Hans-Joachim “Striezel“ Stuck im VAU-Max.de Interview zum 24h-Rennen auf dem Nürburgring

Der König der Nordschleife plaudert aus dem Nähkästchen

Hans-Joachim “Striezel“ Stuck im VAU-Max.de Interview zum 24h-Rennen auf dem Nürburgring: Der König der Nordschleife plaudert aus dem Nähkästchen
Erstellt am 23. April 2009

Die grüne Hölle wirft wieder ihre Öfen an! In wenigen Wochen startet das 24h-Rennen am Nürburgring. Aktiv mit dabei Rennfahrerlegende Hans-Joachim „Striezel“ Stuck - Repräsentant des Volkswagen Konzerns für den Bereich Motorsport. Vau-Max.de unterhielt sich im Vorfeld über die Chancen des Renn-Scirocco und darüber worin für einen alten Hasen wie “Striezel“ auch die Faszination Nordschleife liegt.

Vau-Max.de: Für einen Rennfahrer haben Sie eine beachtliche Körperlänge. Wie kommen Sie damit in einem engen Renncockpit zurecht?



Stuck:
Das ging früher sehr gut. Kompliziert wurde es, als die Benzin-Tanks in der Formel-1 von der Seite nach Hinten verlegt wurden. Bei den Tourenwagen hat man aber Platz wie in einem normalen Serienfahrzeug.

Vau-Max.de: Worauf freuen Sie sich beim kommenden 24h-Rennen am meisten?



Stuck: Da muss ich ganz klar sagen: Dass ich wieder dabei bin. Ich freue mich auf das Team und die Aufgabe. Carlos Sainz ist eine Hausnummer. Mit ihm und dem Rest des Teams zu fahren ist großartig und eine gigantische Herausforderung.

Vau-Max.de: Nach so vielen Jahren Routine auf der Nordschleife: Gibt es einen besonderen Aspekt, auf den Sie sich jedes Jahr wieder freuen?



Stuck: Die Nordschleife ist immer etwas Besonderes. Sie verändert sich von Jahr zu Jahr. Als Beispiel nenne ich den Asphalt. Durch die vielen verschiedenen Witterungsbedingungen des Jahres ist er jedesmal anders beschaffen. Außerdem gibt es nie eine freie Runde. Ständig ist man im Kampf mit den Konkurrenten. Immerhin starten 220 Autos in unterschiedlichen Klassen beim Rennen auf der Nordschleife. Beim 24-Stundenrennen kommt dann aber auch noch das Wetter als zusätzlicher Gegner. Es ist also ein Kampf mit Wetter und Konkurrenten. Nachts steigt dann das Risko. Ganz wichtig ist, dass man Demut haben muss. Bevor Du überholst, musst Du Dir zu 100 Prozent sicher sein, dass dich der Konkurrent sieht.

"Die schönste und zugleich schwierigste Rennstrecke der Welt."

Vau-Max.de: Der Nürburgring wird im Jargon auch „Grüne Hölle“ genannt. Ist dieser Spitzname der Rennstrecke berechtigt? Warum?



Stuck:
Auf jeden Fall. Es ist die schönste und zugleich schwierigste Rennstrecke der Welt. Topografisch, also landschaftlich ist alles vorhanden. Sprunghügel, Bergkuppen – der Nürburgring ist wie ein Karussell. So wird übrigens auch eine Kurve genannt. Aufgrund der Gegebenheiten gibt es wenig Auslaufzonen. Das ist jedoch nicht so gefährlich, wie viele annehmen. Die Leitplanken stehen in einem guten Abstand zur Strecke. Daher gibt es bessere Winkel bei einem Einschlag.

Vau-Max.de: Als 19-Jähriger haben Sie die Erstausgabe des 24-Stunden-Rennens am Nürburgring gewonnen. Wie blicken Sie heute auf diesen Erfolg zurück?



Stuck: Das war 1970. Wenn man jetzt überlegt, was in den vergangenen Jahren passiert ist, ist es toll, dass ich noch dabei bin. Die Entwicklung ist wahnsinnig vorangegangen. Das gilt sogar für die Ernährung während des Rennens. Früher haben wir Cola und Fritten gegessen. Heute ist das kaum denkbar. Aber als Veteran mit dabei zu sein, ist eine coole Sache.

Vau-Max.de: Welches Ereignis auf der Nordschleife hat Sie seit 1970 am meisten berührt?



Stuck: Das war ganz klar der Lauda-Unfall. Ich war damals dabei und habe mit die Erstversorgung gemacht und das Fahrerfeld auf der Strecke aufgehalten. Niki und ich sind heute in gutem Kontakt. Wir moderieren beide für das Fernsehen, sehen uns beim Skifahren. Er ist ein guter Freund.

Vau-Max.de: Wie, mit welcher Taktik, sollte man das Rennen fahren, um vorne dabei zu sein?



Stuck: Beim Langstreckenrennen ist Eines ganz klar: Es geht um vorsichtiges Fahren. Die Strecke ist unglaublich materialmordend. Das Rennen wird nicht alleine mit Speed gewonnen. Beim Überholen wartet man lieber mal zehn Sekunden auf den richtigen Moment. Dadurch wird weniger Zeit verloren, als wenn ein größerer Schaden an der Box repariert werden muss. Es werden so viele Dinge im Rennen entschieden. Aber Teamwork ist am wichtigsten. Es darf kein Ego geben. Es gibt Spezialisten für jeden Bereich und alle müssen hundertprozentig ihren Job machen.

