Der Golf 2. Wir alle haben ihn als kantigen, zuverlässigen Zeitgenossen in Erinnerung. Unvergessen ist der Anblick der vor reichlich Hohlraumwachs triefenden Heckklappe und der vielseitigen Einsatzmöglichkeiten als Lastesel und Familienkutsche. VW-Fan Jens dachte nicht im Traum an Wachsspuren oder eine Waschmaschine, als er im Geiste das Bild seines perfekten Wunsch-Golf zeichnete. Das Problem daran war nur, eine geeignete Basis zu finden.

Zur Not ist „2WD“ auch ganz ok

„Ich habe eigentlich nach einem Synchro-Modell Ausschau gehalten“, erinnert sich Jens, „aber die meisten Golf 2 sind inzwischen total verrostet oder in einem technisch katastrophalen Zustand.“ So spielte ihm eines Tages der Zufall in die Hände, als er das Angebot einer frisch lackierten Golf 2 Karosserie erblickte und zugriff.

Trotz Neulackierung stand der nackte Blech-Body wenige Tage später in der Box und bekam eine Massage mit Sandstrahlen ab. Zweieinhalb Jahre später war der Wagen fertig – das Resultat läßt uns mit der Zunge schnalzen.

Genug Details für eine mehrteilige Story

Wo soll man nur anfangen mit der Beschreibung, um jedem aufwändigen Detail gerecht zu werden, ohne aber etwas anderes zu vernachlässigen? Jede Feinheit dieses Kunstwerks aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen und doch erliegen wir der Versuchung grenzenloser Worte:

42 Bilder Fotostrecke | VW Golf 2 VR6 Turbo als eilige 600 PS Druck-Sache: Brownie mit Chrom-Aroma #01 #02 Jens öffnet die Motorhaube und es verschlägt uns glatt die Sprache! Wo ist noch gleich die Sonnenbrille? Pervers glänzt das VR6-Triebwerk, als gäbe es kein Morgen mehr. Wie in einem Edelstein brechen sich die Sonnenstrahlen, blitzen und glitzern in alle Richtungen, dass man kaum weiss, wo man eigentlich hinschauen soll.

Gestatten, Garrett ist mein Name

Der 2,9-Liter Sechszylinder wurde innen wie außen komplett revidiert und mit feinsten Zutaten aus der Tuning-Küche gewürzt. Die Serienkolben hängen an H-Schaft-Pleueln und tanzen mitsamt der Nimonic-Ventile die Super-Plus-Symphonie, getaktet von AME-Racing Nockenwellen. Zuvor befördern zwei Bosch Benzinpumpen das flüssige Oktan-Elixier durch 630ccm Siemens Deka Einspritzdüsen.

Um das Thema Aufladung kümmert sich ein obszöner Garret GT35-Lader, dem Jens selbstgebaute Ladeluftrohre spendierte, angetrieben von einem Eigenbau-Stoßaufladungskrümmer. Eine Zwischenplatte reduziert die Verdichtung auf humane 7,9:1. Der große Ladeluftkühler stammt vom „großen“ Bruder Rallye Golf, ein Passat VR6-Kühler kümmert sich um Wassertemperaturen im grünen Bereich.

KW sei dank: Der Fahrwerksprofi punktet mit einem Spezial-Setup

Jens wollte nicht nur einen starken Golf, sondern auch einen überaus tiefen. Damit das gelang, mussten eventuelle Hindernisse wie eine Ölwanne etwas gekürzt werden. Dann kümmerte sich Andy Pfeffer um das Fahrwerk. Um das hohe Motorgewicht auszugleichen, stellte er ein individuelles Gepfeffert.com-Gewindefahrwerk, bestehend aus einem KW Variante 3 mit Rennsport-Domlagern an der Vorderachse und einem Variante 2 Fahrwerk hinten.

Der Wagen verfügt über eine Corrado VR6-Vorderachse mit Golf 2 G60 Dreieckslenkern und gekürzten R32-Antriebswellen. Eine Bremsanlage, bestehend aus S3-Komponenten vorn und VR6-Scheiben hinten, bremst die 600 PS, die PPH Motoring durch Feinabstimmung bei 2 bar Ladedruck aus dem Sechszylinder gekitzelt hat, wieder ein.

Big Brakes for Big Boys

Die Räder sind speziell angefertigt, einmal optimiert in Sachen Tiefe und dann musste die Freigängigkeit zur Bremse ja auch noch sichergestellt werden. BBS 301 wurden zerlegt, die Aussenschüsseln und Sterne hochglanzverdichtet, bzw. verchromt und verkehrt herum wieder zusammengesetzt. Das bedeutet in diesem Fall: Stern nach außen. Die Maße der wunderschönen Mehrteiler sind nun 7x17 vorne und 7,5x17 Zoll an der Hinterachse. Hüben wie drüben kamen superflache 185/35er Nankangs zum Einsatz.

