Fahrbericht zur 659 PS starken Chevrolet Corvette Z06 (2016)

Natürliche Auslese mittels Dampfhammer!

Fahrbericht zur 659 PS starken Chevrolet Corvette Z06 (2016): Natürliche Auslese mittels Dampfhammer!
Erstellt am 4. Juli 2016

Nach einem Ritt auf der wunderschönen Kanonenkugel namens Chevrolet Corvette Z06 hat man auf die harte Tour gelernt, zu welcher Kategorie Fahrer man gehört. Nur die Stärksten überleben, das weiß man seit der Evolotions-Theorie. Und nur die härtesten unter uns Sport-Fahrern zähmen dieses Biest. Dieser Termin ließ selbst das Blut eines erfahrenen Auto-Redakteur in Wallung geraten: Fahr-Event mit der Corcette Z06! Wir hatten die Gelegenheit, das höchste aller Corvette-Gefühle ausgiebig zu bewegen, und diese Chance ließen wir uns natürlich nicht entgehen. Schließlich handelt es sich hierbei um ein Supercar, das sich mit 659 PS und 882 Nm Drehmoment in der absoluten Top-Liga des Automobilbaus bewegt.

Scharf, schärfer, Z06!

Da stand sie nun, die strahlend rote Corvette in der Tiefgarage am Frankfurter Airport. Schon beim Rundgang um das Fahrzeug schleicht sich eine gewisse Ehrfurcht in die Vorfreude. Wo wir es sonst kaum erwarten können, ins Fahrzeug zu springen, lassen wir hier erstmal die Formen der Z06 auf uns wirken. Und die haben es in sich. Die bekannt gelungene Linie des Basismodelles Stingray wird durch verbreiterte Kotflügel, spezielle Designs von Front- und Heckschürze sowie den Heckspoiler nochmals extrem verschärft. Das I-Tüpfelchen setzt das Z07-Performance-Paket, das mit Front-Flaps, dem höhenverstellbaren Heckspoiler und der Carbon-Bremse echtes Renn-Flair verströmt. Und das ist gar nicht mal so weit hergeholt, denn die Z06 teilt sich viele technische Komponenten mit der Rennversion Corvette C7.R.

Aufgeräumt und edel mit einer Prise Ami-Style!

Wir gehen aber erstmal ganz in Ruhe an Bord und lassen das Interieur auf uns wirken. Glücklicherweise sind die Zeiten von knisternder Plastik-Wüste nun endgültig Geschichte. Uns umfängt ein fahrerorientiertes, sehr edel gestaltetes Armaturenbrett, das mit Leder und Alcantara bezogen ist. Alle Nähte sitzen, die Materialien fühlen sich gut an, ohne die Perfektion etwa eines Porsche zu erreichen. Müssen sie aber auch gar nicht. Schließlich ist das hier eine Corvette, die mit Authenzität und Charakter glänzt statt mit steriler Perfektion. Ergonomisch jedenfalls ist alles perfekt angeordnet, das Alcantara-Lenkrad liegt gut in der Hand, ebenso wie der Schaltknüppel des zunächst gefahrenen 7-Gang-Modelles.

Man sitzt sehr bequem in den Performance-Sitzen, die weitenverstellbar sind und somit auch etwas kräftigeren Stauren passen. Das Platzangebot ist erstaunlich geräumig. Als Neuerung für die 2017er Corvette Z06 ist Chevrolets neues MyLink-System mit 8-Zoll-Farb-Touchscreen jetzt mit Android Auto kompatibel. Android Auto ermöglicht eine einfachere, intelligentere Nutzung des Android-Smartphones im Fahrzeug über das Chevrolet-MyLink-Display. Der Fahrer hört seine Lieblingssongs und Playlisten mit Google Play Music™, führt Gespräche und verschickt Nachrichten mittels Freisprechfunktion, navigiert mit Google Maps™ — all das über den im Fahrzeug eingebauten Touchscreen. Das konfigurierbare Display offeriert fünf Settings mit Wetter, Eco, Tour, Sport und Track. Im Performance-Traction-Mode eröffnen sich fünf ESP-Einstellungen.

