2017er Cadillac CTS-V im ausführlichen Fahrbericht

Die 649 PS-Bestie im Maßanzug!

2017er Cadillac CTS-V im ausführlichen Fahrbericht: Die 649 PS-Bestie im Maßanzug!
Erstellt am 20. Juli 2017

Wenn man über Performance-Limousinen redet, fallen jede Menge Kürzel. E63, M5 oder RS6 - hier kann Buchstaben- und Zahlensalat wahrlich zum Träumen anregen. Über CTS-V redet dagegen kaum jemand. Wir schon, denn die Interpretation des Themas von Cadillac ist es durchaus wert, genauer betrachtet zu werden.

Nachdem wir im letzten Jahr den neuen Mercedes-AMG E63 S zum Übervater der Performance-Limousinen gekürt hatten, bekamen wir kurz darauf eine interessante Nachricht aus der Presseabteilung von Cadillac Europe. Wenn wir mal eine ECHTE Performance-Limousine fahren wollten, sollten wir doch mal den Cadillac CTS-V probieren, hieß es da. Das ließen wir von Vau-Max.de uns natürlich nicht zweimal sagen und orderten den bulligen Ami als Testwagen.

Spender-Herz von der Corvette Z06!

Die trockenen Daten und Infos lassen schon mal leichte Gänsehaut aufkommen. Der CTS-V verfügt über einen 6,2 Liter großen V8-Motor mit Kompressor-Aufladung und damit über den Antriebsstrang der Chevrolet Corvette Z06. Und Kenner wissen, was das für ein Biest ist! Auch wir hatten bereits das große Vergnügen, dieses Monster ausführlich zu bewegen und waren angemessen beeindruckt ob der brutalen Gewalt, die diese Fahrmaschine entfesselt. Während man mit der Z06 stets am Rande des Reifenhaftungs-Abgrundes schlitterte, war die Spannung groß, wie sich das selbe Triebwerk in einer gestandenen Limousine anfühlt. Die 649 PS und vor allem die 855 Nm machen bereits auf dem Papier schwer Eindruck und überflügeln die aktuelle Konkurrenz von Mercedes-AMG, BMW oder Audi zum Teil deutlich.

Brachiale Optik mit viel Carbon!

Bevor wir uns jedoch endlich auf die Piste schwingen und das Monster von der Leine lassen können, werfen wir noch einen Blick auf die Verpackung. Diese ist nämlich sehenswert, denn mit Understatement hat Cadillac erfreulicherweise nicht viel am Hut. Hier steht man noch zu der unbändigen Power unter der Haube und zeugt dies auch deutlich. Alleine die extrem aggressive Front mit den vertikalen Scheinwerfern und Tagfahrlichtern, den großen Kühllufteinlässen und der Lufthutze in der Motorhaube flößt braven Verkehrsteilnehmern Angst ein. Die kantige, keilförmige Silhouette mit sehr gelungenen Proportionen und das mit geraden Linien, vertikalen Kanten und schmalen Rückleuchten bestückte Heck lassen keinen Zweifel daran, dass der CTS-V in der Oberklasse ein gewichtiges Wort mitreden möchte. Unser Testwagen war zudem noch mit den exklusiven „Carbon Black Edition Package“ ausgestattet. Die darin enthaltenen Aeroteile aus edler Kohlefaser – namentlich der Frontsplitter, die Hauben-Kiemen, der große Heckspoiler und der hintere Diffusor – setzten dem Ganzen die optische Krone auf, vor allem im Kontrast mit dem Lack in „Cristal White“. Dabei wirkt die aggressive Optik keinesfalls übertrieben, sondern einfach nur beeindruckend!

Renn-Motor für die Straße!

Auf der Straße kann der Amerikaner sämtliche optische Versprechen eindrucksvoll in die Tat umsetzen. Beim Druck auf den Startknopf faucht der V8 einmal bissig aus den vier Endrohren, bevor er sich brabbelnd auf seine kommenden Aufgaben freut. Im Sportmodus bekommt man nicht genug vom Klang des dicken V8, der sich mit dem heiseren Fauchen des Kompressors mischt und bei jedem Gasstoß wohlige Gänsehaut (beim Fahrer) oder Kopfschütteln (bei erschreckten Passanten) hervorruft. Dieser V8 klingt dabei allerdings nicht typisch amerikanisch tief blubbernd, sondern aggressiv und fauchend wie ein echter Renn-Motor. Vor allem im höheren Drehzahlbereich jagt einem diese Komposition aus V8-Bass und Kompressor-Fachen jedes Mal die Freudentränen in die Augen. Dabei haben die Tränen keine Chance, der Schwerkraft zu folgen, sondern fließen regelmäßig waagerecht nach hinten ab, denn was der CTS-V an Beschleunigung zu bieten hat, spottet jeder Beschreibung. Das Biest schiebt mit einer unfassbaren Kraft an, die man kaum bändigen kann.

