Grau-Arbeiter mit originalen 348 Kilometer!

VW Doka im Dornröschenschlaf

Grau-Arbeiter mit originalen 348 Kilometer! : VW Doka im Dornröschenschlaf
Erstellt am 2. Dezember 2014

Da steht er, mit einem Motor, der in mehr als 50 Jahren wohl nur eine Handvoll mal angelassen wurde. Mit einer ausgesprochen niedrigen Laufleistung von 348 km. Das klingt nach einem nicht mal richtig eingefahrenen Neuwagen. Irgendwie ist er das ja auch, der „Sir Adam“ von Manfred Klee aus Waldesch bei Koblenz. Aber: „Sir Adam“ ist eine VW Bus DoKa. Und diese rollte bereits im Jahre 1960 – also vor gut 54 Jahren - vom Band.

DoKa, das stand und steht bei Volkswagen für eine Doppel-Kabine, also einen Transporter mit Pritsche oder Aufbau hinter einem Fahrerhaus mit bis zu sechs Sitzplätzen. Und das ist schon seit Jahrzehnten so. Die DoKa von Manfred Klee hat eine seltsame – und eine recht traurige – Geschichte hinter sich. Ausgeliefert wird sie am 8. April 1960 vom Volkswagen-Händler Jack Adams in Wuppertal - Barmen. Diesem Händler – und Klees Kumpel Adam Balkanli, der ihm seinerzeit viel geholfen hat – verdankt der Bus übrigens auch seinen adligen Kosenamen.

Beim Kilometerstand 003 macht Jack Adams am 8. April 1960, so ist es dokumentiert, die Übergabeinspektion für die DoKa. Der Käufer des lichtgrauen VW Bus Doppelkabiners ist ein Werkzeugmacher aus Remscheid. Der Handwerker ahnt offenbar, dass seine Gattin mit seinem Kauf nicht ganz einverstanden ist. Denn er lässt seinen neuen VW Transporter hinter einer Wand in seiner Garage verschwinden, gut versteckt vor den wachsamen Augen seiner Frau.

Erster Service nach 118 Kilometer

Am 14. Mai 1962, also erst gut zwei Jahre später, kommt der Bus erneut in die Werkstatt von VW-Händler Jack Adams. Bei einem Kilometerstand von 118 km wird in Wuppertal eine erste Durchsicht durchgeführt, wie das Kundendienst-Heft belegt. Nach ihrer Rückkehr nach Remscheid dürfte die DoKa nicht mehr viel bewegt worden sein. Auch die Pritsche hinter dem sechssitzigen Fahrerhaus, die immerhin 2,8 Quadratmeter Ladefläche bietet, schaut so aus, als hätte sie nie Werkzeug oder Material befördert.

Der Bulli fällt in einen Dornröschen-Schlaf

Der Besitzer verstirbt schon bald nach dem ersten Werkstatt-Aufenthalt seines Transporter-Schätzchens. Seine Frau hat nach wie vor keine Kenntnis von seinem einstigen heimlichen Kauf. Der unauffällig lichtgrau lackierte Bus fällt – bei Kilometerstand 342 - in einen ruhigen und lange andauernden Dornröschen-Schlaf. Er steht lange, lange, sehr lange in seinem Hallenversteck. Verwunschen, versteckt und verborgen hinter seiner Sichtschutzwand.

Um ihn herum gehen der Trubel und das normale Leben, der Alltag, weiter. Aber auch die märchenhaft verschlafene und verwunschene DoKa bleibt von Katastrophen und deren Folgen nicht verschont. Am 8. Dezember 1988 stürzt in Remscheid um 13.26 Uhr eine US-amerikanische Militärmaschine vom Typ A-10 Thunderbolt II ab. Der Kampf-Jet fällt in ein Wohngebiet, kracht brennend in der Stockder Straße in mehrere Wohnhäuser. Sechs Menschen – darunter der Pilot - sterben. 50 Personen werden teilweise schwer verletzt.

Während ganze Straßenzüge in Schutt und Asche liegen, steht die VW DoKa – total verstaubt und mit Spinnweben verziert wie Dornröschen nach ihrem langen Schlaf - unversehrt und ohne einen Kratzer auf dem lichtgrauen Lackkleid in ihrer Halle. In ihrem Versteck. Dort findet sie schließlich doch die überraschte Witwe des verstorbenen Werkzeugsmachers. Und sie steht schließlich vor der Frage: „Wohin damit, was tun mit dem Transporter“?