Feine Details wurden mit BMW-Lack bedeckt

Im BMW-Tuschkasten wurde Jens in puncto Farbe fündig. Das aufgespritzte Metallicbraun basiert auf einem bajuwarischen Serienlack, wurde aber nachträglich individualisiert. Zuvor musste das heilige Blech umfangreiche Modifikationen über sich ergehen lassen. Die Aussparung fürs Endrohr fehlt ebenso wie die Abschleppöse. Im Motorraum wurde ebenfalls gecleant, was die Flex hergab. In Blech verbreiterte Kotflügel bieten den Reifen genug Platz, Chromleisten glänzen an Fensterdichtungen, Türgriffen und den US-Stoßstangen. Sie passen perfekt zur mittlerweile zur Rarität gewordenen Westmorelandfront mit den coolen, eckigen Scheinwerfern.

Mehr als nur ein Hauch von Luxus umströmt den Innenraum. Elektrische Recaro-Sitze und alles andere, vom Armaturenbrett bis hin zum 30er Momo wurden in feinstes hellbraunes Nappaleder und Alcantara aus dem Porsche-Regal gehüllt. Selbst die Sicherheitsgurte sind braun und der R32-Schalthebel passt zum R32-Sechsganggetriebe.

Etliche Rückschläge und Herausforderungen (einmal wurde sogar in die Schrauberhalle eingebrochen) warfen Jens immer wieder Steine in den Weg, welche er aber mit einer Engelsgeduld umschiffte und sein Meisterwerk vollendete. Naja, nicht ganz. Wie ursprünglich geschrieben, suchte er ja nach einem Synchro-Modell. Und so spukt ihm der Umbau auf Allradantrieb noch immer im Kopf herum...

Technische Daten

Fahrzeugtyp: VW Golf 2

Baujahr: 1991

Motor: 2,9-Liter VR6, Kennbuchstabe ABF, H-Schaft-Pleuel, Zwischenplatte zur Verdichtungsreduzierung, AME Nockenwellen, Kopfbearbeitung, Nimonic-Ventile, Garrett GT35 Turbolader, Verdichtung 7,9:1, zwei Bosch Benzinpumpen, Stahlflex Benzinleitungen, Ölwanne gekürzt, Racimex 16-Reihen Ölkühler, Eigenbau Stoßaufladungskrümmer, Eigenbau Hosenrohr, Siemens Deka 630ccm Düsen, Eigenbau Ladeluftrohre, RS2-Wastegate, Anbauteile und Peripherie verchromt, Kabelbaum versteckt verlegt, PPH-Motoring Abstimmung, Eigenbau-Auspuff mit 100 Zeller Kat und „verstecktem“ Endrohr, ca. 600 PS

Getriebe: 6-Gang-Getriebe vom R32, Sintermetall-Kupplung, gekürzte R32-Eigenbau-Antriebswellen

Fahrwerk: KW Gewindefahrwerk, Variante 3 an der Vorderachse, Variante 2 an der Hinterachse, Corrado VR6-Vorderachse mit Golf 2 G60 Dreieckslenkern, Golf 2 G60 Hinterachse, Achsen, Querlenker und Stabi pulverbeschichtet

Bremsen: Audi S3-Bremse mit gelochten 312mm Scheiben vorn, Golf VR6 Bremse mit gelochten Scheiben hinten

Räder: BBS RS301, vorne in 7x17, hinten in 7,5x17 Zoll, Stern verchromt und Betten hochglanzverdichtet, Stern von der Vorderseite verschraubt, Schrauben und Eigenbau-Nabendeckel verchromt

Reifen: Nankang in 185/35 R17

Karosserie: Kotflügel in Blech verbreitert und auf Stehbolzenbefestigung umgebaut, Motorraum gecleant, Westmoreland-Front, US-Stoßstangen, Heckklappe und Griffleiste gecleant, Bonrath Einarmwischer, Heckscheibe ohne Heizdrähte, Abschleppöse hinten und Auspuffaussparung gecleant, neue US-Rückleuchten, Sicke unter Rückleuchten gecleant, Chromkeder an Fensterdichtungen, Neulackierung in modifiziertem BMW-Lack

Innenraum: Komplette Innenausstattung mit hellbraunem Alcantara und Nappaleder von Porsche beledert, Momo Top Power 30cm Lenkrad, elektrische Recaro-Sitze, Golf 4 R32 Schalthebel, brauner Teppich, Schiebe-Hubdach, braune Sicherheitsgurte, Zusatzinstrumente

Dank an: Dag Dannapfel, Andre Novotny, Mario Kläbig, Michael Sloopmaker, Heiko Borchardt, Sergej Dulzon, Marc Marafona, Jürgen Lengler, Andreas Pfeffer, Andreas Heberle, Ron Huijzer, Lackiererei Dove, Sattlerei Moldenhauer, Florian Kreuzer, Daniel Schmöller, alle die ich noch vergessen habe und natürlich Nicole Harland