Mann oder Memme? Hier entscheidet es sich!

Nun aber noch einmal kräftig durchgeatmet und auf den Starterknopf gedrückt. Brüllend erwacht der 6,2 Liter große V8 zum Leben, begleitet vom Fauchen des Kompressors. Nach ein paar Sekunden schließen sich die äußeren Klappen der Auspuffanlage und der V8 säuselt im Leerlauf dezent vor sich hin. Diese Klappen reagieren abhängig vom angesteuerten Fahr-Modus, lassen sich aber auch in der "Track"-Position für durchgängigen Soundgenuss verriegeln. Dann brüllen und wummern die vier dicken, mittig angeordneten Endrohre, die sich in dieser Form auch nur eine Corvette frei von Peinlichkeiten leisten darf, gnadenlos um die Wette. In der geschlossenen Position dämmt die Auspuffanlage das Motorgeräusch zu einem kaum hörbaren Säuseln. Soll sie aber gar nicht, denn wir wollen freudvoll fahren.

Aber bereits bei der Ausfahrt aus dem Parkhaus wird klar, dass dies keine normale Testfahrt wird. Beim kleinsten Gasstoß schießt das Biets derart vorwärts, dass man es kaum glauben mag. Obwohl wir für diese Testfahrt bei unbeständigem Wetter auf die Semi-Slicks des Z07-Paketes verzichteten, winseln die 335 Millimeter breiten Michelin-Hinterreifen bei jeder Gelegenheit um Gnade. Selbst bei 120 km/h und im 5. (!) Gang drehen die dicken Walzen bei Vollgas gnadenlos durch, bei trockener Straße wohlgemerkt. Dabei bricht das Heck auch bei Geradeausfahrt gern abrubt aus, was den Adrenalinspiegel blitzartig in ungesunde Höhen treibt. Dieses Ausbrechen konnten wir bei allen vier zur Verfügung stehenden Fahrzeugen feststellen, und das bereits im "zahmen" Tour-Modus. Das erfordert einen sehr empfindsamen Gasfuß. Aber das hier ist ja auch kein Stadtflitzer, sondern ein Sportgerät für Kenner.

Schalten oder schalten lassen? Eine Glaubensfrage...

Wenn man seinen Gasfuß somit erst einmal eingenordet hat, kann man die brachiale Gewalt dieses Traum-Motors auch endlich genießen. Das Ding hat einfach Kraft in allen Lebenslagen, unabhängig welche der sieben Übersetzungsstufen des manuellen Getriebes gerade eingelegt ist. Und das ist auch gut so, denn das Sortieren der sieben Gänge erfordert erhöhte Konzentration. Gerade im Bereich zwischen den Gängen 4, 5, 6 und 7 erwischt man durch die enge Kulisse gern mal einen falschen Gang. Zudem sind die Betätigungskräfte relativ hoch, was angesichts der zu übertragenden Kräfte im Getriebe aber nicht überrascht.

62 Bilder Fotostrecke | Chevrolet Corvette Z06 im Fahrbericht: Over the Top! Der Dampfhammer unter den Sportwagen! #01 #02 Leichtgängige Filigranität würde von den Urgewalten des Motors einfach zermalmt. Ein manuelles Schaltgetriebe ist für viele Sportfahrer allerdings immer noch das Nonplusultra. Uns hat das 8-Gang-Automatikgetriebe trotzdem viel besser gefallen, weil es blitzschnell schaltet, immer den richtigen Gang parat hat und sich auch manuell durch die Schaltwippen steuern lässt. Bei Vollgas sind keine Schaltpausen spürbar, umso mehr aber der Ruck, der durch den Antriebsstarng geht. Genauso muss das! Nur das beim Schaltgetriebe anwählbare "Rev-Match" - ein gezielter Zwischengasstoß beim Zurückschalten - wurde der Software des Automatikgetriebes vorenthalten, schade eigentlich!

Messerscharfes Fahrverhalten und Komfort auf Knopfdruck!