"Man manchmal voll in die Eisen steigen!"

Vau-Max.de: Welcher Streckenabschnitt ist Ihrer Meinung nach am gefährlichsten? Warum?



Stuck: Es ist der Streckenabschnitt vom Bergwerk zum Karussell. Hier gibt es sehr hohe Geschwindigkeitsunterschiede aufgrund der verschiedenen Fahrzeugklassen von bis zu 100 km/h in den Bergauf-Passagen und viele unübersichtliche Kurven. Wenn wir mit Tempo 280 auf langsame Autos auflaufen, muss man manchmal voll in die Eisen steigen, damit man die nicht trifft.

Vau-Max.de: Haben Sie heute noch bestimmte Kurven auf dem Ring, die Ihnen Respekt einflößen, die nach wie vor schwer sind, optimal zu fahren wie beispielsweise die „Eau Rouge“ in Spa?



Stuck: Speziell nicht, aber man darf nie den Respekt verlieren. Der Ring ist eine große Falle. Wenn man dort übermütig wird, ist ein Abflug garantiert. Mein Unfall zum Beispiel, war mein Fehler.



Vau-Max.de: An welcher Stelle der Rennstrecke machen sich die guten beziehungsweise schlechten Qualitäten eines Fahrzeugs besonders bemerkbar?



Stuck:
Auf jeden Fall auf den Bergab-Stücken. Das Auto wird schneller und die Bremsbelastungen steigen immens. Auf Abschnitten wie der Fuchsröhre und von Hoher Acht bis zum Pflanzgarten wirken richtig Flieg-Kräfte auf dem Auto. Die auftretenden Seitenführungskräfte steigen bis auf 3,5 G, also das dreieinhalbfache des eigenen Körpergewichts. In den Senken wird das Auto brutal zusammengestaucht.

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... mit dem Hans-Joachim Stuck Interview auf Seite 2.


Vau-Max.de: Was raten Sie, als alter Hase, jungen Rennpiloten, die zum ersten- beziehungsweise zweiten Mal am 24-Stunden-Rennen teilnehmen?



Stuck: Was man für das Rennen braucht, ist Erfahrung. Ich würde empfehlen, umsichtig zu fahren, sich bei Überholmanövern nicht mit Gewalt irgendwo reinpressen. Das Ankommen ist wichtig. Dazu braucht man eine gute Fitness, Kondition, Konzentration und die richtige Ernährung. Von einem deftigen Frühstück würde ich abraten, denn es gibt viele heftige Bodenwellen. Darum trinke ich beispielsweise morgens keine Milch beim Rennen. Vorher schlau machen hilft weiter. Ganz wichtig ist es, viel zu trinken, Mineralien mit Getränken aufzubauen. Ich habe alles durchgemacht. Meine Erfahrung ist, sich so zu ernähren wie immer, ganz normal. Und während des Rennens esse ich relativ wenig. Ein paar Nudeln sind gut.

"Seit 39 Jahren ist Sicherheit ein Thema."

Vau-Max.de: Was hat sich seit 1970 an diesem Renn-Event verändert? Wo wurde etwas ihrer Meinung nach verbessert? Wo hätte es so bleiben müssen, wie es mal war?



Stuck: Seit 39 Jahren ist Sicherheit ein Thema. Das reicht von der Bekleidung über das Material bis hin zur Strecke. So gab es früher Hecken, statt Leitplanken. Eigentlich hat sich alles verbessert. Was mir ein bisschen fehlt, ist die Kameradschaft. Wir Rennfahrer sind härter geworden. Die Konkurrenz ist größer.

Vau-Max.de: Wo können die Zuschauer am besten das Renngeschehen verfolgen? Welcher Streckenabschnitt bietet den spektakulärsten Blick auf das Renngeschehen?



Stuck:
Die Lage des Rings bietet viele Möglichkeiten. Am Schwalbenschwanz ist die VW-Fan-Hospitality. Dort kann man viele Überholmanöver sehen. Ich würde viel in die Boxengasse gehen und gucken. Überall sollte man mal schauen. An der Breitscheidbrücke herrscht tolle Stimmung. Der Nürburgring ist für Zuschauer ein absolutes Paradies.

"Wir spekulieren nicht auf den Gesamtsieg!" - beim Stuck-Familien-Team

Vau-Max.de: 2010 wollen Sie mit Ihren Söhnen beim Rennen in einem Team fahren. Was wird das

Besondere daran sein? Was empfehlen Sie Ihren Junioren zur Vorbereitung?



Stuck: Beim Johannes ist es klar: Er ist schneller als ich. Der Ferdinand wird weiter üben. Wir spekulieren nicht auf den Gesamtsieg, sondern wollen im Mittelfeld fahren und Spaß dabei haben. Es ist ein Traum, wenn wir als Rennfahrer-Dynastie an den Start gehen würden. Das wäre ein guter Moment um aufzuhören.

Vau-Max.de: Wie halten Sie sich privat für das angepeilte Ereignis 2010 fit?



Stuck: Ich glaube, dass ich gut unterwegs bin. Ich habe mich gut in Form gebracht, auch zur Freude meiner Frau bin ich körperlich fit. Ich rauche nicht, trinke nicht und bleibe bei Langstreckenrennen - denn auf die Distanz spielt die Erfahrung eine große Rolle. Man kann damit einiges kompensieren.



Interview: Tim Westermann

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