Wir leben in einer Zeit, in der selbst Kleinwagen ala Polo GTI & Co locker Geschwindigkeiten jenseits der 200 km/h erreichen. Wir hetzen von Termin zu Termin, ins Fitness-Studio zum Date oder zum abendlichen Geschäftsessen. Wer träumt da nicht davon, wie es früher war. Gemütlicher, beschaulicher, langsamer. Das geeignete Gefährt zur Entschleunigung könnte eine Aaglander Motor-Kutsche sein.
Die Idee zur Fertigung der einer etwas anderen Zeit-Maschine, die Reisende um Generationen zurück versetzt, hatte Roland Belz. Der gebürtige Schwabe ist begeisterter Reiter und Führer eines Pferdegespanns und schon von daher dem etwas gemächlicheren Tempo zugeneigt. Im Januar 2003 gründet der Unternehmer die Aagland-Manufaktur. In den ehemaligen Ökonomiegebäuden von Schloss Kühlenfels entwickelt er eine mechanisch angetriebene Motor-Kutsche die erste seit mehr als einem Jahrhundert.
16 Kuschten wurden bereits gebaut
Unterstützt wird Roland Belz von einem Team von Mitstreitern, darunter Goldschmiede, Elektriker, Schreiner, Kfz-Mechaniker und Ingenieure. Der erste Aaglander feiert auf dem Automobilsalon in Genf im März 2005 seine Weltpremiere. Im Februar 2007 wird die Kutschhalterei ins Leben gerufen. Mittlerweile umfasst ihr Wagenpark 16 mechanisch angetriebene Kutschen.
Die Aaglander-Kuschte ist als 2 und 4-Sitzer lieferbar
Zwei Kutschen-Typen werden in der Manufaktur gefertigt. Das Modell Duc ist ein Zweisitzer, das Modell Mylord bietet vier Reisenden Platz. Beide sind historischen Vorbildern nachempfunden und nehmen in einem absichtlichen und, im besten Wortsinne, ganz offensichtlichen Rückschritt die älteste Karosserieform der Welt wieder auf. Schließlich baute auch Gottlieb Daimler seinen ersten Wagen ohne Pferde im Jahre 1886 als Kutsche mit eingebautem Motor.
20 PS und 3-Zylinder reichen für lässige 20km/h Vmax
Beide Aaglander-Typen werden von einem Dreizylinder-Diesel angetrieben, der es aus 900 ccm Hubraum auf eine Leistung von 20 PS bei 3.200 Umdrehungen bringt. Die Höchstgeschwindigkeit der Kutschen liegt bei maximal 20 km/h, die Diesel-flinke Reisegeschwindigkeit bei fünf bis zehn Kilometer pro Stunde. Ein Tempo, bei dem man während der Reise noch locker Kirschen pflücken kann.
Es geht hier, ausnahmsweise mal, nicht um Vmax eher um Vmin. Beschleunigungswerte sind völlig nebensächlich, der Weg ist das Ziel. Bei Wohlfühl-Geschwindigkeit irgendwo im Grünen, abseits der Autobahnen und ihrer Blechlawinen. Der Weg zur Entdeckung der Langsamkeit darf auch etwas länger sein. Denn mit Kraftstoff gespeist werden die Selbstzünder aus einem 38 Liter fassenden Treibstofftank (acht Liter Reserve). Das langt für eine Weile ohne jegliche Eile.
Bei 20km/h Höchstgeschwindigkeit verzögern vier Scheibenbremsen die Fuhre zuverlässig
Die Kutschen rollen stilecht auf Stahlrädern in Holzspeichenoptik mit Vollgummibereifung. Die skurrilen Gefährte verfügen über einen stufenlosen Antrieb mit Kettenraduntersetzung und Differenzialgetriebe. Vier Scheibenbremsen einer hydraulisch unterstützten Zweikreisbremsanlage verzögern die Fuhre, eine separate Feststellbremse wirkt auf die Hinterräder. Eine Servolenkung mit eigens entwickelter Lenkanlage erlaubt das sichere Führen der Kutsche mit starren Aaglander-Leinen, der eigens entwickelten Lenkung.
Moderne Beleuchtungstechnik ist in historische Laternen integriert. Standlicht, Blinker, Bremslicht alles ist vorhanden. Alle Bauteile sind nach den EU-Richtlinien für Personenkraftwagen geprüft und zugelassen. Ein Aaglander darf mit deutscher Zulassung nach StVZO auch im öffentlichen Straßenverkehr bewegt werden.
Das zweisitzige Modell Duc ist 340 cm lang und 175 cm breit. Bei einem Leergewicht von 1.050 Kilo bietet der Duc 200 Kilogramm Zuladung. Der Mylord ist für vier Erwachsene und zwei Kinder zugelassen. Er ist 406 cm lang und, ebenso wie der Duc, 175 cm breit. Leer wiegt die Motorkutsche 1.250 Kilogramm, bis zum Erreichen des zulässigen Gesamtgewichts verbleiben 400 Kilogramm. Der kleinere Duc kostet 89.000 Euro, für den Mylord werden 99.000 Euro aufgerufen. Kein Billiger Spaß, aber wer will kann sich diese Motorkutschen auch ausleihen und damit eine kleine Zeitreise unternehmen.
Wer mit einem Aaglander reisen will, kann das aber auch etwas günstiger haben. Eine etwa dreistündige Privat-Partie auf ausgewählten Routen gibt es, mit oder ohne Leinenführer, für 135 Euro pro Person. Eine fünfstündige Tour kostet 185 Euro.
Infos: www.aaglander.de
1 Kommentar
Rasender-roland
24. August 2010 14:35 (vor über 14 Jahren)
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