Im niedrigen Geschwindigkeitsbereich haben die dicken 295/30er Hinterreifen alle Hände voll zu tun, die unbändige Power auf den Boden zu bekommen. Dabei werden sie vom elektronischen Hinterachs-Differenzial und der Traktionskontrolle wirkungsvoll unterstützt. Der Spint von 0 auf 100 km/h gelingt so trotz Heckantrieb in nur 3,7 Sekunden. In Kurven allerdings kann auch das ausgeklügelte Cadillac-System die Physik nicht überlisten. Kurven haben ja die Angewohnheit, dem ohnehin schwer beschäftigten Hinterreifen zusätzlich nicht unerhebliche Seitenführungskräfte aufzubürden, die dieser mit schlagartiger Kapitulation beantwortet. Resultat ist ein blitzschnell heraus schnalzendes Heck, das vom ESP genauso schnell wieder eingefangen wird. Das fühlt sich zwar gefährlich an, ist es aber nicht. Besonders lässig kommt man mit diesen ruckartigen Mini-Drifts allerdings nicht rüber. Viel geschmeidiger lässt es sich bei abgeschalteten elektronischen Helferlein driften. Hier lässt sich der Driftwinkel stufenlos mit dem Gaspedal steuern, wobei wegen des etwas unberechenbar einsetzenden Kompressorschubes die Dosierung nicht ganz einfach ist. Diese Übung sollte daher nur absoluten Profis am Lenkrad vorbehalten sein.

Wo sind die Gegner?

Viel entspannter gestaltet sich das Ganze auf der Autobahn. Auch hier schüttelt man ob der schieren Gewalt, die der CTS-V entfesselt, ständig nur den Kopf. Unglaublich, dass hier fast zwei Tonnen bewegt werden. Das Auto schießt beim kleinsten Gasstoß derart nach vorn, dass man fast schwindelig wird. Selbst bei weit über 200 km/h bedeutet Vollgas einen wahren Sprung nach vorn. Der Nachteil des Ganzen: Es gehen die Gegner aus! Selbst die sonstigen Könige der Autobahn werden zu Statisten degradiert. Ein aufmüpfiger Audi TTRS, der sonst wahrlich kaum Gegner fürchten muss, sah nach kurzem, vergeblichem Versuch die Sinnlosigkeit seines Unterfangens ein und gab auf.

Spitzen-Fahrwerk bei einem Amerikaner?

Brutal geradeaus konnten die Amis ja schon immer, nur mit den Kurven hatten es die Fahrwerksabstimmer jenseits des großen Teiches nicht immer so. Aber bereits die neue Corvette C7 hat gezeigt, dass man den Zeitgeist verstanden hat und heute Fahrwerke bauen kann, die den absolut besten gehören. Auch Cadillac gab sich bei der Konstruktion und Abstimmung des CTS-V Chassis größte Mühe. Beispielsweise spendierte man ihm die dritte Generation des „Magnetic Ride Control“ Fahrwerkes mit adaptiven Dämpfern sowie Michelin Pilot Super Sport Reifen. Im Sport- oder Track-Modus liegt der dicke Caddy wie das sprichwörtliche Brett, lenkt wie mit einem Skalpell ein und zeigt kaum Lastwechsel. Die Lenkung wird dann allerdings sehr straff und erfordert gerade im hohen Geschwindigkeitsbereich ordentlich Muckies in den Oberarmen. Natürlich dringen dann Bodenunebenheiten deutlich zum Fahrer, was man aber eher als hilfreiches Feedback empfindet. Die tolle Brembo-Bremse ist dabei jederzeit Herr der Lage und durch nichts zu erschüttern.

Der CTS-V kann auch chillen – wenn der Fahrer ihn lässt!