Auf dem Papier ließ sich die Technik des Fahrwerkes eher simpel. Vorn und hinten übernehmen Querblattfedern aus Verbundmaterial die Federung. Doppelquerlenker aus Aluminium sind für die Radführung verantwortlich. Die simple Technik ist aber keineswegs ein Nachteil, denn so lässt sich beispielsweise die Fahrzeughöhe extrem leicht einstellen, und die daraus resultierende perfekte Achslastverteilung ist ein Garant für bestes Fahrverhalten. Im Zusammenspiel mit der dritten Generation des "Magnetic Selective Ride Control"-Fahrwerkes, das man mittels des Fahrdynamikschalters justieren kann, bietet dieses Setup ein absolut exaktes, spitzes Einlenken, eine weitgehend neutrale Kurvenlage bei umglaublichem Gripniveau sowie einen erstaunlichen Komfort im Tour-Modus. Das ist einfach nur perfekt! Ebenso wie die Carbon-Keramik-Bremsen, die bissig und trotzdem gut dosierbar zupacken. Ihre Leistung ist dabei über jeden Zweifel erhaben.

Spaß kostet ... erstaunlich wenig!

Am Ende kommen wir noch zu einem delikaten Thema, den Kosten. Angesichts der gebotenen Fahrleistungen sind die Preise ab 114.500 Euro ein absolutes Schnäppchen. Selbst mit alles verfügbaren Paketen und Optionen lässt sich der Preis kaum über 150.000 Euro bringen. Viel Geld, aber um diese Fahrleistungen zu bekommen, muss man woanders das zwei- bis dreifache bezahlen. Die Unterhaltskosten sind dagegen angemessen gigantisch. Versicherung und Steuer verschlingen wie bei Supersportlern üblich große Budgets. Und wollen wir wirklich über den Verbrauch reden? Soviel sei gesagt: Derartige Fahrleistungen bekommt man trotz Zylinderabschaltung und Direkteinspritzung nicht geschenkt. Irgendwas zwischen 17 und 23 l/100km geht locker, bei Bedarf auch gern mehr! Beim Cruisen erreicht man auch Werte um 11 l/100 km. Aber interessiert das wirklich jemanden, der sich mit dem Kauf dieses Autos beschäftigt?

Selbst nachdem wir uns über viele hundert Kilometer an dieses Biest gewöhnt haben, fällt der Tritt auf das Gaspedal immer noch etwas schwer. Zu viel Respekt haben wir mittlerweile vor der Urgewalt des Motors. Ein paar Millimeter mehr Gaspedalweg entscheiden hier zwischen Spaß und Ernst. Dieses Auto ist eine echte Herausforderung, der man sich aber gern stellt. Hier heißt es mit allen Sinnen wach sein, wenn man die Leistung spüren will. Und das will man, immer und immer wieder...

Fahrleistungen:

0-100 km/h: 3,4 s (Automatik), 3,8 s (Schaltgetriebe)

1/4 Meile: 10,95 s

Bremsweg 100 km/h- 0: 30,3 m

Vmax: 315 km/h

TECHNISCHE DATEN 2016 CHEVROLET CORVETTE Z06

Übersicht

Modell:

Chevrolet Corvette Z06 Coupé und Cabrio

Karosserievarianten/Antrieb:  

2-türiges Coupé mit abnehmbarer Dachplatte oder 2-türiges Cabrio; Heckantrieb

Konstruktion:

Karosserieteile aus Verbundwerkstoffen und Carbonfaser, hydrogeformter Alurahmen mit Struktur- und Chassisbauteilen aus Aluminium und Magnesium

Herstellungsort:

Bowling Green, Kentucky, USA.

