Dieselgate: Händler muss manipulierten Wagen kostenlos gegen Neufahrzeug tauschen

Dieses Urteil könnte Volkswagen in den Bankrott treiben

Dieselgate: Händler muss manipulierten Wagen kostenlos gegen Neufahrzeug tauschen: Dieses Urteil könnte Volkswagen in den Bankrott treiben
Erstellt am 5. Januar 2017

Erstmals hat ein Gericht im VW Abgasskandal in einem Klageverfahren einen Händler zur Nachlieferung eines Neuwagens aus der aktuellen Serienproduktion mit Euro- 6-Norm verurteilt. Der Kläger hat im Gegenzug seinen vom Abgasskandal betroffenen Seat Alhambra zurück zu geben und zwar ohne eine Nutzungsentschädigung bezahlen zu müssen!

Der Kläger erwarb im März 2015 von einem Seat Händler einen Seat Alhambra 2,0 TDI. Nach Aufdeckung des VW Abgasskandal musste der Kläger feststellen, dass in seinem Fahrzeug der Motor EA 189 verbaut ist und das Fahrzeug die Manipulationssoftware enthält. Er forderte deshalb über seine Rechtsanwälte (Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) die Nachlieferung eines neuen, aus der aktuellen Serienproduktion stammenden PKW (Nachfolgemodell). Vom Kaufvertrag wollt er jedoch nicht zurück treten. Dies lehnte der Händler außergerichtlich ab, weshalb Klage erhoben wurde.

Das Landgericht Regensburg hat den Händler nun wie folgt verurteilt:

"Die Beklagtenpartei wird verurteilt, der Klägerpartei ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug Seat Alhambra, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs Seat Alhambra, nachzuliefern."

(Landgericht Regensburg, Urteil vom 04.01.2016, 7 O 967/16, nicht rechtskräftig)

Das heikle an diesem Urteil ist, dass der Kläger das manipulierte Fahrzeug im Tausch gegen das neue Modell zurückgeben muss, jedoch keine Nutzungsentschädigung zu zahlen hat. Für den Kläger bedeutet dies, dass er das Fahrzeug seit dem 15.05.2015 kostenlos gefahren ist.

Das Landgericht Regensburg führt zu der Nutzungsentschädigung aus:

"Nutzungsersatz nach §§ 439 Abs. 4, 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB schuldet der Kläger nicht, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Kaufvertrag um einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 Abs. 1 BGB handelt. Auf solche Verträge ist § 439 Abs. 4 BGB mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen weder herauszugeben sind noch deren Wert zu ersetzen ist (§ 474 Abs. 5 S. 1 BGB)."

Zunächst hält das Landgericht Regensburg fest, dass das manipulierte Fahrzeug mangelhaft ist. Ein Käufer eines solchen Fahrzeugs muss nicht erwarten, dass in dem Fahrzeug eine Software verbaut ist, die den Schadstoffausstoß auf dem Rollenprüfstand optimiert. Anschließend stellt das Gericht fest:

"Der Mangel des Fahrzeugs gibt dem Kläger gem. § 437 Nr. 1 BGB das Recht Nacherfüllung zu verlangen, wobei er grundsätzlich frei wählen kann, ob er die Beseitigung des Mangels oder - wie hier - die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangt."

Der Kläger kann also frei wählen, ob er nachbessern lässt (Teilnahme an dem Rückruf) oder die Neulieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion verlangt, ohne eine Nutzungsentschädigung bezahlen zu müssen. Nach Ansicht des Landgerichts Regensburg liegt keine sogenannte Unmöglichkeit für den Händler vor, weil nach den eigenen AGB des Händlers (es handelt sich um Standard AGB, die der gesamte VW Konzern verwendet) der Käufer eines Fahrzeugs weitgehende Konstruktion- oder Formänderungen ohnehin bei der Lieferung hinnehmen müsste und dies umgekehrt auch für den Verkäufer gelten muss. Die Nachlieferung eines Fahrzeugs aus der Folgeproduktion sei daher möglich, auch wenn das neue Modell eine andere Motorleistung oder sonstige technische Verbesserung aufweist.

Der Händler konnte sich auch nicht darauf berufen, dass die Nachbesserung erheblich kostengünstiger sei als die Lieferung eines neuen Fahrzeuges. Vor allem sei die Nachbesserung im Vergleich zur Nachlieferung für den Kläger erheblich nachteilhafter. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass derzeit noch ungewiss ist, ob das angebotene Softwareupdate nachteilige Folgen haben wird. Zum anderen besteht Unsicherheit darin, ob der Wiederverkaufswert des betroffenen Fahrzeugs beeinträchtigt ist. Der ungewisse Ausgang der Nachbesserung führt nach Ansicht des Landgerichts Regensburg dazu, dass die Nachbesserung in der Form der Teilnahme an dem Rückruf wesentlich nachteilhafter ist als die Nachlieferung eines neuen Fahrzeugs. Außerdem drohe bei einer mangelhaften Nachbesserung eine Verjährung der Gewährleistungsrechte. Das Landgericht Regensburg führt dazu aus:

"Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass bei mangelhafter Nachbesserung nach einer weit verbreiteten Meinung die Verjährung der Gewährleistungsrechte nur dann von neuem beginnt, wenn aus den Umständen anzunehmen ist, dass der Verkäufer den Mangel anerkennt (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB; vgl. auch Palandt/Weidenkaff, BGB, 2016, § 438 Rn. 16a). Das macht die Beklagte ausdrücklich nicht, sondern betont, dass sie das Update nur im Wege der Kulanz zur Verfügung stellt. Dadurch wird das Risiko des Scheiterns der Nachbesserung insofern auf den Käufer verlagert, als dieser seinen Anspruch auf Nachbesserung des Software-Updates möglicherweise im Klagewege durchsetzen muss, und er riskiert, dass seinem dahingehenden Anspruch der Verjährungseinwand entgegen gehalten wird."

Soweit ersichtlich, ist dies bundesweit das erste Urteil eines Gerichts, welches einen Händler zur Nachlieferung eines Fahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion verurteilt, ohne dass der Geschädigte eine Nutzungsentschädigung bezahlen muss. Allein die Dr. Stoll & Sauer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH führt aktuell rund 1000 Klageverfahren gegen Händler und die Volkswagen AG. Zudem vertritt und berät sie mehr als 30.000 Geschädigte im VW Abgasskandal. Aktuell ist das Urteil jedoch noch nichts rechtskräftig, sollte die geschehen dürften die Kosten selbst einen Konzern wie Volkswagen in eine bedrohliche existenzielle Lage bringen, allein in Deutschland über 2,6 Millionen Fahrzeuge betroffen.

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