Die Welt ist klein. Um ein paar Ecken erfährt Manfred Klee, VW Bus-Freak der ersten Stunde, Initiator und Organisator diverser VW Bus Deutschland-Treffen und schon fast "ewiger" Dauer-Präsident des Koblenzer VW Bus-Clubs, von dem seltenen Fundstück und seiner traurigen Historie. Klee überlegt nicht lange. Er kauft den "Scheunenfund" und blättert einen fünfstelligen Betrag für die DoKa hin. „Ein Mehrfaches des damaligen Neupreises“, wie der Architekt sagt.

Am 9. Dezember 1989 um 13.15 Uhr ist die Ruhe vorbei

Der Bus-Fan erwirbt damit am 9. Dezember 1989 um 13.15 Uhr eine Rarität mit einem im besten Wortsinne kaum „bewegten“ Vorleben und einer belegbaren Geschichte. Für den bei der Stadt Koblenz beschäftigten Architekten ist es mittlerweile der dritte Bus einer Sammlung, die bis heute auf satt mehr als zehn Exemplare angewachsen ist.

„Der Doppelkabiner war praktisch neuwertig, von ein bisschen Flugrost mal abgesehen. Ich war vermutlich der erste, der die hintere Tür des Doppelkabiners geöffnet haben dürfte“. Manfred Klee, der sich schon vor Jahrzehnten dem „mobilen Kulturgut“ VW Bus verschrieben hat, ist von Anfang an klar: „Dieser Wagen muss unbedingt im Originalzustand erhalten bleiben“.

Bis heute ist der Transporter bestens in Schuss. Kein Wunder, denn er wird nicht gefahren und kommt lediglich bei Sonnenschein aus Klees geräumiger Garage. Wahrscheinlich hat der in Hannover gebaute Transporter „Sir Adam“ noch nie Regen gesehen. Für den Fototermin am Rheinhafen in Andernach wurde der Hecktriebler lediglich ordentlich gewaschen und geputzt. Der niedrige Kilometerstand soll – absolute Ehrensache für Manfred Klee – erhalten und auch künftig möglichst gering bleiben. Deswegen steht sie auch heute, gut 54 Jahre, nachdem sie das Werk verließ, noch immer da wie neu. Wenn es nicht anders möglich ist und der Wagen auf eigener Achse rollen soll, wird er geschoben – natürlich rückwärts. Allerdings klappt das nicht immer so hundertprozentig.

Sechs Kilometer am Stück sind die Ausnahme

Im August / September 1994 etwa stand der Handwerker-Transporter als Exponat auf der Nutzfahrzeug-IAA – und legte immerhin satte sechs Kilometer in den Messehallen zurück. Die sich dann auch auf dem Kilometerzähler wiederfanden. Beinahe jungfräulich ist auch das noch vorhandene Kundendienst-Heft des lichtgrauen Nutzfahrzeugs, des vielleicht „originalsten“ Doppelkabiners von Volkswagen aus den 1960-er Jahren.

Manfred Klee ließ es sich nicht nehmen, den damaligen Werbeslogan von VW „Versprochen ist versprochen“ auf die Probe zu stellen. Die bei 500 Kilometern fällige Inspektion, so versprachen einst die Wolfsburger Väter der DoKa, werde umsonst erledigt. Zu zahlen, so hieß es, habe der Kunde lediglich fürs Öl. Damals, im Jahre 1960, lag der Preis für den notwendigen Motor-Schmierstoff bei gerade mal zwei Mark.

7,50 DM für den Ausbau des Motor

Die Probe aufs Exempel gelang. Die entsprechenden Arbeiten führte im September 1990 der (heute nicht mehr existierende) VW-Händler Korn im Klees Wohnort nahen Koblenz durch. Auch andere Preise waren damals, zu Produktionszeiten von "Sir Adam", durchaus noch volkstümlich. Der Ausbau- und Einbau des Motors steht mit gerade mal 7,50 DM in der Preisliste. Einmal Motor zerlegen, Teile prüfen, reinigen und zusammenbauen kostete damals schlappe 61,80 DM. Für den Gegenwert in heutigem Euro würde ein Mechaniker wohl nicht mal den Diagnose-Computer in die Hand nehmen.

Manfred Klee weiß ganz genau, welches Schätzchen auf Rädern er da hüten darf. „Klar, die Dichtungen an den Türen sind mittlerweile porös. Ich hab’ schon mehrfach überlegt, sie auszutauschen. Aber dann wäre die DoKa ja nicht mehr so hundertprozentig original“. Und das wäre schade. Für „Sir Adam“. Also bleibt alles so, wie es war, beim Auslieferungszustand. Und die DoKa wird nach wie vor, so oft es irgend geht, rückwärts geschoben.

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