Der große Unterschied zum Teilespender Corvette Z06 besteht darin, dass man mit dem Cadillac CTS-V auch vorzüglich reisen kann. Und zwar sehr entspannt. Schaltet man auf Comfort, ändert sich der Charakter des Caddies umfassend. Die Auspuffklappen schließen, die Dämpfer reagieren softig auf alle Gemeinheiten deutscher Straßenbauer und das Ansprechverhalten des Motors empfindet man als vergleichsweise zahm. Auch die tolle Achtgang-Automatik, die vorher noch blitzschnell und mit deutlichen Rucken und Zwischengas-Orgien die Gänge durchlud, zappt sich jetzt geschmeidig und unmerklich durch das Übersetzungsmenü. Der Verbrauch sinkt von locker 20 l/100 km auf verhältnismäßig gute 12 Liter, wobei auch die serienmäßige Abschaltautomatik von vier Zylindern ihren Anteil hat. Dieses Gimmik, was wir in der Corvette Z06 noch als lächerlich empfunden hatten, macht in diesem Auto hier absolut Sinn! Insgesamt cruist man so sehr entspannt vor sich hin und frisst Kilometer. Wenn man nicht wüsste, dass man hier auf einer Kanonenkugel mit 650 PS sitzt, könnte man sich auch in irgendeinem Oberklasse-Diesel sitzen. Weiß man aber! Und spätestens beim nächsten kurzen Gasstoß sind alle Cruising-Vorsätze über Bord, garantiert!

Sportives Cockpit mit tollen Details!

Im Innenraum fällt man in die Performance-Sitze von Recaro, die ebenfalls im „Carbon Black Package“ enthalten sind und sich 16-fach verstellen lassen. Hier findet jeder eine perfekte Sitzposition schön tief im Fahrzeug. Aber die Sitze können noch mehr, wie man spätestens beim ersten Ausparken feststellt. Zusätzlich zum Piepsen der Parkwarner vibriert der komplette Sitz beim Annähern an Hindernisse, so dass diese keinem mehr entgehen können. Etwa gewöhnungsbedürftig ist das Gebrumme und Gerüttel jedoch schon. Ansonsten haben die Interieur-Designer von Cadillac beim CTS-V alles richtig gemacht und spendierten der Oberklasse-Limo ein sehr gelungenes Armaturenbrett, das sich in seiner Qualität und Verarbeitung keineswegs hinter den deutschen Kontrahenten verstecken muss. Die Ausstattung ist überaus üppig und reicht vom edlen Lederbezug über eine digitale, programmierbare Instrumententafel bis hin zu einem gut funktionierenden Multimedia-System. Moderne Assistenz-Systeme wie in Notbrems-Assistent, Spurhalte- und Toter-Winkel-Hilfe und eine Park-Automatik sind ebenfalls an Bord. Warum der CTS-V allerdings keine adaptive Abstandsregelung besitzt, ist unverständlich und schade.

Preislich bremst der CTS-V alle aus!

Kommen wir zu den Preisen. Bei den eingangs erwähnten Speerspitzen der Performance-Limousinen muss man sehr tief in die Tasche greifen. Für einen Mercedes-AMG E 63 beispielsweise muss man mindestens 121.890 Euro hinblättern. Ausstattungsbereinigt wäre man locker bei über 140.000 Euro, um ein mit dem Cadillac vergleichbares Paket zu bekommen. Der CTS-V steht dagegen mit einem Basispreis von 98.500 Euro in der Liste. In unserem Fall kommen noch Extras wie das erwähnte „Carbon Black Edition Package“ mit den Sonderrädern, dem Aero-Paket und den Performance-Sitzen für 6.100 Euro sowie der Performance Track Recorder und der Sonderlack hinzu, so dass wir bei 108.150 Euro landen. Sicher immer noch jede Menge Geld. Aber sicher nicht zu viel für ein Auto, dass sich mit viel Charakter ganz bewusst gegen die überperfektionierten deutschen Konkurrenten stellt und dabei sein unglaubliches Charisma in den Vordergrund spielt. Der CTS-V mag im Detail sicher nicht die beste Performance-Limousine auf dem Markt sein, aber ganz sicher die mit dem größten Faszinations-Potenzial! Und das macht ihn in unseren Augen zum Leader!

Christopher Otto (Text und Fotos)

Hier geht es zur großen Galerie des CTS-V: 61 Bilder Fotostrecke | Die Bilder zum 2017er Cadillac CTS-V Fahrbericht: Performance-Limo für harte Männer! #01 #02

Technische Daten Cadillac CTS-V 2017:
Cadillac CTS-V TechData EN.pdf
111.47 KB

Konfiguration und Preis Testwagen:
CTS-V CarbonBlackPack DE.pdf
99.07 KB

 

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