Wenn wir schreiben, dass dieser VW Käfer zwei (oder gar drei) Menschenleben auf dem Gewissen hat, dann ist das nicht übertrieben. Das, was uns sein Besitzer Are Sletta über die Historie dieser Brezel zu erzählen hatte, war selbst für hartgesottene Journalistenohren nicht ohne Gänsehaut zu verdauen..
1950 war die Welt noch in Ordnung
Es war der August des Jahres 1950. Der vierrädrige Titelheld unserer Story wurde unmittelbar nach seiner Produktion zum schwedischen VW-Importeur Scania-Vabis in Södertälje verfrachtet. Über die ersten sieben Jahre seines Lebens ist wenig bekannt. Man weiß, das er einen Frontal-Unfall gehabt haben muss. Dabei hat sich der damalige Fahrer offenbar schwere Kopfverletzungen zugezogen. Eine Delle oberhalb der Windschutzscheibe, die heute noch sichtbar ist, spricht Bände. Der Schaden wurde leidlich behoben, ehe der Käfer 1958 nach Norwegen verkauft wurde.
Ende der 50er kam die Brezel nach Norwegen
Wer vor 1960 in Norwegen ein neues Auto kaufen wollte, brauchte eine Sondergenehmigung. Da diese nur an Ärzte und andere wichtige Personen ausgegeben wurde, behalf sich der Otto Normalverbraucher eben mit importierten Gebrauchtwagen aus Schweden. Der neue Besitzer fuhr den Wagen in der Zeit von 1959 bis 1975, wo er durchgenudelt in einer Scheune landete.
Zwischendurch forderte die Brezel ihr zweites Opfer. Ich habe den damaligen Besitzer gefunden und besucht, er war inzwischen ein alter Mann, erzählt Are, er hatte den Wagen in den 60er Jahren öfters mal an seinen Vater verliehen. Eines Abends - beim Tanken erlitt sein Vater einen Herzinfarkt und verstarb neben dem Käfer an der Tankstelle, während der Zapfhahn weiter das Benzin in den Tank förderte..
Nach dem Sandstrahlen blieben nur noch Reste vom Käfer übrig
Mit einer leichten Gänsehaut machte sich Are an die Restauration des Wagens, den er im Herbst 2006 gekauft hatte. Nach dem Sandstrahlen konnten wir den Käfer praktisch in Teilen vom Anhänger in die Garage tragen, erinnert er sich an die Anfänge. Die Wiederherstellung umfaßte praktisch einen kompletten Neuaufbau der Karosserie, die Reserveradmulde, die Radhäuser, Warmluftkanäle, Türen, das Heck.. die Liste wäre endlos.
Do-it-yourself Lackierung und eine Nachbehandlung mit Stahlwolle
Ein Käfer aus dem Baujahr 1960 spendete ein Faltdach sowie viele weitere Aufhängungsteile. Nach den Blecharbeiten starteten die Vorbereitungen für die Lackierung. Are erinnert sich: Obwohl inzwischen umlackiert, schimmerte an der Innnenseite der Motorhaube noch die originale Farbe durch. Der Lackierer hat dann eine Probe entnommen und konnte so den exakten Farbton bestimmen: L51 oder einfach nur bordeauxrot. Weil Are immer gern möglichst alles selbst an seinen Projekten erledigt, lackierte er den Käfer an einem Spätsommerabend im Freien ganz allein.
Recycling: 98 Prozent aller Schrauben wurden wiederverwendet
Das Grundkonzept hinter dem Projekt war eine Art Hommage an die alten Rallye-Käfer der 50er und 60er Jahre. Aus diesem Grund wurde der Neulack so lange bearbeitet, bis er wieder alt aussah. Beulen und Kratzer hatte Are genau deswegen nicht restlos beseitigt. Auch das Interieur war nach einmaligem, feuchten durchwischen genau in dem Zustand, den der Norweger so schätzt. Ich wollte mit dem Geruch und dem in die Jahre gekommenen Aussehen die Seele des Innenraums beibehalten, schmunzelt er. Die nachgerüsteten Sicherheitsgurte stammen aus einem Flugzeug der US Air Force und sind über 60 Jahre alt. Rund 98 Prozent der originalen Schrauben, Muttern und Unterlegscheiben konnte er nach einen Angaben übrigens wiederverwenden.
Das seltene Abarth-Kit wurde weiterverwendet
Apropos wiederverwenden: Der Motor ist teilweise ein alter Bekannter. Vor einigen Jahren haben wir Euch Vegard Foseid und seinen blauen Zwitter auf diesen Seiten vorgestellt. Die Besonderheit, das superseltene Abarth-Vergaserkit, hat Vegard an seinen Freund Are verkauft.
Es sitzt nun auf dem überholten Originalmotor von Vegard, der mit einer Okrasa Nockenwelle, 77er Kolben und einer erhöhten Verdichtung aufwarten kann.
Fahrwerksseitig erhielt der Käfer eine Puma Vorderachse und ein Bremsenupdate aus dem Jahr 1960. Die Reifen sind stilechte Firestone Weißwand-Diagonalreifen, an der Vorderachse in der Größe 5.60x15 und hinten 6.40x15 auf originalen Stahlfelgen.
Pünktlich zu Hessisch Oldendorf wurde der Käfer fertig
Sein erstes Roll-Out hatte der Käfer, den Are Moonshine Express getauft hat, wenige Tage vor dem Veteranentreffen in Hessisch Oldendorf 2013 technische Abnahme inklusive. Die letzten Macken wurden erst in der Nacht vor der Fahrt nach Deutschland beseitigt. Dort machten Are und Vegard einen Abstecher zur Petermax Müller Gedächtnisrallye, ehe es sie zum Treffen nach Niedersachsen verschlug.
Und wieso nun Dead man´s ride? - Nun, so der Besitzer, ich wollte den Eigentümer besuchen, mit dem ich zu Beginn des Projekts bereits gesprochen hatte und ihm das fertige Auto zeigen. Dabei erfuhr ich, dass er sich nur wenige Monate nach meinem Besuch erhängt hatte.. Dieses Finale läßt uns das Blut in den Adern gefrieren - Hoffentlich ist es kein böses Omen...
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Technische Daten
Fahrzeugtyp: VW Käfer
Baujahr: 1950
Motor: 1192 cm³, Okrasa Nockenwelle, Kopfbearbeitung, Verdichtung erhöht, Abarth Vergaseranlage, Eberspächer Auspuff
Getriebe: original
Fahrwerk: Puma Vorderachse, Rest original
Bremsen: vom Baujahr 1960
Räder: vorne 4,5x15er Stahlfelgen mit 5.60x15er Firestone Weißwand-Diagonalreifen, hinten 5,5x15er Stahlfelgen mit 6.40x15er Firestone Weißwand-Diagonalreifen
Karosserie: Faltdach aus einem 1960er Käfer eingesetzt, Warmluftkanäle, Front- und Heckbleche erneuert, Türen restauriert, viele Blecharbeiten, Neulackierung in L51 Bordeauxrot, Lack auf alt getrimmt
Innenraum: Original 1950er Interieur, Beckengurte aus einem Flugzeug der US Air Force von 1950
1 Kommentar
Www.VW-Skoda.de
23. September 2014 12:35 (vor über 10 Jahren)
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