Motor

 LT4 6,2 l V8 mit Kompressor

 

Hubraum (ccm):

 

Bohrung × Hub (mm):

103,25 × 92

Motorblock:

Aluminiumguss

Zylinderkopf:

Aluminiumguss

Ventiltrieb:

OHV, zwei Ventile pro Zylinder

Kraftstoffzufuhr:

Direkteinspritzung

Schmiersystem:

Trockensumpf

Verdichtungsverhältnis:

10:1

Leistung (PS/kW bei U/min):

659/485 bei 6.400

Drehmoment (Nm bei U/min):

881 bei 3.600

   

Empfohlener Kraftstoff:

Superbenzin erforderlich

Kraftstoffverbrauch kombiniert (Schaltgetriebe/Automatikgetriebe)

12,7/14,1  

C02-Emissionen kombiniert (g/km) Schaltgetriebe/Automatikgetriebe

291/322

Getriebe

Typ:

Sieben-Gang-Schaltgetriebe    mit Active Rev Matching

Elektronisch gesteuertes Acht-Gang-Automatikgetriebe mit Overdrive und Drehmomentwandler

Übersetzungsverhältnis   (:1)

 

 

     Erster Gang:

2,29

4,56

     Zweiter Gang:

1,61

2,97

     Dritter Gang:

1,21

2,08

     Vierter Gang:

1,00

1,69

     Fünfter Gang:

0,82

1,27

     Sechster Gang:

0,68

1,00

     Siebter Gang:

0,45

0,85

     Achter Gang:

--

0,65

     Rückwärtsgang:

2,70

3,82

Achsübersetzung:

3,42

2,41

Chassis/Fahrwerk

Vorne:

Doppelquerlenkerachse (SLA), oberer und unterer Querlenker aus Aluminium, quer eingebaute Verbundfeder, Einrohr-Stoßdämpfer

Hinten:

Doppelquerlenkerachse (SLA), oberer und unterer Querlenker aus Aluminium, quer eingebaute Verbundfeder, Einrohr-Stoßdämpfer

Aktives Handling:

Magnetic Selective Ride Control

Traktionskontrolle:

StabiliTrak elektronische Stabilitätskontrolle

Lenkungstyp:

Zahnstangenlenkung mit Servounterstützung und variablem Übersetzungsverhältnis

Lenkübersetzung:

12,0 bis 16,4

Umdrehungen Anschlag zu Anschlag

2,53

Wendekreis

(m):

11,5

Bremsen

Typ:

vorne und hinten Servo-Scheibenbremsen mit zweiteiligen Stahlbremsscheiben; Sechskolben-Festsättel aus Aluminium vorne und Vierkolben-Festsättel aus Aluminium hinten; Carbon-Keramik-Matrix-Bremsscheiben bei der Z07

Bremsscheibendurchmesser    (mm):

Vorne – Z06: 371

Vorne – Z06 und Z07: 394 Hinten – Z06: 365

Hinten – Z06 und Z07: 388

Bremsscheibendicke (mm):

Vorne – Z06: 33

Vorne – Z06 und Z07: 36 Hinten – Z06: 25

Hinten – Z06 und Z07: 33

Räder/Reifen

Radgröße:  

Vorne: 19 Zoll × 10 Zoll

Hinten: 20 Zoll × 12 Zoll

Reifen:

Michelin Pilot Super Sport Run-Flat (Z06)

Michelin Pilot Sport Cup 2 Sommer (Z07)

Vorne: P285/30ZR19

Hinten: P335/25ZR20

Abmessungen

Außen

Radstand (mm):

 2.710

Gesamtlänge (mm):

 4.518

Gesamtbreite (mm):

 1.965

Gesamthöhe (mm):

 1.235

Spurweite (mm):

 1.613

Leergewicht (kg):

 1.598

Gewichtsverteilung

(% vorne/hinten):

50/50

 

Interieur

Sitzplätze

2

Kopffreiheit (mm):

962

Beinfreiheit (mm):

 1.092

Schulterfreiheit (mm):

 1.397

Hüftfreiheit (mm):

 1.371


Fassungsvermögen

Innenraum (l):

 1.475

Gepäckraum (l):

Coupé: 425

Cabrio: 283

Tankinhalt (l):

70

Motoröl (l):

9,2

Motorkühlsystem

(l):

10,7

 Fotos: Christopher Otto, Werk

Keine Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Login via Facebook

Community