus. Allerdings ist die Größe der Wasserstofftanks unverändert ein Thema. Denn je schwerer der Lkw, desto größer und damit schwerer sind die Behälter, was wiederum zur Reduzierung der Nutzlast und des Nutzvolumens führt. Entscheidend für den Erfolg des Brennstoffzellen-Lkws ist demnach die zukünftige Entwicklung der Energieträgerpreise, insbesondere für Wasserstoff, Erdgas und Diesel sowie das Ambitionsniveau beim Klimaschutz.

Diese werden in nicht unerheblichem Maße durch Steuern und Abgaben beeinflusst, heißt es in einer Studie des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Ein nennenswerter Nachteil sind nicht nur die Kosten, sondern auch die Größe der Tanks nebst entsprechender Reichweite. Während ein 40-Tonner mit konventionellem Antrieb eine Reichweite von rund 2.500 Kilometern hat, müsste ein Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Lkw mit gleichem Tankvolumen bereits nach rund 400 Kilometern an die Zapfsäule. Das ist nicht allein für die so kostensensitiven Spediteure ein Ausschlusskriterium. Immer wieder wird diskutiert, Busse des öffentlichen Personennahverkehrs mit einem Brennstoffzellenantrieb auszustatten. Die täglichen Fahrstrecken sind nicht allzu lang, es kann auf dem Betriebshof problemlos nachgetankt werden und die Tanks finden auf dem Dach oder im Unterflurbereich Platz, ohne dass der Raum zur Personenbeförderung zu sehr einschränkt werden muss. In den Bussen des portugiesischen Herstellers Caetano Bus ist zum Beispiel die Brennstoffzelle des Toyota Mirai verbaut.

Bei den Lkw wird mit Hochdruck an Lösungen für diese Probleme gearbeitet und bald dürften Ergebnisse den Weg zu einem kostengünstigeren Antriebsstrang weisen, um so die Wirtschaftlichkeit des Gütertransports auf der Straße zu gewährleisten. Die Brennstoffzelle könnte ein wichtiger Stellhebel werden, um auch bei den Lkws die Schadstoffemissionen gegen null zu drücken. Das hat auch China erkannt und die Förderung von Brennstoffzellen zum ersten Mal offiziell in ihre nationalen Entwicklungspläne aufgenommen. Auch Toyota hat die Zeichen der Zeit erkannt und beteiligt sich mit fünf weiteren Unternehmen – darunter China FAW Corporation und die Dongfeng Motor Corporation – an einem neuen Joint Venture namens United Fuel Cell System R&D.

Allerdings herrscht bei der Brennstoffzellentechnik im Nutzfahrzeugbereich einiges an Nachholbedarf. Experten gehen davon aus, dass die Lkw-Energiespender denen, die in Pkws ihren Dienst tun, in der Entwicklung um mehrere Jahre hinterherhinken. Toyota entwickelt gemeinsam mit dem japanischen Nutzfahrzeughersteller Hino Motors einen Brennstoffzellen-Lkw, der eine Reichweite von 600 Kilometern haben soll. Das knapp zwölf Meter lange Nutzfahrzeug basiert auf dem Hino Profia und hat ein Gesamtgewicht von 25 Tonnen. Aufwendiger Leichtbau soll die Lademöglichkeiten und das Ladevolumen erhöhen. Der Antriebsstrang mit zwei Brennstoffzellen-Stacks stammt aus der ersten Mirai-Generation und wird für den Einsatz im Lkw hochskaliert. So profitieren auch die Dickschiffe vom Forschungsvorsprung bei den Pkw.

Um den Entwicklungsstände deutlich anzunähern arbeiten Toyota und die Nutzfahrzeugtochter Hino gemeinsam an elektrifizierten Lösungen. Ab Frühjahr 2022 sollen die ersten Brennstoffzellen-Lkw in einen Praxistest starten. Im Vergleich zu konventionellen Diesel-Lkw wird erwartet, dass durch den Einsatz der wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge bei einer täglichen Route von 500 Kilometern jährlich etwa 82 Tonnen CO2 eingespart werden.

Jüngst verabschiedete sich Daimler bei den Pkw von der Brennstoffzelle, tat sich jedoch bei den Lastwagen in gleicher Sache mit Volvo Trucks zusammen. Ziel der Daimler Truck AG und Volvo Group ist es, in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts schwere Brennstoffzellen-Nutzfahrzeuge für den anspruchsvollen Fernverkehr in Serie anzubieten. „Die Brennstoffzelle ist eine entscheidende CO2-neutrale Lösung für Lkw im schweren Fernverkehr“, erklärt Martin Daum, Vorsitzender des Vorstands der Daimler Truck AG. In Japan und Korea ist der Wasserstoffantrieb deutlich mehr ein Thema als in Europa oder den USA.

Etwa 70 Prozent der CO2-Emissionen von Nutzfahrzeugen entfallen in Japan auf Lkw und Busse mit einem Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen. Eine kleine Brennstoffzelleninsel hat sich in der Schweiz entwickelt, wo immer wieder Nutzfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb getestet werden. Hyundai will bis zum Jahr 2025 rund 1.600 Brennstoffzellen-Lkws des Modells H2 Xcient über die Straßen rollen lassen. Der Kniff, mit dem die Koreaner den Schweizern die kostspieligen, Wasserstoff-angetriebenen Transporter, deren Reichweite circa 400 Kilometer beträgt, schmackhaft machen will, ist ein ausgetüfteltes Bezahlmodell: Der große Einzelhandelskonzern Coop kauft die Lkw nicht, sondern mietet sie zu einem Kilometerpreis, der dem eines Diesellasters entspricht.

Stefan Grundhoff / Wolfgang Gomoll; press-inform

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